Zukunft der Entwicklungs-Finanzierung: Weniger USA, mehr Vatikan?
Maximilian Seidel - Sevilla
Die Weltgemeinschaft hat gezeigt, dass sie auch in schwierigen Zeiten kompromissfähig ist. Auf der vierten Konferenz für Entwicklungsfinanzierung verabschiedeten die teilnehmenden Länder gleich am ersten Tag einstimmig das Abschlussdokument, den „Compromiso de Sevilla“. Mit dem 40-seitigen „Versprechen von Sevilla“ wollen die 192 Staaten die Zukunft der internationalen Zusammenarbeit sichern.
Das „Versprechen von Sevilla“ soll Ländern des globalen Südens helfen, eigene Finanzierungsmittel zu finden. Dies will die Staatengemeinschaft durch effizientere Steuersysteme, Investitionen aus der Privatwirtschaft und billigere Kredite bei Entwicklungsbanken erreichen. Außerdem sollen langfristig Institutionen wie die Weltbankgruppe und der Internationale Währungsfonds so reformiert werden, dass diese optimal bei der Entwicklungsfinanzierung helfen. Die Geberstaaten haben ihr Ziel aus den 1970ern bestärkt, 0,7 Prozent ihres BIPs für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben und die Mittel der Entwicklungsbanken stark zu erhöhen.
Der Kompromiss sei nicht selbstverständlich, meint Klaus Schilder, Referent für Entwicklungsfinanzierung bei der katholischen Nichtregierungsorganisation Misereor: „In diesen Zeiten, in denen Multilateralismus unter Beschuss geraten ist und wirtschaftlich-politischer Egoismus in vielen Staaten leider durchsetzt, ist es durchaus positiv zu werten, dass es ein klares Bekenntnis zu den globalen Nachhaltigkeitszielen gibt.“
Konsens mit China und Russland, nicht aber der USA
Mit ihren Maßnahmen wollen die 192 Länder dazu beitragen, die Entwicklungsziele der Agenda 2030 in den nächsten fünf Jahren zu erreichen. Unter den Unterzeichnerstaaten sind auch Russland und China, nicht aber die Vereinigten Staaten. Bereits bei einer Vorkonferenz zogen sie sich aus dem Prozess zurück, da sich in der Konferenzgemeinschaft kein Wille fand, Wörter wie „Klimawandel“ oder „Gerechtigkeit“ aus dem Abschlussdokument zu streichen. Laut Experten vereinfachte dies den Prozess und ermöglichte einen Konsens direkt am ersten Tag.
Trotz des erfolgreich verabschiedeten „Versprechens von Sevilla“ ist Klaus Schilder von Misereor mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Schon im Vorhinein seien die Ambitionen der Konferenzstaaten immer weiter gesunken: „Deshalb ist der Blick auf das Abschlussdokument trotzdem insgesamt sehr enttäuschend. Die Maßnahmen, die dort vereinbart wurden, reichen bei weitem nicht aus, um Antworten auf die globalen Krisen, auf die Finanzkrisen im globalen Süden und auf die Klimakrise zu liefern.“
Kein Schuldenerlass
Besonders einen Schuldenerlass hatten Misereor und auch der Vatikan gefordert. „Ich rufe die internationale Gemeinschaft auf, Maßnahmen zum Erlass der Auslandsschulden zu ergreifen und dabei die Existenz von ökologischen Schulden zwischen Nord und Süd anzuerkennen“, schrieb Papst Franziskus zum Heiligen Jahr. Für den Schuldenerlass konnte auf der Entwicklungsfinanzierungskonferenz jedoch kein Konsens gefunden werden.
Vatikan engagiert sich in den Verhandlungen
In den intensiven Verhandlungen um den „Compromiso de Sevilla“ spielte der Vatikan nicht nur mit scharfen Forderungen eine wichtige Rolle. So gab Papst Franziskus 2024 einem Expertengremium den Auftrag, einen detaillierten Plan auszuarbeiten, wie die Welt aus der Schuldenkrise geführt werden kann. Das von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz geleitete Gremium stellte Ende Juni dieses Jahres den „Jubilee Report“ vor und stieß damit international auf viel Beachtung. Besonders wichtig in dem Plan ist langfristig, dass Staaten des Globalen Südens bessere Kredite angeboten werden. Um dies zu erreichen, sieht der Bericht vor, Entwicklungsbanken zu stärken.
Bereits jetzt hatte der Bericht einen Effekt. Erzbischof Gabriele Caccia, ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, dazu gegenüber Radio Vatikan: „Der Jubilee Report hat viel in unserer Verhandlungsstrategie und unseren Positionen verändert. Und er war einer der meist beachteten Berichte auf der Weltbühne der Entwicklungsfinanzierung.“ Erzbischof Caccia war als ständiger Vertreter des Vatikans bei den Vereinten Nationen aktiv an den Verhandlungen beteiligt. Allgemein zeigt sich Erzbischof Caccia mit den Verhandlungsergebnissen zufrieden: „Der Compromiso hat viele sehr unterschiedliche Positionen miteinander vereint. So gibt er die Möglichkeit, sich weiterzubewegen und neuen Lösungen Platz zu machen.“ Es sei zwar ein reduzierter, aber durchaus konstruktiver Kompromiss, so Erzbischof Caccia gegenüber Radio Vatikan.
Papst Franziskus, Johannes Paul II. und der Schuldenschnitt
Mit seinem Engagement für den Globalen Süden zum Heiligen Jahr trat Papst Franziskus in die Fußstapfen von Papst Johannes Paul II. Dieser appellierte im Jahr 1999 stark an die Länder des globalen Nordens, für das heilige Jahr einen großen Schuldenerlass durchzuführen. Mit einer dazugehörigen Unterschriftenkampagne mit über 20 Millionen Unterschriften schaffte es Johannes Paul II, die Geberstaaten zu überzeugen, mehr als 100 Millionen US-Dollar an Schulden zu streichen.
Papst Leo XIV. führt das Engagement von Papst Johannes Paul II. und Papst Franziskus in diesem Bereich weiter. Im Vorfeld der Konferenz telefonierte er mit dem Präsidenten des Gastgeberlandes Spanien, Pedro Sánchez Pérez-Castejón. Außerdem äußerte er sich mehrfach zur Schuldenkrise, zuletzt rief er zu mehr Solidarität auf, sowohl bei den Geberländern als auch bei den verschuldeten Staaten.
(vatican news-ms)
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