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Palästineser drängen sich in Gaza City, um Hilfsgüter zu empfangen Palästineser drängen sich in Gaza City, um Hilfsgüter zu empfangen 

Israelische NGOs prangern „Völkermord im Gazastreifen" an

Zwei führende israelische Menschenrechtsorganisationen haben Israel beschuldigt, „Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen zu begehen“. Es handelt sich damit um die ersten namhaften israelischen Gruppen, die das Vorgehen Israels im Gazastreifen als „Völkermord“ bezeichnen. Bei der derzeit tagenden internationalen Konferenz zu einer Beilegung des Konflikts in New York hatte auch UN-Generalsekretär Guterres die israelische Regierung scharf kritisiert.

Die Menschenrechtsorganisation B’Tselem erklärte in einem am Montag veröffentlichten umfassenden Bericht, man sei nach der Untersuchung von Israels Politik im Gazastreifen und deren „grauenhaften Folgen“ sowie nach der Analyse von Äußerungen hochrangiger israelischer Politiker und Militärs zu dem „eindeutigen Schluss“ gekommen, dass Israel Völkermord begehe.

Eine zweite Gruppe, Physicians for Human Rights Israel (PHRI), schloss sich der Bewertung an und veröffentlichte eine eigene rechtliche und medizinische Analyse. Darin wird dokumentiert, was sie als „gezielte und systematische Zerstörung des Gesundheitssystems in Gaza“ bezeichnet.

Israelische Menschenrechtsorganisationen stellen bei einer Pressekonferenz in Jerusalem die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vor (28. Juli 2025)
Israelische Menschenrechtsorganisationen stellen bei einer Pressekonferenz in Jerusalem die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vor (28. Juli 2025)

Israelische Regierung weist Kritik zurück

Ein Sprecher der israelischen Regierung, David Mencer, wies den Bericht zurück. „In unserem Land gibt es Meinungsfreiheit, aber wir weisen diesen Vorwurf entschieden zurück“, sagte er gegenüber Journalisten und betonte, dass Israel Hilfsgüter nach Gaza lasse. Nach einer monatelangen faktischen Blockade hatte der Druck der internationalen Gemeinschaft auf Israel zugenommen, wieder Hilfsgüter nach Gaza zu lassen. Seit diesem Wochenende können nun wieder Hilfsgüter in größerem Ausmaß in den Gazastreifen gelangen, wo die Bevölkerung unter unsäglichen Bedingungen lebt.

Auch das israelische Außenministerium wies die Anschuldigungen der einheimischen Menschenrechtsorganisationen zurück, nannte sie „politisch motiviert“, „obszön“ und „haltlos“. Israel greife ausschließlich Hamas-Ziele an, nicht Zivilisten, und unternehme „umfangreiche Maßnahmen“, um zivile Opfer zu vermeiden und Hilfe zu liefern.

Die israelische Armee erklärte ebenfalls, die Vorwürfe seien „völlig unbegründet“, insbesondere die Behauptung, dass Israel die Zivilbevölkerung absichtlich aushungern lasse.

„Die IDF ermöglicht die Einfuhr humanitärer Hilfe in den Gazastreifen entsprechend den Anweisungen der Regierung und erlaubt internationalen Organisationen, diese zu verteilen“, so das Militär in einer Stellungnahme gegenüber CNN.

Israel betont seit Beginn des Kriegs in Gaza nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023, es handle im Einklang mit dem Völkerrecht und aus Selbstverteidigung. In der Vergangenheit hat die Regierung ähnlich lautende Vorwürfe nicht-israelischer Gruppen stets scharf zurückgewiesen, häufig unter Verweis auf antisemitische Motive hinter solchen Aussagen.

Ein Palästinenser, der im Gazastreifen beim Warten auf Hilfsgüter verletzt wurde, wird auf einer Liege abtransportiert
Ein Palästinenser, der im Gazastreifen beim Warten auf Hilfsgüter verletzt wurde, wird auf einer Liege abtransportiert   (AFP or licensors)

Keine Rechtfertigung

B’Tselem schreibt allerdings nun in seinem 79-seitigen Bericht, dass die Realität in Gaza „nicht durch den Versuch gerechtfertigt oder erklärt werden kann, das Hamas-Regime oder dessen militärische Fähigkeiten zu zerschlagen.“

Die Exekutivdirektorin von B’Tselem, Yuli Novak, sagte zur Veröffentlichung: „Nichts bereitet dich auf die Erkenntnis vor, dass du Teil einer Gesellschaft bist, die Völkermord begeht. Das ist ein zutiefst schmerzhafter Moment für uns.“

Scharfe Kritik bei UN-Konferenz

Derzeit tagt in New York auch eine durch Frankreich und Saudi-Arabien ausgerichtete Konferenz, bei der Wege für eine Beendigung des Konfliktes gefunden werden sollen. Präsident Emmanuel Macron hatte jüngst angekündigt, dass Frankreich den Palästinenserstaat anerkennen werde. Allerdings ist laut UN-Generalsekretär Guterres eine Zwei-Staaten-Lösung ferner denn je zuvor. Bei der Konferenz übte er harte Kritik am Vorgehen Israels. Weder die Terrorangriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023 seien durch irgendetwas zu rechtfertigen, noch die „Austilgung Gazas, die sich vor den Augen der Welt entfaltet hat“, sagte Guterres am Montag.

