Burundi: Existenzkampf statt Paradies
Aber das Land im Osten Afrikas hat große existenzielle Probleme: Überbevölkerung, große Armut, Flüchtlingselend, sowie Bildungsnotstand; hinzu kommen die Folgen eines jahrelangen Bürgerkriegs. Burundi steht im Mittelpunkt der diesjährigen Hungerhilfe-Kampagne der österreichischen Caritas. Projekte für Ernährungssicherung und gegen die Auswirkungen des Klimawandels sind im Fokus.
Gitega ist die zweitgrößte Stadt in Burundi und seit 2019 mittels Parlamentsentscheid Hauptstadt in dem einstigen Königreich. Doch davon ist noch nicht viel zu merken, nach wie vor sind in der 60 Kilometer entfernten ehemaligen Hauptstadt Bujumbura die Straßen breiter, belebter und mit mehr Infrastruktur ausgestattet.
530.000 Menschen leben in Gitega. Die Not ist hier kaum in Zahlen zu fassen, wie in vielen Regionen des kleinen Landes, das ungefähr die Größe der Steiermark und Oberösterreichs zusammen hat. 13,6 Millionen Menschen leben in Burundi, der Human Development Index (HDI) weist das Land an 187. Stelle von 193 aus. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, der größte Teil davon in kleinbäuerlichen Haushalten.
Große Probleme im Land
In Gitega leben die Menschen wie im Rest des Landes in armseligen kleinen Hütten ohne Strom. Jede Familie hat einen Garten und baut an, was gedeiht, ob Maniok, Bananen oder Tomaten. Die Wasserversorgung ist im Gegensatz zu vielen Regionen Afrikas aber kein Problem. Vor den kleinen Häusern stehen die Holzladen für den Verkauf der Güter. Kunden sind kaum zu sehen. Dafür viele junge Männer und Frauen. Die Gesellschaft ist jung. Rund 65 Prozent der Bevölkerung sind unter 25 Jahren. Haupttransportmittel sind überfüllte Busse, Jugendliche transportieren Güter mit dem Fahrrad, auch Motorräder sind für jene, die es sich leisten können, eine Möglichkeit, das oft unwegsame Gelände zu befahren.
Misswirtschaft führte zu Sanktionen
Der burundische Staat hat kein Geld, um die benachteiligten Menschen zu unterstützen, ob mit sozialer oder medizinischer Hilfe. Hauptgrund dabei ist sicher auch Misswirtschaft der handelnden Personen im politischen Bereich. Bestechungen sind gang und gäbe. Daher wurden auch auf internationaler Ebene Finanzsanktionen von der Europäischen Union gesetzt. Diese beinhalten ein Verbot, unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen oder zugute kommen zu lassen. Daher mangelt es Burundi an Devisen.
Das Land befindet sich in einer seit Jahren anhaltenden Treibstoffkrise, die sich auf verschiedene Aspekte des täglichen Lebens auswirkt. Taxis und Motorräder stehen still vor den Tankstellen. Nur wer es sich leisten kann, besorgt sich Benzin oder Diesel zu hohen Preisen am Schwarzmarkt. Daher kommt es auch zu Versorgungsengpässen bei lebensnotwendigen Gütern und die Transportmöglichkeiten sind stark eingeschränkt.
Bildung als Anker
In Burundi besteht Schulpflicht, doch nur etwa drei Viertel aller Kinder besuchen die Grundschule. Unterrichtet wird in Kirundi, erste Fremdsprache ist Französisch. „Bildung ist aber der Schlüssel zum Erfolg“, unterstreicht Georg Gnigler, Länderreferent der Caritas Steiermark für das ostafrikanische Land. Seit über zehn Jahren unterstützt die Caritas hier mit Projekten und begleitender Bildungsarbeit. „Landschaftlich lässt sich Burundi mit der Steiermark vergleichen, nur ohne Wald“, sagt Gnigler im Gespräch mit einer Journalistengruppe aus Österreich, die sich in Burundi von der Caritas unterstützte Hilfsprojekte ansieht.
Hilfe für unterernährte Kinder
Eines davon ist das Kezakimana-Ernährungszentrum für unterernährte Kinder von der Gemeinschaft „Neues Leben für die Versöhnung“, die 1999 durch den mittlerweile emeritierten Erzbischof der Diözese Gitega, Simon Ntamwana, gegründet wurde. Die Kinder werden hier wöchentlich medizinisch untersucht, gewogen und gemessen und ihre Entwicklung dokumentiert. Rund 100 Mütter sind wieder gekommen, sie warten im Hof des Ernährungszentrums auf Anweisungen. Sr. Patrice Barenkensabe von der Gemeinschaft „Neues Leben für die Versöhnung“ schildert: „Wir unterweisen die Mütter, wie sie mit dem Gemüse, das sie anbauen, die Kinder stärken können, einen leichten Brei kochen, eine Suppe, die kräftigt.“
Besonders schwache Kinder werden nach Bedarf mit nahrhafter und eiweißreicher Nahrung versorgt, um eine altersgerechte Entwicklung zu ermöglichen. Der Einsatz zeigt Erfolg, im Laufe des Jahres 2024 hat sich der Zustand von über 400 mäßig bis schwer unterernährten Kindern gebessert. Mahlzeiten erhalten die Kinder einerseits im Ernährungszentrum direkt, den Müttern wird jedoch auch Fertignahrung für zu Hause mitgegeben. Zudem erhalten junge Mütter Saatgut, Werkzeug und fachliche Unterstützung und Begleitung, um auch in eigenen Gärten Gemüse anbauen zu können. Dazu kommen Hinweise medizinischer Natur und Überlegungen zur Familienplanung, denn durchschnittlich besteht eine Familie aus bis zu sechs Kindern.
