Was ist Wissenschaft, Herr Professor?
?Wissenschaft ist die systematische Erfassung von Tatbeständen und die Suche nach kausalen und funktionalen Zusammenhängen“, so setzt Professor von Braun an. Das könne sich auf die Natur beziehen, also auf biologische, physiologische, physikalische und chemische Prozesse, aber auch auf soziale Systeme sowie menschliche und ökonomische Beziehungen.
Merkmale und Ausgangspunkt der Wissenschaft
Bei der Suche nach neuen Erkenntnissen werde dabei mathematisch-logisch vorgegangen. Die wissenschaftliche Methodik beinhalte das Verlangen nach Replizierbarkeit und Falsifizierbarkeit, also zum Beispiel die Wiederholbarkeit eines Experiments, um dessen Ergebnis zu überprüfen. Sie setze sich der Überprüfung durch Dritte aus, insbesondere durch das sogenannte Peer-Review. In ihrem Streben um Wahrheit akzeptiere Wissenschaft Ergebnisse nur so lange, wie sie noch nicht widerlegt wurden. Pseudowissenschaft hingegen erfülle diese Kriterien nicht.
Dabei nehme alles wissenschaftliche Treiben im Kern seinen Ausgangspunkt im ?sich wundern“, wie es bereits Aristoteles betont habe, unterstreicht von Braun.
Wissenschaft geht jeden etwas an
Als solches geht Wissenschaft somit eigentlich jeden von uns etwas an und wird grundlegend bereits von uns allen praktiziert, wie von Braun bemerkt. Zum Beispiel stellten wir im Alltag eine Vermutung – eine Hypothese – auf und fragten uns dann, ob wir klare Hinweise zum Bejahen oder Verneinen der Vermutung haben.
Hier wäre es jedoch nützlich, wenn der Einzelne dies nicht nur unbewusst, sondern bewusst praktiziere und sich in dem Bereich daher auch aktiv weiterbilde. So könnten beispielsweise unreflektierte ?Bauchentscheidungen“ vermieden werden, wo eigentlich eine Beschäftigung mit statistischer Wahrscheinlichkeit oder Unsicherheit hätte abhelfen können.
Auch in anderer Hinsicht hängt der Nicht-Wissenschaftler aus der Sicht des Professors mit Wissenschaft zusammen– nämlich durch seinen Erfahrungs-Wissensschatz, den er in sich trägt. Insbesondere das traditionelle und lokale Wissen indigener Völker sei ein für die Wissenschaft bedeutsames Gut. ?Wissenschaft sollte dies achten, wie wir in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften dies in einem gemeinsamen Workshop mit indigenen Wissensträgern 2024 in erfolgreichem Gedankenaustausch vorgenommen haben“, betont von Braun.
Glaube und Wissenschaft komplementär denken
Für den Präsidenten der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften stehen Glaube und Wissenschaft nicht im Gegensatz zueinander, sondern sind komplementär. Während Wissenschaft es ermögliche, Gottes Schöpfung zu erforschen und zu verstehen, spreche das Christsein die spirituelle Dimension des Lebens an und setze sich mit Fragen nach dem Sinn des Lebens und moralischen Werten auseinander.
?Als Christ ist mir wichtig, auch die Grenzen und Risiken der Wissenschaft zu bedenken; und persönlich ist mir wichtig, Wissenschaft zu betreiben, die den Menschen dient – wie zum Beispiel den Hunger überwinden - und Wissenschaft, die hilft, die Schöpfung zu bewahren – wie zum Beispiel Klimaforschung. Grundlagenforschung in der Biologie und Physik gehören auch dazu, und auch hier berücksichtigen wir in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften Fragen von Fairness und Verantwortung, z.B. wenn wir Empfehlungen zur Künstlichen Intelligenz erarbeiten“, schließt von Braun.
(vatican news - rva)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, k?nnen Sie hier unseren Newsletter bestellen.