Libanon: Wiederaufbau über agro-humanit?re Unterstützung
Christine Seuss - Vatikanstadt
?Der Libanon ist kein Industrieland. Wir exportieren hauptsächlich Gold, das seinerseits importiert wurde. Wir exportieren in geringem Umfang Möbel, Stein und aufbereitetes Metall. Die Beschaffenheit des Landes und die Diversität der landwirtschaftlich genutzten Zonen machen den Agrarsektor zu einem der wichtigsten Sektoren für die wirtschaftliche Erholung und für die sozio-ökonomische Erholung des Libanon, also über die rein wirtschaftliche Erholung hinaus.“
Auch wenn der Beitrag des Agrarsektors zum Bruttosozialprodukt des Landes relativ gering sei, so spiele er doch eine wichtige Rolle für die Arbeitsbeschaffung. Rund 20 bis 25 Prozent der Arbeitskräfte insgesamt seien in diesem Sektor beschäftigt, während insbesondere in ruralen Zonen 80 Prozent der lokalen Wirtschaft direkt mit der Landwirtschaft verbunden seien, so Ghadban, den wir am Rand einer hochkarätig besetzten Veranstaltung zum Wiederaufbau des Libanon trafen, die in der vergangenen Woche durch den Malteserorden und die Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl organisiert wurde. Aus diesem Grund sei dies auch ein Sektor, der mit großen Hoffnungen für die Libanesen verbunden sei, unterstreicht er:
?Als die Regierung nach dem Krieg nicht in den Landwirtschaftssektor investiert hat, haben die Leute begonnen, ihre abgelegenen Gegenden zu verlassen und in die Städte zu gehen, um dort eine Anstellung zu finden, denn sie wurden angelockt durch den schnellen Verdienst vor allem im Banksektor und im Dienstleistungssektor. Doch auf einmal brach alles zusammen und sie kamen wieder zurück und sehen nun, dass eine Chance darin liegt, das Land zu bearbeiten, Produkte zu entwickeln und zu exportieren und die reichen natürlichen Ressourcen zu nutzen, die wir haben.“
Sektor, in dem Frauen besonders erfolgreich tätig sein können
Laut Weltbank seien weit über 60 Prozent des Landes als landwirtschaftliche Nutzflächen ausgewiesen, doch die mangelnde Förderung des Sektors in den vergangenen Jahren habe dazu geführt, dass der Libanon anfällig für Preisschwankungen von Grundnahrungsmitteln auf dem Weltmarkt geworden sei. Dies sollte sich nach Willen des Malteserordens, der sich seit Jahren mit viel Energie für die Förderung agro-humanitärer Projekte einsetzt, nun ändern. Nicht zuletzt sei die Landwirtschaft auch ein Sektor, in dem Frauen besonders gut erfolgreich tätig sein könnten und in dem die Wertschöpfungskette tendenziell dann höher sei, wenn man das eigene Land bearbeite, statt wie so oft in die Emigration oder in die großen Städte auszuweichen, gibt der Experte zu bedenken.
?Deshalb sind wir davon überzeugt, dass ein angemessenes Investment in diesen Sektor Kleinbauern helfen würde, ihre Erträge zu steigern, und dass das auch dazu beitragen würde, dass die Arbeit in diesem Sektor insgesamt lohnender und stabiler wird.“
Allein der Malteserorden habe bislang Projekte im Wert von acht Millionen Dollar im Libanon aufgesetzt, was positive Auswirkungen auf zahlreiche lokale Gemeinschaften gezeitigt habe. In speziellen Zentren können Landwirte nicht nur über geeignete Methoden unterrichtet werden und eigene Erfahrungen austauschen, sondern auch spezielles Saatgut, Dünger und Pflanzlinge zum Selbstkostenpreis erwerben und so ihren eigenen kleinen Betrieb in Schwung bringen. Das ehrgeizige Ziel des Ordens: Das Projektvolumen bald auf 40 Millionen Dollar anzuheben, um diesen Dienst auch flächendeckend anbieten zu können.
Prrojektvolumen soll wachsen
?Um Menschen bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu helfen, um Mentalität und Verhaltensweisen zu ändern, braucht es Zeit. Man braucht finanzielle Ressourcen und man braucht Zeit. Das ist der Grund, aus dem wir sagen, dass wir bereit sind, zu expandieren und das zu einer Pilotinitiative zu machen, die auch in anderen Ländern der Region eingeführt werden könnte. Denn wie wir auch in diesem Workshop gesehen haben, mit Blick auf den Irak, Syrien, Palästina… Der Ansatz des Libanon und wie wir dieses Modell eingeführt haben, könnte auch auf diese Länder angewendet werden. Also wir sehen letztlich, wie auch die regionalen Krisenländer von dem profitieren könnten, was wir getan haben, denn ich würde sagen, am Ende ist doch alles miteinander verbunden. Ein Teil der Nutznießer dieses Programms des Malteserordens sind syrische Flüchtlinge.“
Um diese Aufstockung zu erreichen, sei man in Gesprächen mit Spendern aus dem Privatsektor und in der Politik – unter der Prämisse, dass die Unterstützung für die Libanesen auf diese Weise greifbar und real werde und das Leben der Menschen in abgelegenen Gegenden nachweislich zum Besseren verändere.
?Das Interessante an diesem Ansatz ist, dass wir vor Ort präsent sind. Wir sind da und bieten Dienste an. Wir haben nicht nur ein paar Güter verteilt oder akute Soforthilfe geleistet. Nein, wir sind da, wir sind eingeführt, und wir sind bereit, mit den Landwirten zusammen zu wachsen. Das Wichtigste ist es, Partner der Landwirte zu sein.“
Ein Lichtblick für eine Bevölkerung, die mittlerweile zu 80 Prozent in Armut lebt und nach Jahren der politischen Instabilität nun ihre Hoffnung auf eine neue Regierung setzt. Diese arbeitet seit Januar 2025 mit dem libanesischen General Joseph Aoun an der Spitze für einen Wiederaufbau des Landes, das noch unter den Folgen des Bürgerkrieges leidet und wegen der Verquickung mit der Hisbollah auch ins Visier von Israel geraten ist. Mit der aktuellen Schwächung der Miliz und dem Willen der internationalen Gemeinschaft, dem Libanon aus seiner Krise zu helfen, könnte sich das Schicksal des Landes bald zum Besseren wenden.
(vatican news)
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