In Memoriam Franziskus: Der Papst, der im Evangelium lebte
Pawel Rytel-Andrianik und Mario Galgano - Vatikanstadt
Am frühen Morgen des Monatsgedächtnisses für Papst Franziskus versammelten sich Mitarbeitende und Bewohner der Casa Santa Marta zu einer Gedenkmesse. An diesem schlichten Ort hatte der Papst gelebt – nicht im Apostolischen Palast, sondern im Gästehaus des Vatikans. Hier hatte er gebetet, gearbeitet, entschieden.
Kardinal Konrad Krajewski, Almosenmeister und enger Vertrauter des Papstes, zelebrierte die Messe und schilderte eindrücklich die Spiritualität Jorge Mario Bergoglios: „Papst Franziskus verbrachte viel Zeit in der Kapelle von Santa Marta. Vor dem Allerheiligsten Sakrament hat er viele Probleme gelöst. Für ihn war die Eucharistie wie die Sonne, und er nahm den Farbton Gottes an.“
Begegnung mit den Armen
Die Nähe zur Eucharistie ging für Franziskus Hand in Hand mit der Begegnung der Armen, so Krajewski: „Er verehrte den Herrn im Sakrament und erkannte ihn in den Armen. Denn Jesus identifiziert sich mit den Armen – und Franziskus wollte Jesus in seiner Armut berühren.“
Ein Schlüssel zum Verständnis seines Pontifikats liegt laut Krajewski im täglichen Evangelium. Auf die Frage, wie sich Franziskus auf seine morgendlichen Predigten vorbereitete, erzählte der Kardinal: „Er zeigte mir ein kleines Heft mit den täglichen Bibeltexten. Gegen Mittag begann er das Evangelium des nächsten Tages zu lesen. Zwischen Terminen unterstrich er Stellen, die ihn berührten. Manchmal las er abends nochmals darin. So wusste er morgens, was er sagen wollte.“
Was hätte Jesus an deiner Stelle getan?
Franziskus lebte aus dem Evangelium – auch in praktischen Entscheidungen. „Er sagte oft: Wenn du nicht weißt, was zu tun ist, frage dich: Was hätte Jesus an deiner Stelle getan? Und du wirst es wissen“, so Krajewski.
Diese Logik prägte auch seine letzte Entscheidung: Seine Grabstätte. „Niemand hätte gedacht, welchen Ort er selbst gewählt hat“, sagte der Kardinal. „Auf dem Grabstein steht nur ‚Franciscus‘ – kein Titel, kein Pontifikatsdatum. Nichts. Das ist Theologie. Ein Priester soll arm sein, weil Jesus arm war.“
Auch bei Papstreisen war der Dienst an den Armen zentral: „Bevor er abreiste, wollte er immer noch einmal die Armen von Santa Marta sehen. Ich fuhr mit dem Kleinbus um die Basilika herum und holte Männer, die gerade erst aufgewacht waren. Ich fragte: ‚Wollt ihr einen Kaffee trinken?‘ Und brachte sie zum Papst.“
„Ich vermisse sein Lächeln“
Mit bewegter Stimme fügte Krajewski hinzu: „Ich vermisse sein Lächeln. Seine spontanen Witze. Seine einfachen Ratschläge, die für das ganze Leben bleiben. Und seine Briefe – manchmal schwer verständlich – an unser Almosenamt, in denen stand: ‚Du weißt, was zu tun ist.‘ Wenn ich dann fragte: ‚Heiliger Vater, was soll ich tun?‘, sagte er: ‚Löse alle deine Probleme nach dem Evangelium.‘“
Die Messe wurde gemeinsam mit Kardinal Artur Roche, Präfekt des Dikasteriums für den Gottesdienst, und dem polnischen Erzbischof Grzegorz RyÅ› gefeiert. Doch der wahre Mittelpunkt blieb ein Abwesender – ein Papst, der im Evangelium lebte, sich selbst vergaß und den Armen das Antlitz Christi zurückgab.
(vatican news)
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