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Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, bei einer Pressekonferenz am Sitz des Patriarchats in der Altstadt von Jerusalem (Archivbild, 2025) Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, bei einer Pressekonferenz am Sitz des Patriarchats in der Altstadt von Jerusalem (Archivbild, 2025) 

Pizzaballa zu Gaza: Situation weiter katastrophal und unmenschlich

Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, hat sich zur Lage im Gazastreifen geäußert: „Die Situation hier bleibt katastrophal, dramatisch und unmenschlich“, sagte er dem öffentlich-rechtlichen italienischen TV-Sender Rai am Mittwoch. Es herrsche „ein unbegreifliches Treiben von denen, die Hass säen, nicht nur hier im Heiligen Land, sondern im ganzen Nahen Osten“. Er warnte zugleich vor Antisemitismus.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt* 

Zur Lage vor Ort in Gaza sagt Kardinal Pizzaballa, die Informationen, die sie von den Gemeinden vor Ort erhielten und auch über Handy seien natürlich immer nur ein Teileindruck:

„Ein komplettes, allumfassendes und freies Bild der Lage ist sehr schwer zu bekommen. Aber abgesehen davon ist offensichtlich und deutlich klar, dass es eine drammatische, verheerende und unmenschliche Lage ist. (...) Die Lage bleibt in vielerlei Hinsicht verheerend: Die Krankenhäuser, die sanitäre Lage: Es gibt keine Hygiene mehr, auch weil es keine Infrastruktur mehr gibt, kein Wasser, es mangelt an Hygiene. Teils sind es 40 Grad im Schatten. Und dann der Hunger. Seit Monaten kommen keine Lebensmittel rein, und sie werden langsam knapp, besonders im Norden, wo die Lage besonders drammatisch ist", beschreibt der Kardinal die Situation im Gazastreifen. 

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Lebensmittelhilfen in den Gaza-Streifen zu bekommen, gilt als schwierig und risikoreich. Bei einem Angriff auf einen Bus mit palästinensischen Mitarbeitern der Gaza Humanitarian Foundation (GHF), die von Israel und den USA unterstützt wird, sind nach Angaben der Organisation fünf Menschen getötet worden. Die Stiftung machte die islamistische Terrororganisation Hamas für den Angriff verantwortlich.

Nach Angaben örtlicher Gesundheitsbehörden sind bei israelischen Angriffen am Mittwoch im Gazastreifen mindestens 60 Palästinenser getötet worden. Mindestens 25 Menschen starben demnach in der Nähe eines Verteilzentrums der GHF. Die israelischen Streitkräfte hatten nach eigenen Angaben am Mittwoch bei einem Einsatz im südlichen Gazastreifen die Leichen von zwei Geiseln geborgen und nach Israel überführt. Beide Männer stammen demnach aus dem Kibbuz Nir Oz nahe der Gaza-Grenze. Sie sollen beim Überfall der Hamas und anderer Terrorgruppen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober 2023 getötet und ihre Leichen nach Gaza verschleppt worden sein. Die Angaben der verschiedenen Beteiligten sind sind schwer unabhängig zu prüfen. Klar ist jedoch, daran erinnert Kardinal Pizzaballa, wer unter der Gewalt besonders leidet: 

„Es ist an der Zeit, sich zu bewegen, etwas zu tun, um diese aus meiner Sicht unverständliche Entwicklung zu stoppen, die Hass in der Bevölkerung sät, nicht nur hier im Heiligen Land, sondern im gesamten Nahen Osten“

„Ich bin sprachlos, ich kann den Sinn des Ganzen nicht verstehen. Es sprengt alle nachvollziehbaren Grenzen für das, was da geschieht. Und natürlich sind diejenigen, die den Preis dafür zahlen, vor allem die Letzten, die Armen, die Kleinen und besonders die Kinder, nicht nur die Hungrigen. Es ist etwas, worüber wenig gesprochen wird, sie sind hungrig, sie sind auch verletzt." Mit Blick auf die Lage in Gaza erinnert er: â€žEs gibt Hunderttausende von Kindern, die seit zwei Jahren nicht mehr zur Schule gegangen sind, sie sind sich selbst überlassen, es ist schrecklich." Pizzaballa ruft daher alle eindringlich zum Handeln auf: â€žWir können nicht einfach zusehen und nichts tun, oder? Wir können uns nicht auf die üblichen allgemeinen Worte beschränken. Es ist an der Zeit, sich zu bewegen, etwas zu tun, um diese aus meiner Sicht unverständliche Entwicklung zu stoppen, die Hass in der Bevölkerung sät, nicht nur hier im Heiligen Land, sondern im gesamten Nahen Osten."

Guter Kontakt zum Papst

Die katholische Kirche prangere die Lage an und tue mit ihren Vermittlern was gehe, auch um die Blockade der humanitären Hilfe zu lösen, auch in Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen. Aber die Lage sei schwierig und er persönlich fühle „ein starkes Gefühl der Ohnmacht“, gesteht der Kardinal im Interview mit der Rai. Über diese Themen informiere er auch Papst Leo XIV., zu dem es guten und regelmäßigen Kontakt gebe:

„Es gibt natürlich keinen täglichen, aber einen ständigen Dialog, wir hören uns sehr oft.“

„Es gibt natürlich keinen täglichen, aber einen ständigen Dialog, wir hören uns sehr oft. Wir haben uns vergangene Woche gehört und auch diese. Besonders ging es darum, aktuelle Informationen auszutauschen, über die laufenden Kontakte, die laufenden Dialoge, um zu sehen, was getan werden kann, auch um einen gewissen Druck auf diplomatischer Ebene auszuüben, um zu versuchen, zumindest den humanitären Aspekt zu lösen", berichtet Pizzaballa im Interview mit der Rai. 

„Die Politik der Regierung zu verurteilen, bedeutet nicht, das Judentum zu verurteilen“

Auf die Frage nach einem wachsenden Antisemitismus antwortetet der Kardinal: „Man muss aus diesen Diskussionen herauskommen und sich auf das konzentrieren, was in Gaza passiert. Die Politik der Regierung zu verurteilen, bedeutet nicht, das Judentum zu verurteilen. Wir dürfen die beiden Dinge nicht gleichsetzen. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das, was die Regierung und die israelische Politik in Gaza tun, unvorstellbar und inakzeptabel ist. Das muss sehr deutlich gesagt werden. Das bedeutet nicht, dass alle Juden verurteilt werden müssen, wir müssen das unterscheiden. Aber man muss auch den Mut und die Freiheit haben, die Dinge so zu sagen, wie sie sind."

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(rai/diverse) 

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12. Juni 2025, 10:49