KI: ?Fast vollst?ndige Abwesenheit der Politik“
Marie Duhamel und Anne Preckel - Vatikanstadt
Künstliche Intelligenz wird heute in vielen Bereichen nahezu selbstverständlich genutzt. Der Vatikan hat schon in einem frühen Stadium auf die Notwendigkeit einer Ausrichtung entsprechend ethischer Standards verwiesen. Mit der Initiative ?“, die eine transparente und inklusive Entwicklung und Verwendung von KI fordert, sucht die katholische Kirche den Schulterschluss mit Wirtschaft und Politik. Mit der Initiative war der Vatikan ein Vorreiter. Seit der Appell 2020 veröffentlicht wurde, haben ihn neben Vertretern der Weltreligionen und 250 Universitäten auch amerikanische Tech-Giganten unterzeichnet. Ebenso Amazon und Cisco wollten demnächst beitreten, so Paglia. Für Ende Juni sei ein Kongress mit Vertretern der Industrie geplant. Gleichwohl fehlten immer noch schlichtweg die Regeln, beklagt der langjährige Präsident der Päpstlichen Lebensakademie, der mit der Politik hart ins Gericht geht.
Keine Regeln
?Das Problem, das meiner Meinung nach wie vor besteht, ist die fast vollständige Abwesenheit der Politik. Unser Schicksal liegt heute in den Händen derer, die die Macht über unsere Daten haben, und leider gibt es keine Regeln. Der Appell von Rom betont die Verantwortung, die in drei Bereichen übernommen werden muss: die Ethik der Algorithmen, die Erziehung von Jugendlichen und Erwachsenen, damit sie keine unbewussten Entscheidungen treffen, und schließlich die Rechtsfrage. Wir müssen die Regierungen und die verschiedenen Unternehmen dazu bringen, Gesetze zu erlassen, um einen internationalen Rechtsrahmen zu schaffen, der den Besitz von persönlichen Daten regelt.“
Auch hinsichtlich des Ersatzes von Arbeitskraft ist Künstliche Intelligenz in ethischer Hinsicht eine Herausforderung und muss von der Politik angegangen werden. Die Päpstliche Akademie nimmt solche und ähnliche Entwicklungen in den Blick, etwa auch im Bereich der Robotik und Genomforschung. Im Interview mit Radio Vatikan öffnet Paglia den Blick für die Implikationen und Gefahren solcher Technologien und Entwicklungen, die spezifisch menschengemacht sind.
?Zum ersten Mal in der Geschichte können Männer und Frauen die Schöpfung zerstören, durch die Atomkraft, durch die Klimakatastrophe, durch die neuen konvergierenden Wissenschaften. Wir können die ganze Welt zerstören. Angesichts dieses schrecklichen tödlichen Risikos müssen wir das gemeinsame Menschliche wiederentdecken und verteidigen. Und ich halte ein breites Bündnis zwischen Wissenschaft, Philosophie, Theologie, Kunst, Wirtschaft und Politik für notwendig. Man spricht von einem anthropozänen Risiko. Das ist die große Herausforderung von heute.“
Menschliches Wirken eskaliert
,Anthropozän‘ (von altgriechisch anthropos, Mensch) ist ein Vorschlag zur Benennung eines neuen Erdzeitalters, das zeigen soll, dass die Wirkung menschlichen Handelns auf die Umwelt ,eskaliert‘ ist. Das Konzept beruht auf der Annahme, dass der Mensch einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf biologische, geologische und atmosphärische Prozesse der Erde geworden ist.
Direkte Eingriffe in das menschliche Leben selbst stellen vor diesem Hintergrund Abtreibung und ?Sterbehilfe“ dar. Mit Blick auf die Frage des assistierten Suizids, der in immer mehr Gesellschaften legalisiert wird, verweist Paglia darauf, dass hier grundlegende Fragen des Menschseins berührt sind, und weitet den Blick über die katholische Kirche hinaus.
?Wir sagen weiterhin, dass wir Abtreibung oder Euthanasie nicht zulassen können, aber das ist keine rein katholische Frage. Es ist eine Frage der Achtung vor dem Leben. Ich kenne viele nicht-gläubige Menschen, die dagegen sind, und wir haben die Akademie für Wissenschaftler anderer Konfessionen oder Nichtgläubige geöffnet, um ein neues Nachdenken über den Reichtum des Lebens zu fordern. Wir müssen es verteidigen. Nicht nur an seinem Anfang, sondern in jedem Alter und unter allen Bedingungen. (…) Einsamkeit und Leid sind schrecklich, und aus diesem Grund hat sich die Akademie für das Leben nachdrücklich für die Palliativmedizin ausgesprochen“, formuliert Paglia die Position des Vatikans.
Thinktank zu Fragen der Bioethik, KI und Ökologie
Die Päpstliche Akademie für das Leben ist ein aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von allen Kontinenten bestehender Thinktank des Papstes zu bioethischen Fragen. Unter Paglias Leitung hatte sich ihr Themenspektrum auf Fragen wie Künstliche Intelligenz (KI) und Ökologie erweitert. Die Institution wurde unter dem Heiligen Johannes Paul II. im Jahr 1994 gegründet.
Der aus dem Umfeld der Gemeinschaft Sant'Egidio kommende bisherige Präsident Vincenzo Paglia leitete von 2012 bis 2016 den Päpstlichen Familienrat. Nach dessen Auflösung hatte ihn Papst Franziskus zum Präsidenten der Akademie für das Leben sowie zum Großkanzler des ?Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie“ gemacht. Mit Vollendung seines 80. Lebensjahres schied er nun als Präsident aus, ihm folgte der Mediziner und Theologe Renzo Pegoraro.
(vatican news – pr)
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