Haiti: Zwischen Staatskollaps und umstrittenem Verfassungsentwurf
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
In ihrer diesen Mittwoch veröffentlichten Erklärung zeichnen die Bischöfe ein düsteres Bild: Ein Staat, der seine grundlegenden Aufgaben nicht mehr erfüllt, eine Gesellschaft, die unter der Gewalt bewaffneter Banden leidet, und eine Bevölkerung, die zunehmend entrechtet, vertrieben und traumatisiert wird. Kirchen werden geschändet, Heiligtümer zerstört, ja selbst das nationale Kulturerbe wird systematisch verwüstet.
Eine Gesellschaft im freien Fall
„Wir erleben einen Verfall der Gesellschaft und einen Niedergang der Institutionen, die ihre Säulen bilden,“ heißt es in dem Dokument. Die Bischöfe verurteilen „dieses Projekt der Entmenschlichung“ und fragen, warum der Staat nicht „alles in seiner Macht Stehende tut, um das zu schützen, was unantastbar sein sollte: nämlich Leben, Freiheit, Kultur und Erinnerung“.
Sorge um den Verfassungsentwurf von 2025
Neben der Sicherheitslage bereitet der CEH auch der am 23. Juli vorgestellte, von der Übergangsregierung erarbeitete Verfassungsentwurf Kopfzerbrechen. Zwar erkennen die Bischöfe darin durchaus positive Elemente– etwa die Förderung der Beteiligung von Frauen und Jugendlichen, die Anerkennung sozialer Grundrechte und den Versuch, die Korruption zu bekämpfen. Aber sie sehen auch schwerwiegende Mängel wie eine übermächtige Präsidialmacht, mangelnde demokratischer Beteiligung und einen Föderalismus, der die nationale Einheit zu spalten droht.
Der wahre Wandel beginnt nicht mit Gesetzestexten, sondern mit einer moralischen und spirituellen Erneuerung
Die Bischöfe fordern daher einen breiten gesellschaftlichen Dialog über die Zukunft des Landes. In der aktuellen Lage sei eine neue Verfassung nicht vorrangig – wichtiger seien Sicherheit, Frieden und eine verantwortungsvolle Regierungsführung.
Die CEH appelliert an die Haitianer, nicht zu resignieren, sondern gemeinsam für Gerechtigkeit, Wahrheit und Versöhnung einzustehen. Der wahre Wandel beginne nicht mit Gesetzestexten, sondern mit einer moralischen und spirituellen Erneuerung.
Abschließend rufen die Bischöfe die Bevölkerung des Landes zu Hoffnung, Umkehr und aktiver Mitgestaltung auf: „Es ist noch Zeit, das Schlimmste zu verhindern – aber jeder Tag des Schweigens ist ein Tag zu viel.“
(vaticannews – skr)
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