Guterres bei der Konferenz in New York, die durch Frankreich und Saudi-Arabien organisiert wurde
Guterres bei der Konferenz in New York, die durch Frankreich und Saudi-Arabien organisiert wurde

Das Aushungern der Bevölkerung, die Tötung Zehntausender Zivilisten, eine weitere Zersplitterung der besetzten Palästinensergebiete und die Ausweitung der Siedlungen, weiter die Zunahme der Siedlergewalt gegen Palästinenser, Hauszerstörungen und eine Verschiebung der demografischen Verhältnisse bis hin zu offenen Annexionsplänen seien „Teil einer systemischen Realität, die die Bausteine für den Frieden demontiert", so Guterres bei der Konferenz, an der Israel nicht teilnimmt. Eine Lösung des Konflikts müsse die Wahrheit zur Kenntnis nehmen, dass man an einer Belastungsgrenze angelangt sei. Die Zwei-Staaten-Lösung sei „ferner als je zuvor“, sagte der UN-Generalsekretär in diesem Zusammenhang – ähnlich skeptisch hatte sich am Montag mit Blick auf das Vorgehen der israelischen Siedler im Westjordanland auch der vatikanische Staatssekretär Pietro Parolin geäußert.

Hilfsgüter werde über dem Gazastreifen abgeworfen
Hilfsgüter werde über dem Gazastreifen abgeworfen

Deutschland will humanitäre Luftbrücke für Gaza aufbauen

Unterdessen will Deutschland in Zusammenarbeit mit Jordanien umgehend eine Luftbrücke für humanitäre Hilfsgüter in den Gazastreifen aufbauen. Das kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Montagabend nach einer Sitzung des sogenannten Sicherheitskabinetts in Berlin an. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) werde sich dazu eng mit Frankreich und Großbritannien abstimmen, die ebenfalls bereit seien, eine solche Luftbrücke für Lebensmittel und medizinische Güter zur Verfügung zu stellen. Beide Seiten müssten jedoch aktiv für ein friedliches Zusammenleben sorgen.

Ein deutsches Flugzeug wirft Hilfsgüter über dem Gazastreifen ab: Archivbild von 2024
Ein deutsches Flugzeug wirft Hilfsgüter über dem Gazastreifen ab: Archivbild von 2024   (ANSA)

Die Bundesregierung werde weitere Maßnahmen im Lichte der Ereignisse anpassen.Weitere Schritte geplantMit Frankreich und Großbritannien werde sich Deutschland über die weitere Entwicklung in der Region weiter austauschen, so Merz. Dabei gehe es insbesondere um die zukünftige Verwaltung und den Wiederaufbau in Gaza. Außenminister Johann Wadephul (CDU) werde voraussichtlich am Donnerstag erneut in die Region reisen, eventuell begleitet von seinen Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien. Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) werde zudem mit Partnern Vorkehrungen für eine Wiederaufbaukonferenz treffen.

Hinsichtlich einer möglichen Anerkennung des Staates Palästina stehe für die Bundesregierung keine Entscheidung an, betonte Merz erneut. Man betrachte die Anerkennung nicht als ersten, sondern als einen der möglicherweise abschließenden Schritte hin zur Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung.

Verteilung von Hilfsgütern in Gaza durch den Malteserorden (Archivbild)
Verteilung von Hilfsgütern in Gaza durch den Malteserorden (Archivbild)

Malteserorden und Tschechische Republik: Abkommen für humanitäre Hilfe

Auch der Malteserorden ist weiter in der Region aktiv. Zur Bewältigung der humanitären Krise wurde an diesem Montag in Rom ein Abkommen mit der Tschechischen Republik unterzeichnet. Im Rahmen dieser Vereinbarung verpflichtet sich Prag dazu, 80.000 Euro zu spenden, um die medizinischen, sozialen und humanitären Hilfsprojekte des Ordens in Gaza zu unterstützen, die in Zusammenarbeit mit dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem durchgeführt werden. Wie in einem anschließend verbreiteten Statement präzisiert wird, ziele die Initiative darauf ab, die Notfallmedizin und den Zugang zur Grundversorgung für die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu stärken, die unter den Folgen des anhaltenden Konflikts besonders leiden.

(cnn/kna/pm - cs)

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29. Juli 2025, 10:08