Nach gescheiterten Plastik-Verhandlungen: ?Besser kein Vertrag als ein schlechter“
Bereits Ende letzten Jahres waren die UNO-Vertreter im südkoreanischen Busan zusammengekommen, um über ein globales Plastikabkommen zu verhandeln, welches den gesamten Lebenszyklus von Plastikprodukten umfassend regeln sollte. Nachdem sich die Staaten nicht abschließend einigen konnten, wurden die Verhandlungen nun in Genf weitergeführt – ursprünglich bis zum 14. August geplant, endeten sie einen Tag später am 15. August – allerdings auch diesmal ohne Konsens für ein gemeinsames Abkommen. Wir sprachen mit Fabienne McLellan, Geschäftsführerin von OceanCare, die bei den Verhandlungen dabei war.
Radio Vatikan: Was bedeutet es, dass das globale Plastikabkommen jetzt gescheitert ist?
Fabienne McLellan: ?Es heißt schlussendlich, dass sich die UNO Mitgliedsstaaten sich auf keinen Vertragstext gegen die Plastikverschmutzung einigen konnten aufgrund der divergierenden Positionierungen der Länder. Damit gibt es leider keine völkerrechtlich verbindlichen Maßnahmen entlang des ganzen Lebenszyklus für ein Ende der Plastikkrise und eben auch keine der bedeutenden Regelungen, die man sich hier auf globaler Ebene versprochen hat. Und das sind schlechte Nachrichten für die Ozeane, für die Meerestiere. Denn pro Jahr gelangen rund neun Millionen Tonnen Plastik in die Weltmeere. Und leider wurden jetzt keine Lösung gefunden, dieses Problem an der Wurzel anzugehen, nämlich bereits bei der Produktion.“
Gegen Mitte der Verhandlungen waren Sie ja noch vorsichtig optimistisch eingestellt, dass es zu einem erfolgreichen Abschluss kommen könnte. Was ist denn passiert, um die Stimmung im Plenum zu drehen?
Fabienne McLellan: ?In der Mitte der Verhandlungszeit war ich durchaus noch optimistisch, denn wir erkennen bei solchen Verhandlungen: Alles ist möglich, Dynamiken können sich ändern, Stakeholder können die Stimmung beeinflussen und damit nicht ambitionierten Länder mitziehen. Und es gibt diesen bekannten Spruch ,Nothing is agreed until everything is agreed‘. Das heißt, man muss effektiv immer bis ganz zum Schluss schauen, welche Dynamiken sich entwickeln.
Was wir hier beobachten konnten, ist einfach, dass die die sogenannten ,Like-minded States‘ (also Staaten, die ähnliche Interessen haben, in diesem Fall die Länder, die petrochemische Interessen haben, Anm.), die Gruppe der arabischen Länder, die petrochemischen Staaten, sehr stark reinkamen. Eigentlich in der Minderheit, haben sie sich sehr strategisch positioniert und dominant gemeldet, und damit immer wieder Fortschritt verhindert. Und das hat einen großen Schwung angenommen.“
Vatican News: Wie haben denn die Länder reagiert, die einen Wandel wollten?
Fabienne McLellan: ?Wir haben im Gegenzug tatsächlich gesehen, dass die ambitionierten Länder sich sehr gut formiert haben, Gegendruck gegeben haben und sich wirklich sehr prominent geäußert haben, dass man das Ruder herumreißen muss, was es effektiv braucht, um ein wirksames Plastikabkommen zu erreichen. Aber es war einfach ein großes Ringen dieser beiden Lager, und dann stand auch die Frage nach einem Finanzierungsmechanismus im Raum – also eine wirkliche Forderung, dass die Auflagen, die in diesem Vertrag gebildet werden, auch finanziert werden müssen.
Und da kam dann noch mal eine neue Dynamik rein, wo dann die – ich sage einmal - ,Demarkationslinie‘ zwischen einem Lager und dem anderen nicht mehr eindeutig erkennbar waren. Und in der zweiten Woche hat man einfach gemerkt, die Linien sind sehr verhärtet, man kann nicht mehr aufeinander zugehen. Und als dann der erste Vertragsentwurf des Chairs kam, gab es die große Ernüchterung, weil man gesehen hat, er hat so viele Konzessionen gemacht für diejenigen, die keinen Vertrag wollen, dass klar war, dass dieser erste Vertragsentwurf nicht akzeptabel war. Und zum Glück wurde er auch nicht angenommen.
