Fünf Minuten mit Abt Nikodemus (2)
Kann man sagen, dass der interreligiöse Dialog jetzt angesichts der Kriege und Spannungen im Nahen Osten mausetot ist? Das war unsere zweite Frage an den Abt der Klöster Dormitio (Jerusalem) und Tabgha (See Genezareth).
„Interreligiöser Dialog macht eine schwierige Zeit durch, aber es gibt auch viel Hoffnungsvolles zu berichten. Ich fange mal an mit dem Schwierigen an: Das große Problem ist, dass Religion oft von Politik überlagert wird. Das heißt, es wird dann gar nicht über religiöse Fragen gesprochen, sondern auch Religionsverantwortliche fühlen sich – ob aus eigenem Antrieb oder aus einem Erlebnis von Druck – ein bisschen auch als politische Botschafter.
Gerade der Dialog mit dem Judentum wird nicht getrennt von der Frage: Wie hältst du es mit dem Staat Israel, mit der jetzigen Regierung?, was eigentlich überhaupt keine theologische Frage ist. Und der Islam muss sich immer wieder konfrontieren lassen mit der Frage: Wie hältst du's mit dem Terrorismus, wie hältst du's mit dem Salafismus? Das heißt also: Der interreligiöse Dialog leidet darunter, dass er gerade politisiert wird und dass Leute, die Theologen, Geistliche, spirituelle Menschen sind, eigentlich gar nicht ihre Kompetenz ausspielen…
Lichtzeichen
Ein interreligiöser Dialog hingegen, der wirklich wunderbar ist – das sind meine besten Freunde, eine Gruppe, der ich ganz eng verbunden bin: Die Gruppe ‚Lichtzeichen‘, die mich unglaublich fasziniert, weil es tiefreligiöse Menschen sind. Sie besuchen die Opfer, die Geschädigten von Hassverbrechen, die sozusagen religiös konnotiert sind, die Opfer von religiösem Hooliganismus. Und sie sagen ihnen: ‚So, wir wollen jetzt mit euch mal in die Bibel schauen, in den Koran schauen, in den Talmud schauen und beten – nacheinander, jeder für seine Religion –ein Gebet. Wir wollen mit euch zusammen sein und einen Gegenakzent setzen und zeigen: Religion – alle Religionen! – stehen für Versöhnung und Frieden.‘
Und deswegen würde ich sagen: Die glaubwürdigsten Friedensaktivisten und Botschafter im Heiligen Land sind tiefreligiöse Menschen. Es ist mir wichtig, das zu betonen, denn ich habe das Gefühl, in der Medien-Wahrnehmung ist die Religion zuständig für die Probleme, und die Säkularen sind die Guten. Ja, wir haben diese Hooligans der Religion, und die sind wirklich ein großes Problem; aber die Menschen, die sich am stärksten für Frieden und Versöhnung einsetzen, sind tiefgläubige, tiefreligiöse Menschen. So gesehen würde ich sagen: Interreligiöser Dialog ist nicht tot...“
In unserer nächsten Folge geht es um die Frage: Ist ein Friede im Nahen Osten vorstellbar, oder ist der Zug dafür abgefahren?
(vatican news – sk)
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