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Georgien: ?Ein Katholik ist hier manchmal Bürger zweiter Klasse“

Er lebt seit dem Fall des Eisernen Vorhangs in Georgien und hat dort unter anderem den russischen Angriff von 2008 miterlebt: Der italienische Ordensmann Giuseppe Pasotto.

Er kam als Missionar, wurde dann 1996 zum Apostolischen Administrator und ist seit dem Jahr 2000 Bischof von Tbilisi/Tiflis. Den Wiederaufbau der Strukturen der katholischen Kirche in dem kleinen Kaukasusland hat er maßgeblich mitgestaltet.

Georgien ist ein Land mit tiefen christlichen Wurzeln; von den 3,7 Millionen Einwohnern sind 84 Prozent orthodox. Die Katholiken kommen auf ein knappes Prozent der Bevölkerung, also auf ungefähr 35.000 Menschen.

Heiligenbilder in einer alten orthodoxen Kirche außerhalb von Tbilisi
Heiligenbilder in einer alten orthodoxen Kirche außerhalb von Tbilisi

Interview

Exzellenz, können Sie uns eine Vorstellung von der katholischen Kirche hier in Georgien geben?

Nun, es ist eine Minderheitenkirche, die in ständigem Kontakt mit der orthodoxen Kirche und mit anderen Konfessionen lebt – so dass der erste Zweck unserer Berufung, unseres Hierseins, darin besteht, Gemeinschaft zu schaffen. Das ist gewissermaßen der Auftrag, den uns der Heilige Vater von Anfang an gegeben hat, seit wir hier wieder präsent sind, und das schon seit Jahrhunderten. Aber während der kommunistischen Periode war sie ein wenig schwach geworden, dann haben wir sie wiederaufgenommen.
Also, das Thema der Gemeinschaft ist uns wichtig. Als Kirche sind wir Teil einer universellen Kirche; und dann führen wir viele Bildungs- und Ausbildungsaktivitäten durch, um diesem Volk, unserer Kirche, aber auch anderen Menschen zu helfen, nach vorne zu schauen und eine breitere Perspektive zu bekommen. Der Katholischen Universität von Tiflis und der Caritas mit ihren vielen Projekten geht es darum, eine ganzheitliche menschliche Entwicklung zu fördern – also auch den spirituellen Teil.

Katholische Kirche des lateinischen Ritus in der Hauptstadt
Katholische Kirche des lateinischen Ritus in der Hauptstadt

Wie ticken die Katholiken in Georgien, und wie sehen die Menschen in Georgien auf die katholische Kirche?

Also, die katholische Kirche ist schon seit Jahrhunderten in Georgien präsent, und die Georgier sehen in ihr meiner Beobachtung nach etwas Wertvolles – auch deshalb, weil die katholische Kirche ein bisschen für Europa steht, für den Westen, und die meisten Menschen hier orientieren sich nach Westen. Was die Katholiken in Georgien betrifft – das sind in der Regel Menschen, denen es leichtfällt, zu glauben und auf Gott zu vertrauen. Sie sind von Natur aus religiös.
Außerdem haben viele georgische Katholiken - vielleicht im Gegensatz zu Orthodoxen – angesichts der Geschichte, die sie erlebt haben, einen weiteren Blick, der über den Tellerrand des eigenen Landes hinausgeht. Kurz gesagt: Georgien ist ein kleines Land, eine kleine Realität in der Welt, aber die katholische Kirche hilft dabei, alles in einem größeren Rahmen zu sehen.

?Georgien ist ein kleines Land, eine kleine Realität in der Welt, aber die katholische Kirche hilft dabei, alles in einem größeren Rahmen zu sehen.“

Orthodoxe Kirche in der Hauptstadt
Orthodoxe Kirche in der Hauptstadt

Sie sprachen von Gemeinschaft – aber die Beziehungen zur orthodoxen Welt um Sie herum scheinen nicht immer einfach zu sein…

Nein, sie sind nicht einfach. Ich glaube, dass hier im Moment alles ein bisschen eingefroren ist. Das heißt, es gibt keine großen Schwierigkeiten, aber es bewegt sich nichts… auch wegen des Patriarchen, der alt ist, und so ist es ein bisschen eine Wartezeit, würde ich sagen. Das ist schwierig für die Katholiken, weil so viele Probleme ungelöst bleiben, die man jetzt nicht anfassen will, darunter die Rückgabe unserer Kirchen, vor allem aber die Sakramentenfrage. Unsere Taufe wird nicht als gültige Taufe anerkannt, und damit auch nicht die anderen Sakramente.
Und auch bei der Zusammenarbeit hapert es: also daran, sich zunächst einmal als Christ zu fühlen und nur in erster Linie als Vertreter seiner eigenen Konfession. Ein Katholik ist in Georgien manchmal so etwas wie ein Bürger zweiter Klasse in diesem Land, weil viele Menschen davon ausgehen: Wer Georgier ist, der muss orthodox sein, und wenn du nicht orthodox bist, dann kann man dich als jemanden zweiter Klasse behandeln, dich diskriminieren oder sogar verfolgen, nicht wahr… Das sind im Moment die größten Schwierigkeiten hier in Georgien.

