Papst an Augustiner: ?H?ren, Demut, Einheit“
Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer offiziellen deutschen Fassung
Wortlaut
Predigt von Leo XIV
Hl. Messe zur Eröffnung des Generalkapitels der Augustiner
Basilika Sant’Agostino in Rom
Wir feiern diese Eucharistie am Beginn des Generalkapitels, einem Moment der Gnade für den Augustinerorden und für die ganze Kirche.
In der Votivmesse vom Heiligen Geist bitten wir, dass er, durch den die Liebe Christi in unseren Herzen wohnt (vgl. Röm 5,5), Tag für Tag eure Arbeit leite.
Ein Autor der Antike beschreibt das Pfingstereignis (vgl. Apg 2,1-11) als ein ?übermächtiges, überreiches und unwiderstehliches Überhandnehmen des Geistes“ (Didymus der Blinde, De Trinitate, 6,8: PG 39,533). Bitten wir den Herrn, dass es auch für euch so ist: dass sein Geist über jede menschliche Logik die Oberhand gewinnt, ?überreich und unwiderstehlich“, sodass die dritte göttliche Person wirklich die Hauptdarstellerin der kommenden Tage wird.
Der Heilige Geist spricht, heute wie in der Vergangenheit. Er tut es in den penetralia cordis, in den Tiefen des Herzens, und durch die Brüder und die Lebensumstände. Darum ist es wichtig, dass die Atmosphäre des Kapitels ganz im Einklang mit der jahrhundertelangen Tradition der Kirche eine Atmosphäre des Hörens ist: ein Hören auf Gott und auf die anderen.
In einer Betrachtung über das Pfingstfest stellt unser heiliger Vater Augustinus als Antwort auf die provokante Frage, warum sich heute nicht wie einst in Jerusalem das außerordentliche Zeichen der ?Zungenrede“ wiederhole, eine Überlegung an, die euch in der Aufgabe, die vor euch liegt, sehr hilfreich sein kann. Augustinus sagt: ?Zunächst sprach jeder einzelne Gläubige […] alle Sprachen […]. Jetzt aber spricht die Gesamtheit der Gläubigen in allen Sprachen. Deshalb sind auch jetzt alle Sprachen unsere, denn wir sind Glieder des Leibes, der spricht“ (Sermo 269,1).
Liebe Brüder, ihr seid hier zusammen Glieder des Leibes Christi, der alle Sprachen spricht. Wenn vielleicht nicht alle Sprachen der Welt, so doch alle, die Gott in seiner gütigen Vorsehung für notwendig erachtet, damit sich das gute Werk erfüllt, das er euch anvertraut.
Lebt also diese Tage im aufrichtigen Bemühen zu kommunizieren und zu verstehen, und tut dies als großzügige Antwort auf das große und einzigartige Geschenk von Licht und Gnade, die der Vater im Himmel euch schenkt, indem er gerade euch hier zum Wohle aller zusammenruft.
Kommen wir zu einem zweiten Punkt: Tut dies alles in Demut. In einem Kommentar über die Vielfalt der Formen, in denen der Heilige Geist sich durch die Jahrhunderte in der Welt verbreitet, liest Augustinus diese Mannigfaltigkeit als eine Einladung an uns, sich klein zu machen vor der Freiheit und der Unergründlichkeit des Handelns Gottes (ebd.). Keiner darf denken, dass er von sich aus alle Antworten kennt. Jeder soll offen alles teilen, was er hat. Alle sollen im Glauben annehmen, was der Herr eingibt, im Bewusstsein, dass seine Wege über unsere Wege erhaben sind, und seine Gedanken über unsere Gedanken ?so hoch der Himmel über der Erde ist“ (Jes 55,9). Nur so kann der Geist ?lehren“ und ?in Erinnerung rufen“, was Jesus gesagt hat (vgl. Joh 14,26), und es in eure Herzen einprägen, damit es aus ihnen widerschallt – in der Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit eines jeden Herzschlags.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Punkt, den ich aus den heutigen Lesungen unterstreichen möchte: den Wert der Einheit.
In der ersten Lesung spricht der hl. Paulus davon, indem er die Gemeinde von Korinth beschreibt. Diese Beschreibung kann man leicht auf euer Kapitel übertragen. Auch hier gilt: ?Jedem wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,7). Auch hier ?bewirkt alles ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will“ (V. 11). Und auch von euch kann man sagen: ?Wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus“ (V. 12).
Die Einheit soll ein unverzichtbares Ziel eurer Bemühungen sein. Aber mehr noch: sie soll das Kriterium zur Überprüfung eures gemeinsamen Tuns und Arbeitens sein. Denn was verbindet, kommt von ihm, aber was spaltet, kann nicht von ihm sein.
Auch hier hilft uns wieder der heilige Augustinus. Im schon genannten Kommentar zum Pfingstwunder bemerkt er: ?So wie seinerzeit in den verschiedenen Sprachen, die je ein einzelner Mensch sprach, sich die Gegenwart des Heiligen Geistes zeigte, so ist jetzt die Liebe zur Einheit […] das Zeichen seiner Gegenwart“ (ebd., 3). Und er fährt fort: ?Wie die vom Geist beseelten Menschen die Einheit genießen, so suchen die im Fleisch Verhafteten Spaltung“ (ebd.). Er fragt daher: ?Welche größere Kraft kann es in der Frömmigkeit geben als die Liebe zur Einheit?“ Abschließend hält er fest: ?Ihr werdet den Heiligen Geist empfangen, wenn ihr zulasst, dass euer Herz durch aufrichtige Liebe an der Einheit festhält“ (ebd.).
Hören, Demut und Einheit: Das sind - so hoffe ich - die drei hilfreichen Hinweise, die euch die Liturgie für diese kommenden Tage schenkt.
Ihr seid eingeladen, sie euch zu eigen zu machen, indem ihr das Gebet erneuert, das wir zu Beginn dieser Feier an den Herrn gerichtet haben: Der Heilige Geist, der der von dir ausgeht, erleuchte unser Herz und unseren Sinn. Er führe uns in die volle Wahrheit ein, wie dein Sohn verheißen hat“ (vgl. Römisches Messbuch, Votivmesse zum Heiligen Geist, B, Tagesgebet).
(vatican news)
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