Kollegengespräch: Eindrücke von der letzten Messe vor dem Konklave
„Ich sollte die deutschsprachige Fürbitte vorlesen und bekam deshalb in der Basilika einen guten Platz. Es war eine beeindruckende Szenerie, muss ich sagen: Alle Kardinäle in roten Messgewändern, in einem Halbkreis vor dem Petrusgrab, mit ernsten, gesammelten Gesichtern. Ein Kardinaldekan Re, der trotz seiner 91 Jahre überraschend dynamisch und fröhlich auftritt. Viel Latein, sehr schöne Gesänge – ein wirklich bewegender weltkirchlicher Moment, nicht ohne eine gewisse Spannung dabei. Nach der Messe drängten sich die Kardinäle zusammen mit anderen Messbesuchern durch den Hinterausgang des Petersdoms, und da kam es dann draußen noch zu schönen Szenen; viele Kardinäle ließen Selfies von sich machen, unterhielten sich mit den Menschen – und liefen dann zur Casa Santa Marta hinüber, die schon durch große Barrieren abgesperrt war, weil sie ab diesem Mittwochnachmittag zur Konklavezone gehört. Das war wohl für die meisten Wahlkardinäle der letzte Moment, in dem sie noch mal unter Menschen waren. Jetzt geht für sie der Sixtina-Stress los…“
An diesem Mittwoch Nachmittag schon ziehen die Kardinäle in die Sixtina ein, wo bereits ein erster Wahlgang stattfinden soll. Es geht direkt los, so scheint es – bitte sortiere die nächsten Schritte für uns. Was bedeuten sie?
„Sie bedeuten vor allem, dass jetzt nicht mehr lange gefackelt wird. Die Zeit des Debattierens und Nachdenkens ist vorbei, jetzt wird gewählt und ansonsten meistens gebetet oder gleich geschwiegen. Am Nachmittag ziehen die Wähler von der Paulinischen Kapelle in die Sixtina; der Weg ist nicht lang, denn nur ein Renaissancesaal des Apostolischen Palastes trennt die beiden Kapellen; dort angekommen legen sie einzeln, mit der Hand auf dem Evangelium, den Eid ab, sich treu und gewissenhaft an alle Vorschriften zu halten, keine Einmischung von außen zu dulden und Geheimhaltung über alles zu wahren. Dann liest ihnen ein Kleriker noch einmal – in dem Moment, in dem sich längst die Türen der Sixtina geschlossen haben – die Leviten, dann muss auch dieser Kleriker den Raum verlassen, und der Wahlkrimi beginnt.“
Im Vorkonklave wird erfahrungsgemäß ein Profil des nächsten Papstes entwickelt, zumindest zwei Drittel der Kardinäle müssen übereinkommen bei der Papstwahl. Was für ein Bild wurde da in den letzten Tagen entworfen (in zwölf Generalkongregationen und auch außen in Interviews)?
„Also, wenn man das ernstnimmt, was Kardinäle vor und nach Generalkongregationen den Journalisten in die Blöcke diktiert haben, dann muss der nächste Papst eine Art ,Superman' sein. Pastoral, bitte schön – aber auch ein gewiefter Theologe. Manche Kardinäle wünschten sich ganz offen eine Mischung der letzten zwei oder sogar drei Päpste, also ein bisschen Franziskus, eine Prise Benedikt XVI. und dann natürlich noch etwas von Johannes Paul II. Aus meiner Sicht gibt es vor allem einen Punkt, in dem offenbar fast alle Kardinäle übereinstimmen: dass nämlich ein Papst nicht alleingelassen werden darf, sprich dass er Beratung braucht. In welcher Form auch immer, da gehen die Meinungen dann wieder auseinander: Kabinettssitzungen mit der römischen Kurie, oder die regelmäßige Einberufung des Kardinalskonsistoriums einmal im Jahr, oder einen Bischofsrat, oder eine Art ständigen Synodenrat, in dem dann gegebenenfalls auch Laien und Frauen Sitz und Stimme hätten...“
Wir lassen uns überraschen... Vielen Dank für diese Einschätzung.
Sehr gern, danke!
(vatican news)
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