Pasotto im Februar 2023 mit Papst Franziskus
Pasotto im Februar 2023 mit Papst Franziskus   (ANSA)

Georgien erlebt derzeit einen politisch unruhigen Moment, wie positioniert sich da die katholische Kirche?

Nun, die katholische Kirche wird als eine Kirche gesehen, die mit dem Westen verbunden ist, die also einen anderen Blickwinkel hat; es ist keine Kirche, die nach Moskau oder nach Osten schaut, sondern die nach dem Westen schaut. Wir versuchen als Kirche für bestimmte Werte einzustehen, statt uns auf Parteilichkeiten einzulassen: Was sind die Werte, auf denen wir eine Gesellschaft aufbauen können? Das ist die Anstrengung, die wir machen, und das ist keine einfache Sache.
Hier geht es im Moment vor allem um die Logik von Parteilichkeit und von Gegnerschaft, und deshalb sind Spaltungen in der Gesellschaft entstanden. Da wird nicht gefragt: Was könnte der Wert sein, auf dem sich ein Land aufbauen lässt? Wir haben vor der (Parlaments-) Wahl (vom vergangenen Oktober) keine Empfehlung ausgesprochen, sondern allen die Freiheit der Wahl zugestanden. Es gibt viele Katholiken, die an Demonstrationen teilnehmen, aber auch einige, die damit nicht einverstanden sind. Das heißt, wir bemühen uns darum, nicht parteiisch zu sein.

?Was sind die Werte, auf denen wir eine Gesellschaft aufbauen können?“

Nicht nur in Tbilisi: Eine Protestaktion gegen die Regierung in einer Provinzhauptstadt
Nicht nur in Tbilisi: Eine Protestaktion gegen die Regierung in einer Provinzhauptstadt

Der Heilige Vater (Franziskus) war vor ein paar Jahren, 2016, hier in Tiblisi, was sind die Früchte dieser Reise?

Ja, zwei Päpste sind hierhergekommen! Also, jeder Besuch des Papstes ist ein Geschenk, weil er etwas bewegt, weil er die Menschen zusammenbringt; auch die Nichtkatholiken interessieren sich dann dafür, wer das Oberhaupt der katholischen Kirche ist, die Zeitungen schreiben darüber – alle sind beteiligt, und so etwas ist immer ein großes Geschenk. Aber ich bin davon überzeugt, dass man die Reisen eines Papstes nicht nach ihren konkreten Früchten beurteilen sollte, denn sie tragen nicht unbedingt Früchte, sondern sie markieren sozusagen einen Weg, dem man folgen sollte. Und das ist die schönste Frucht! Ein Papst zeigt auf einer Reise, welchen Weg die katholische Kirche gehen will, und das öffnet dann vielleicht einige Türen…

?Ein Papst zeigt auf einer Reise, welchen Weg die katholische Kirche gehen will, und das öffnet dann vielleicht einige Türen.“


Das Interview mit Bischof Pasotto führte Stefan von Kempis während einer Recherchereise durch Georgien, die die katholische deutsche Osteuropa-Solidaritätsaktion Renovabis im April 2025 durchgeführt hat. Die katholische deutsche Osteuropa-Solidaritätsaktion ?Renovabis“ hat am vergangenen Sonntag in Berlin ihre Pfingstaktion eröffnet. Unter dem Motto ?Voll der Würde“ will sie auf die Nöte der Menschen am östlichen Rand Europas aufmerksam machen. Am Pfingstsonntag, 8. Juni, wird in allen katholischen Kirchen für Renovabis-Projekte zugunsten der Menschen in Mittel-, Südost- und Osteuropa gesammelt. Mit ihrer Pfingstspende fördern Unterstützerinnen und Unterstützer konkrete Hilfsprojekte der Partner von Renovabis und stärken die Solidarität zwischen Ost und West.

(vatican news)

Armenische Katholiken
Armenische Katholiken

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02. Juni 2025, 09:42