Und dann kam noch der zweite Vertragsentwurf zustande, der leicht besser war, aber auch noch immer nicht diesen Durchbruch bringen konnte. Und so muss man eigentlich sagen, dass es positiv zu bewerten ist, dass man hier ohne Vertrag rauskommt, weil der Vertragstext letztlich bedeutungslos gewesen wäre."
Vatican News: Wie geht es denn jetzt weiter?
Fabienne McLellan: ?Der Vorsitzende hat auch diese Sitzung wieder vertagt, also nicht geschlossen. Er hat einfach kurz in seiner Plenarintervention gesagt, dass das Treffen noch mal neu beginnen wird, aber wir wissen nicht wann, oder wo. Aber es war aus dem Plenarsaal dank gewisser Interventionen ganz klar hörbar, dass sich einige Länder eine Veränderung des Prozesses wünschen. Dies sieht auch Ocean Care so, weil wir wahrnehmen, dass dieser Prozess, wie er jetzt geführt wurde, wieder zu genau derselben Pattsituation führen würde.
Und deshalb muss man jetzt wirklich diese Learnings analysieren und dann mit einem neuen Plan kommen, damit man nicht wieder diese Situationen hat, zwei divergierende Lager, die eben auch aufgrund dieses Konsenszwangs nicht auf einen grünen Zweig kommen.“
Vatican News: Was kann jeder Einzelne tun, um den Schutz der Ozeane zu fördern?
Fabienne McLellan: ?Jede einzelne Person kann auf jeden Fall beitragen, um gegen diese Plastikkrise anzutreten. Einerseits sind wir Bürgerinnen und Bürger, das heißt, wir müssen jene Volksvertreter wählen, die sich für den Schutz der Umwelt, der menschlichen Gesundheit und der Meere einsetzen.
Wir können aber auch unser eigenes Konsumverhalten überdenken und zu einem gewissen Maße einen Lebensstil wählen, der eben nicht übermäßig auf Kosten der Natur geht. Also weniger Plastik verbrauchen, durch Mehrweggeschirr, durch wiederverwendbare Tragetaschen, durch Kosmetika ohne beigefügte Mikroplastikpartikel, durch plastikfreie Zahnpasta… Also indem wir überprüfen, was bei Kosmetika und anderen Produkten enthalten ist.
Man kann aber auch mal durchaus mithelfen bei einem Cleanup, zum Beispiel an einem Strand in den Ferien, um zu entfernen, was an nicht an den Strand gehört. Das ist zwar nur eine Symptombekämpfung, aber es zeigt einem auf, wie viel Müll sich in der Natur befindet und hat da eine nachhaltige Wirkung. Auch durch diese Sensibilisierung, auch als Signalwirkung gegenüber den Menschen, die das dann beobachten. Also da einfach ganz wichtig, selber aktiv zu werden.
Man kann vieles tun als kritische Masse, als Gemeinschaft und auch als Weltgemeinschaft, die wir ja sind, nicht die Hoffnung zu verlieren und aktiv zu werden, damit wir gemeinsam dieses Problem lösen, das wir auch gemeinsam verursacht haben. Wir haben auch auf unserer Webseite bei OceanCare Tipps, wie man aktiv werden kann.“
Hintergrund
Die UN-Mitgliedstaaten konnten sich nach 10 Tagen erneuten Verhandlungen (5.-15. August) in Genf auf keinen Vertragstext gegen Plastikverschmutzung einigen. Verbindliche Maßnahmen entlang des ganzen Lebenszyklus für ein Ende der Plastikkrise und den Meeresschutz fehlten nach Aussage von Beobachtern im letzten Textentwurf, während im Vorfeld geforderte Regelungen insbesondere für Geisternetze – eine gravierende Form der Meeresverschmutzung - und die Verwendung chemischer Zusatzstoffe in Plastikprodukten verwässert wurden. Da die Sitzung erneut vertagt wurde, fordern Beobachter eine Reform des Verhandlungsprozesses, da petrochemische Staaten nach wie vor großes Gewicht in den Sitzungen haben und der Konsenszwang ambitionierte Vorschläge behindert.
OceanCare setzt sich seit 1989 weltweit für die Meerestiere und Ozeane ein. Mit Forschungs- und Schutzprojekten, Umweltbildungskampagnen sowie intensivem Einsatz in internationalen Gremien unternimmt die Organisation konkrete Schritte zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Weltmeeren. OceanCare ist vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen als Sonderberaterin für den Meeresschutz anerkannt und ist offizielle Partnerorganisation in zahlreichen UN-Abkommen und internationalen Konventionen. OceanCare engagiert sich zudem in internationalen zivilgesellschaftlichen Bündnissen wie der High Seas Alliance, Seas at Risk, oder der #BreakFreeFromPlastic-Koalition.
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