Vatikan: Chef der Atomenergiebeh?rde warnt vor Aufrüstung
Gudrun Sailer und Daniele Piccini - Vatikanstadt
?Wir sehen allgemein eine Zunahme der nuklearen Bewaffnung im Gegensatz zur Abrüstung. Staaten verbessern und vergrößern ihre nuklearen Arsenale“, hielt Grossi fest. ?Es ist bezeichnend, dass auch Staaten ohne Atomwaffen immer offener über die Möglichkeit und vielleicht sogar über die Notwendigkeit sprechen, solche Waffen zu besitzen. Und das müssen wir stoppen.“
Genau darüber habe er mit Papst Leo in der Privataudienz gesprochen. Grossi nannte es ?von entscheidender Bedeutung, diesen Trend zu einer größeren Anzahl von Atomwaffen einzudämmen. Dies ist derzeit vielleicht die größte Herausforderung im Bereich der Abrüstung.“
Trotz der weltweiten Spannungen hält der aus Argentinien stammende Leiter der Atomenergiebehörde eine Rückkehr zu Abrüstungsverhandlungen für möglich. Als ermutigendes Zeichen nannte er das jüngste Treffen von Amerikanern und Russen in Alaska, bei dem erstmals seit Langem die Frage von Rüstungskontrolle zumindest wieder angesprochen worden sei. ?Es muss diese Wende geben“, so Grossi, der ausdrücklich für neue Verhandlung zur atomaren Abrüstung warb. ?Wir brauchen konkrete Schritte, vielleicht bescheidene, in diese Richtung, um den Eindruck zu beenden, dass wir uns unvermeidlich in einer Spirale bewegen, die zu immer mehr Atomwaffen, zu mehr Proliferation und vielleicht zu ihrem Einsatz führt.“
Besondere Sorge bereitet Grossi die Lage um das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja, das nahe der Frontlinie liegt. Seine Experten von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) seien dort täglich mit Angriffen durch Drohnen oder Artillerie durch Russland konfrontiert.
?Die Möglichkeit eines Angriffs besteht, weil Drohnen und Geschosse fast täglich einschlagen. Die Sicherheit eines Atomkraftwerks – das ganze Kühlsystem und die Energieversorgung – ist ständig unter Druck. Darum ist die Präsenz der Agentur so wichtig.“
Miteinander reden - ohne geht es nicht
Die IAEA mit Sitz in Wien arbeitet in dieser Frage mit beiden Kriegsparteien. Grossi berichtete von Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er hoffe noch im September zu Gesprächen auch nach Moskau reisen zu können. Grossi machte deutlich, dass auch bestehende internationale Sicherheitsstandards in Kriegszeiten nicht ausreichen, solange nicht die Konfliktparteien selbst Verantwortung übernehmen.
?In Kriegszeiten werden alle Sicherheitsstandards ein Stück weit infrage gestellt und unter Druck gesetzt. Darum ist es so wichtig, die Kooperation dieser kriegführenden Parteien zu haben. Das verändert alles.“ Für Grossi bleibt der Dialog das einzige Mittel, um weitere Eskalationen zu verhindern. ?Viele haben kritisch gefragt: Warum mit Putin reden? Ich habe geantwortet: Aber wenn ich nicht mit ihm rede, mit wem soll ich dann sprechen? Der Dialog ist unverzichtbar.“
Papst Leos Vorgänger Franziskus hatte in den zwölf Jahren seines Pontifikats stark für atomare Abrüstung geworben. Nicht nur der Einsatz, sondern bereits der Besitz von Atomwaffen sei moralisch unzulässig, erklärte Franziskus bei seiner Japanreise 2019 in Hiroshima und Nagasaki, den beiden Städten, die 1945 Schauplatz der bisher einzigen Atombombenabwürfen wurden.
Auch Papst Leo hat vom Beginn seines Pontifikats an für einen ?unbewaffneten und entwaffnenden Frieden” geworben. Appelle, die, wie Grossi hofft, den Gang der Welt beeinflussen können: ?Natürlich ist die Stimme des Heiligen Vaters, die Stimme der Kirche, der spirituellen Führer der Welt, sehr wichtig. Wir dürfen nicht vergessen, dass politische Entscheidungen immer eine menschliche Dimension haben und Einfluss auf die internationale Lage nehmen. Wenn eine Stimme mit dieser Autorität, von oben, erhoben wird, ist das eine große Hilfe für uns, die wir die Aufgabe haben, technisch nach den wirksamsten Alternativen für die Wiederherstellung des Friedens zu suchen. Im Moment bedeutet das vor allem, die Konflikte zu lösen, die wir haben.“
(vatican news – gs)
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