杏MAP导航

Suche

Pr?sident Aoun (r.) und Ministerpr?sident Salam Pr?sident Aoun (r.) und Ministerpr?sident Salam  (ANSA)

Libanon: Wieder mal am Scheideweg

Es ist ein wichtiger Schritt für das politische Leben und die Sicherheit im Libanon: Am Dienstag letzter Woche hat die Regierung in Beirut die Armee offiziell damit beauftragt, einen Plan zur Entwaffnung der Hisbollah auszuarbeiten.

Die schiitische Miliz, die seit dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs 1990 vom Iran unterstützt wird, ist im Lauf der Jahrzehnte zu einem ?Staat im Staate“ geworden; doch die regionalen Umwälzungen der letzten Monate haben die Lage verändert. Israels Vorgehen gegen die Hisbollah und der Druck der USA haben die Miliz erheblich geschwächt. Jetzt versucht die Regierung, eine Entwaffnung der Hisbollah durchzusetzen. Das wäre eine von mehreren Voraussetzungen, um dem nahezu gescheiterten Staat wieder auf die Füße zu helfen. Allerdings, leicht wird das nicht.

?Das größte Hindernis ist meiner Meinung nach psychologischer Natur.“ Das erklärt uns Karim Émile Bitar. Der ehemalige Dekan der Universität Saint-Joseph in Beirut ist mittlerweile Professor für Geschichte des Nahen Ostens an der ?Sciences Po“ in Paris. ?Es geht darum, alle Milizen, insbesondere die Hisbollah, zu entwaffnen, ohne das Gefühl zu vermitteln, dass eine ganze Gemeinschaft, in diesem Fall die schiitische Gemeinschaft, gedemütigt oder ausgegrenzt wird. Und zwar zu einem Zeitpunkt, da Israel weiterhin täglich den Libanon bombardiert und fünf Hügel besetzt hält.“

?Das größte Hindernis ist psychologischer Natur“

Auf die Entwaffnung der Hisbollah hat sich der Libanon im jüngsten Waffenstillstands-Abkommen mit Israel verpflichtet. Allerdings hält sich der jüdische Staat selbst nicht so genau an dieses Abkommen – und das schwächt das Durchsetzungsvermögen der neuen Regierung in Beirut.

?Wie kann man die Hisbollah davon überzeugen, sich am Aufbau des Staates zu beteiligen und in den Schoß der Institutionen zurückzukehren, wenn Israel weiterhin fünf Hügel besetzt, die den größten Teil der Dörfer im Südlibanon überragen, und den Libanon sehr häufig bombardiert? Und während die Vereinigten Staaten nicht in der Lage sind, auch nur die geringste Garantie dafür zu geben, dass eine Entwaffnung der Hisbollah Israel dazu bringen könnte, sich aus dem Libanon zurückzuziehen und dieses aggressive Verhalten einzustellen.“

Wieder mal geben auswärtige Kräfte den Ton an

Die Lösung liegt nach Bitars Eindruck eher in den Händen der Vereinigten Staaten und der Israelis als in denen der Libanesen. Wieder mal sind es auswärtige Kräfte, die den Ton angeben im Zedernstaat.

?Um ehrlich zu sein, wird auch der Iran eine sehr wichtige Rolle spielen, denn heute ist die Hisbollah so geschwächt, ihr Führungsstab ist enthauptet. Darum glauben viele, dass die Entscheidung in Teheran und nicht in Beirut getroffen wird. Es wird also auch darum gehen, ob die externen Förderer der Hisbollah darauf bestehen, diese Bewegung wieder auf die Beine zu stellen, oder ob sie erkannt haben, dass sich das Kräfteverhältnis erheblich verändert hat.“

Der Libanon am Scheideweg - ein Interview von Radio Vatikan

Hisbollah-Demonstranten schwirren aus

Die Hisbollah selbst will nicht kampflos die Segel streichen. An diesem Wochenende ließ sie ihre Anhänger in mehreren Teilen des Landes zu Demonstrationen ausschwirren. ?Lieber tot, als die Waffen abgeben“, schwor ein Abgeordneter, der ihr nahesteht, im schiitischen Fernsehsender al-Manar. Die staatliche Armee hielt dagegen und hinderte die Demonstranten am Samstagabend daran, die wichtige Straße vom Flughafen in die Innenstadt von Beirut zu blockieren. Zuvor waren, ebenfalls am Samstag, sechs Soldaten bei einer Explosion in Tyrus getötet worden.

