Rotes Kreuz warnt vor Evakuierung von Gaza-Stadt
Eine solche Evakuierung, wie die israelische Regierung sie vornehmen will, wäre ?unter den gegenwärtigen Bedingungen auf sichere und vernünftige Weise nicht durchführbar“. Das sagte die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric, am Wochenende in Genf.
Trotz des wachsenden Drucks aus dem Ausland und innerhalb Israels, den Krieg zu beenden, hält die Regierung von Benjamin Netanjahu an ihrer Absicht fest, die Offensive fortzusetzen. Die Armee bereitet sich auf einen Großangriff auf Gaza-Stadt vor und hält die Evakuierung der Stadt für ?unvermeidlich“.
Hunderte von Schutzsuchenden auf dem Gelände der katholischen Pfarrei in Gaza-Stadt
Der Gazastreifen ist nach fast 23 Monaten Krieg verwüstet. Gaza-Stadt war bislang noch nicht vom israelischen Militär besetzt. Auf dem Gelände der katholischen Pfarrei ?Heilige Familie“ in Gaza-Stadt halten sich weiterhin Hunderte von Schutzsuchenden auf. Das Gelände liegt im Viertel Zeitoun, der Altstadt von Gaza-Stadt. Einige tausend Einwohner sind hingegen schon aus der im Norden des Gazastreifens gelegenen Stadt geflohen. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben fast eine Million Menschen im Großraum Gaza-Stadt.
Pizzaballa: Unmoralisch
Aus ähnlichen Gründen wie das Internationale Rote Kreuz lehnt auch der Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, eine Umsiedelung der Menschen aus Gaza ab. ?Die Bevölkerung umzusiedeln, wie es in Gaza versucht wird, ist unmoralisch und verstößt zudem gegen internationale Konventionen“, sagte Pizzaballa laut Nachrichtenagentur Ansa bei einer Videoschaltung zu einem Treffen im italienischen Pavia.
Die Menschen seien verzweifelt, es fehle an Nahrung, ?und außerdem - worüber niemand spricht - werden die Kinder im dritten Jahr in Folge nicht zur Schule gehen können. Es kommen keine Medikamente an: Ohne Antibiotika ist es sehr schwierig, die Verletzten zu behandeln“, so Pizzaballa.
Die Menschen fühlen sich verloren, so der Kardinal weiter. Es gebe keine Exit-Strategie. ?Solche Situationen haben enorme Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Ich war seit Kriegsbeginn dreimal in Gaza - und das letzte Mal war das schwierigste. Die Menschen verlieren mit der Zeit die Hoffnung, es herrscht große Orientierungslosigkeit.“ Schließlich werde das Ende der Kampfhandlungen nicht das Ende des Konfliktes bedeuten. ?Wir müssen alles tun, um die Menschlichkeit lebendig zu halten“, so der Kardinal.
Mit der Offensive auf Gaza-Stadt wollen Ministerpräsident Netanjahu und seine rechtsextremen Koalitionspartner der Terrorgruppe Hamas ein Ende machen. Der beispiellose Angriff der Hamas auf Israel hatte am 7. Oktober 2023 den Krieg ausgelöst. Netanjahu verspricht auch, für eine Freilassung der an diesem Tag entführten und noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu sorgen.
Israelische Bombardements
Der Zivilschutz, der unter der Führung der Hamas operiert, meldete am Samstag schwere israelische Angriffe auf Gaza-Stadt. ?Die Bombardierung war wahnsinnig, sie hörte keine Sekunde auf, und wir haben nicht geschlafen“, sagte ein Bewohner des Altstadt-Viertels Zeitoun per Telefon der Nachrichtenagentur afp. Doch er werde die Stadt nicht verlassen, weil es im Gazastreifen ?nirgends einen sicheren Ort“ gebe.
In Israel befürchten Gegner der geplanten Offensive auf Gaza-Stadt, dass diese weitere Soldatenleben kosten und die Sicherheit der am 7. Oktober entführten und noch lebenden Geiseln gefährden könnte. Tausende Menschen demonstrierten am Samstagabend in Tel Aviv und anderen Städten für die Freilassung der Geiseln und ein Ende des Krieges.
Der Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 forderte auf israelischer Seite laut einer AFP-Zählung auf Grundlage offizieller Daten 1.219 Todesopfer, hauptsächlich Zivilisten. Von den 251 an diesem Tag entführten Personen werden 47 noch immer in Gaza festgehalten; 25 von ihnen wurden von der israelischen Armee für tot erklärt. Bei israelischen Militärschlägen sind im Gazastreifen nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums mindestens 63.371 Menschen ums Leben gekommen, hauptsächlich Zivilisten.
(afp /kap– sk)
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