Drei Waisenheime
Das Waisenheim Gitega, abseits der Hauptstraße in einem Außenbezirk der Hauptstadt gelegen, ist eines von drei Waisenheimen des Ordens „Neues Leben für Versöhnung“ für die Aufnahme elternloser Kinder und Vermittlung an Pflege- oder Adoptiveltern. Viele Kinder kommen stark unterernährt hierher, wo sie eine nährstoffreiche und leicht verträgliche Nahrung bekommen. Mehr als die Hälfte der Kinder des Landes leidet an Unterernährung. Schon nach wenigen Wochen können manche von ihnen, gesund und bei Kräften, wieder zu ihrer Familie zurückkehren.
Louis Mujamariya war selbst Waisenkind. Er musste aufgrund der Bürgerkriegswirren nach Tansania flüchten und kam dann ins Waisenheim nach Gitega. Er studierte und leitet heute die Blutbank in Bujumbura: „Wir kämpfen besonders gegen Marasmus, das Abmagern der Kinder, denn das führt zu bleibenden Schäden in der Entwicklung.“
Nicht immer findet ein Kind Platz in einer Pflegefamilie. Viele bleiben im Waisenhaus der Schwestern in Gitega, wo sie Kleidung, Verpflegung und liebevolle Zuneigung erhalten. Größere Kinder besuchen die Schule und erwerben damit eine Perspektive für eine selbstbestimmte Zukunft.
Veronique ist heute 28 Jahre alt, sie wurde mit 14 Jahren schwanger und von ihrer Familie weggeschickt, die Schwestern unter Leitung der charismatischen Godelive Miburo haben sie aufgenommen, Veronique sagt: „Ohne diese Hilfe hätte ich in meiner Verzweiflung nicht gewusst, was ich gemacht hätte.“ Heute arbeitet sie im Zentrum mit und unterstützt junge Mütter mit ähnlichem Hintergrund.
Sr. Godelive war Mitarbeiterin von Erzbischof Ntamwana, der sie zur Gründung des Ordens „Neues Leben für Versöhnung“ motivierte. Hintergrund ist: Burundi wurde 1962 unabhängig, aber mehrere Bürgerkriege zwischen den Ethnien der Hutu und Tutsi führten zu vielen Waisen. Viele Eltern flüchteten wegen der Unruhen ins benachbarte Tansania, oder die Kinder verloren sie durch die Unruhen.
Bei der Führung durch das 1999 gegründete Waisenhaus erzählt Sr. Godelive von einem besonders harten Fall: „Eine Frau war schwanger, eines Tages war keine Schwangerschaft mehr zu sehen. Ihre Freundin fragte, was geschehen sei und sie sagte, sie habe kein Baby. Auf drängende Fragen ihrer Freundin gab sie zu, es vergraben zu haben.“ Das Neugeborene konnte gerettet werden, schildert Sr. Godelive, die bei ihrer Schilderung auch heute noch den Tränen nahe ist. Die Waisenhäuser der Schwestern zeitigen großen Erfolg, denn viele ehemalige Waisenkinder haben mittlerweile eine Ausbildung abgeschlossen, darunter einige die Universität.
„Meine Ziege lebt in Burundi“
Eltern, die Pflegekinder aufnehmen oder Frauen, die ins Ernährungszentrum nach Gitega kommen, erhalten zur Unterstützung eine Ziege über das österreichweite Caritas-Spendenprojekt „Schenken mit Sinn“. „Ziegen sind anspruchslos und leicht zu halten“, unterstreicht Georg Gnigler von der Caritas Steiermark. „Ihr Mist ist ein wertvoller Dünger und kann zur Verbesserung des Ertrags auf den Feldern verwendet werden, außerdem sind sie leicht zu vermehren, die zwei bis drei Jungen wachsen rasch heran, der weibliche Nachwuchs dient zur weiteren Zucht, die Böcke können verkauft werden.“ Die Frauen erhalten dadurch die Möglichkeit, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften, können ihre Familie erhalten und so zum Aufschwung des ganzen Dorfes beitragen.
Die Tiere tragen aber auch zur Versöhnung von ehemals verfeindeten Volksgruppen bei: Jede Frau, die eine Ziege erhält, ist verpflichtet, das erste weibliche Kitz an eine bedürftige Frau aus einer anderen Volksgruppe weiterzugeben. Die 27-jährige Chantal erhält bei der Verteilung von 100 Ziegen eine. „Wir haben einen zu kleinen Garten, deshalb haben wir uns beim Nachbargrundstück eingemietet, um Platz für die Ziege zu haben.“ Ihre 26-jährige Freundin wird dann, wenn das erste Kitz das Licht der Welt erblickt, dieses bekommen. Chantal ergänzt: „Wir werden durch den Dünger, den die Ziege uns macht, eine bessere Ernte bekommen, darauf freuen wir uns schon.“
(kap – sk)
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