Kann es Präsident Joseph Aoun und seinem allseits gelobten Ministerpräsidenten Nawaf Salam wirklich gelingen, die Machtprobe mit der Hisbollah zu bestehen? ?Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben“, sagt unser Experte dazu. ?Heute sind die Libanesen einerseits erleichtert, dass der Staat endlich seine Rolle wahrnimmt. Doch andererseits befürchten sie, dass die Hisbollah, die sich eine gewisse Blockadekapazität bewahrt hat, diese nutzen könnte. Und das würde die seit zwanzig Jahren im Libanon herrschende Polarisierung noch verstärken.“

Die Regierung Salam pokert hoch

Die Regierung Salam pokert hoch. Sollte es ihr gelingen, die Hisbollah als Machtfaktor im libanesischen System auszuschalten, dann würde das die Israelis unter Zugzwang setzen. Ein von den USA aufgestellter Fahrplan, dem das Beiruter Kabinett letzte Woche zugestimmt hat, sieht nämlich nicht nur die Entwaffnung der schiitischen Miliz vor, sondern auch den vollständigen Truppenabzug Israels und das Ende der fast täglichen Bombardements auf libanesischem Territorium. Dazu soll dann ausländische Hilfe für die Stärkung der Armee und für den Wiederaufbau des im letzten Krieg Zerstörten kommen. Das alles winkt den Libanesen, falls die Entwaffnung der Hisbollah gelingen sollte.

?Wird die Regierung ihre Versprechen einhalten können? Oder werden diejenigen, die staatliche Entscheidungen blockieren wollen, wie so oft in der Geschichte des Libanon erneut auf Verzögerungstaktiken oder falsche Versprechungen setzen, um Zeit zu gewinnen, bis sich die regionalen Umstände wieder geändert haben? Derzeit herrscht im Libanon seit einigen Monaten eine Phase des Optimismus. Das könnte jedoch schnell wieder enden, weil alles von der regionalen Lage abhängt.“

?Man muss die Schiiten einbeziehen“

Zum größeren Bild gehören die Konflikte beim Nachbarn Syrien, wo es zu Angriffen auf religiöse Minderheiten kommt, aber auch die Gräueltaten in Gaza. All das beeinflusst die Stimmung auch im Libanon.

?Wenn dieser Prozess erfolgreich sein soll, muss man sich inklusiv zeigen und die schiitische Gemeinschaft, insbesondere all diejenigen, die begonnen haben, sich von der Hisbollah zu distanzieren, davon überzeugen, dass sie nicht als Gemeinschaft ins Visier genommen werden. Und dass die Armee die einzige ist, die das gesamte Territorium verteidigen kann. Und dann müsste man einen Zeitplan aufstellen, um zu verhindern, dass wir uns in einem Jahr wieder in derselben Pattsituation befinden.“

Banges Interesse im Vatikan an Lage im Libanon

Im Vatikan interessiert man sich schon immer sehr für die Lage im Libanon – nicht nur, weil dort die maronitische Kirche beheimatet ist, die größte katholische Gemeinschaft im Nahen Osten. Sondern auch, weil man das Land immer für eine Art Modell friedlichen Zusammenlebens ganz unterschiedlicher Bekenntnisse und Gruppen gehalten hat. Die letzte Reise von Benedikt XVI. vor seinem Rücktritt führte 2012 in den Libanon; seitdem hat kein Papst mehr das Land besucht.

Das Interview mit Professor Karim Émile Bitar führte Olivier Bonnel vom französischsprachigen Dienst von Radio Vatikan.

(vatican news – sk)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, k?nnen Sie hier unseren Newsletter bestellen.

11. August 2025, 10:19