Fünf Minuten mit Abt Nikodemus (3)
Ist ein Friede im Nahen Osten vorstellbar, oder ist der Zug dafür abgefahren? Auch das fragten wir den Pater Nikodemus.
?Ich bin ein Mensch der Hoffnung; wir sind ja auch im Heiligen Jahr der Hoffnung, und ich muss sagen: Da bin ich dem verstorbenen Papst Franziskus sehr dankbar, dass er dieses Heilige Jahr unter das Motto ?Pilger der Hoffnung‘ gestellt hat. Weil Hoffnung eben mehr ist als so ein Optimismus nach dem Motto ?Ja, irgendwie wird es schon wieder gut‘.
Für mich ist Hoffnung gewissermaßen eine Tochter des Glaubens. Glaube sehe ich als ein sich Festmachen in der Geschichte, in der Tradition, in dem, was war; die gesamte Bibel, das Alte und Neue Testament, bedeuten für mich diese große Botschaft: Gott ist treu, Gott ist da. Gott hat sein Volk durch Höhen und Tiefen geführt; Er ist der, der die Menschen nicht im Stich gelassen hat, auch wenn es wirklich Abgründe zu bestehen gab. Und dieser Glaube wird im Gebet offenbart: Wenn die Kirche offiziell betet, fängt sie ja immer an zu sagen: Gott, ich danke dir. Oder: Wir danken dir für dies und das, was du getan hast. Und dann kommt die Bitte; und diese Bitte ist für mich Hoffnungszukunft. Denn einem Gott, der sich in der Vergangenheit sich als treu erwiesen hat und der sich in der Gegenwart als liebender, gnädiger Gott zeigt, traue ich auch zu, dass es eine echte Zukunft gibt.
Und das ist sozusagen meine große Einladung zu diesem wichtigen Thema: Gibt es eine Lösung? Ich bin überzeugt davon als gläubiger Mensch: Ja, es gibt eine Lösung! Und wenn wir ehrlich sind – die Probleme, die immer benannt werden, sind menschengemachte, keine objektiven Probleme. Nichts, was irgendwie absurd oder abstrus wäre. Wir erleben, dass Menschen sagen: Nein, Frieden ist nicht möglich… Aber warum ist das nicht möglich? Also, viele Diskussionen sind mir da moralisch zu anspruchslos. Wir haben es hier nicht mit objektiven Problemen zu tun, sondern Menschen sind der Meinung: Ich kann nicht mit anderen Menschen zusammenleben, das geht nicht, der andere ist hier einer zu viel, und das möchte ich nicht akzeptieren.
Ich würde sagen: Gott hat uns die Fähigkeit gegeben, dass wir kommunizieren, dass wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen, dass wir kompromissfähig sind. Und da möchte ich jetzt mal einen nicht religiösen Menschen (der aber nicht ganz unreligiös war; ich habe ihn sehr geschätzt) zitieren. Amos Oz hat am Ende seines Lebens immer wieder gesagt: Wir müssen endlich mal den Kompromiss enttabuisieren. Er sagte: In dieser Welt (und es hat sich nichts geändert), in der wir leben und besonders im Nahen Osten gibt es so eine Machoattitüde; das heißt, politische Verantwortungsträger auf beiden Seiten, seien es Israelis, seien es Palästinenser, lassen sich sozusagen dafür feiern, dass sie keinen Millimeter nachgeben.
So bekommen wir keinen Frieden hin! Im menschlichen Zusammenleben (das können, glaube ich, alle bestätigen, die zum Beispiel in einer Ehe leben, oder wie ich mit Mitbrüdern in einem Kloster) gehört es immer wieder dazu, neu anzufangen, sich neu zu vergeben, neu auf den Weg zu machen und eben auch zu sagen: Nein, ich setze jetzt nicht 100 Prozent meiner Bedürfnisse durch, sondern ich nehme Rücksicht auf den anderen und versuche, gemeinsam einen Weg zu finden.
Und deswegen sage ich: Ja, es gibt für mich eine Lösung, und die wäre menschenmöglich, indem die beiden Seiten sich zusammensetzen und sagen: Was ist der Punkt? Nach über zwanzig Jahren im Land bin ich mal so frech, es herunterzubrechen: Den jüdischen Israelis geht es um Sicherheit und den Palästinensern um Freiheit. Das sind eigentlich die beiden großen Überschriften. Die jüdischen Israelis sagen: Nie mehr Opfer sein, nie mehr Auschwitz. Für uns ist Israel die Lebensversicherung, dass den Enkeln nicht passiert, was den Großeltern passiert ist. Das ist ihr ganz großer, legitimer Wunsch, den ich voll unterstütze. Die Palästinenser – das unterstütze ich auch vollkommen – sagen: Gerade der Heilige Stuhl, gerade die katholische Kirche betont das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Wir sind ein eigenes Volk, wir wollen unsere eigene Staatlichkeit, wir wollen eine eigene Währung, wir wollen uns einfach frei entfalten können und ein vollwertiges Mitglied der Staatengemeinschaft werden.
Das heißt: Beide bringen ganz legitime Wünsche vor. Da soll mir keiner sagen, das sei nicht lösbar…“
In der nächsten Folge geht es darum, was Orthodoxe und Katholiken voneinander lernen können.
(vatican news – sk)
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