D: Neuer Stephanuskreis-Vorsitzender fordert Schutz verfolgter Christen
Rohwer ist neuer Vorsitzender des Stephanuskreises im Bundestag. Im Interview mit dem Kölner Domradio beklagt er, dass Christenverfolgung in der deutschen Debatte allzu oft übersehen werde. Wenn eine Abschiebung nicht rechtmäßig gewesen sei, müsse sie „korrigiert“ werden, so der Politiker.
DOMRADIO.DE: Erst eine Woche ist es her, dass in der Demokratischen Republik Kongo Islamisten eine Kirche angegriffen und über 40 Menschen getötet haben. Aber Christen stehen in vielen Ländern im Fokus. Rund 380 Millionen gelten nur aufgrund ihres Glaubens weltweit als verfolgt und diskriminiert. Für sie engagiert sich im deutschen Bundestag der Stephanuskreis, eine Gesprächsplattform innerhalb der Unionsfraktion, an der sich alle Bundestagsabgeordneten beteiligen können. Sie, Herr Rohwer, kommen aus Dresden, also aus Ostdeutschland, wo Christen in der Minderheit sind. Wie ist in diesem Kontext Ihr persönlicher Bezug zum Stephanuskreis entstanden?
Lars Rohwer (CDU-Politiker, Mitglied im Bundestag und neuer Vorsitzender des Stephanuskreises): „Der Stephanuskreis ist für mich sehr wichtig, weil ich damals in der DDR selbst Ähnliches erlebt habe, wo Christen in der Minderheit waren und zum Teil benachteiligt oder sogar verfolgt wurden. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Mitschülerin, die wegen ihrer Haltung nicht den Bildungsweg gehen konnte, den sie wollte. Auch das ist eine Form von Christenverfolgung. Insofern ist das Thema mir schon sehr nah. Aber ich möchte jetzt nicht nur in die DDR-Aufarbeitung hineingehen, weil der Stephanuskreis viel größere Themengebiete hat.
Sie haben den dramatischen Fall aus dem Kongo angesprochen, das zeigt, wie aktuell das Thema Christenverfolgung weltweit ist. Leider wird es in unserer deutschen Debatte oft übersehen. Deshalb ist es uns im Stephanuskreis ein großes Anliegen, dieses Thema sichtbar zu machen.“
DOMRADIO.DE: Es gibt rund 380 Millionen Christen, die weltweit als verfolgt gelten. In welche Regionen der Welt schauen Sie aktuell mit besonders großer Sorge hinein?
Rohwer: „Auch in Syrien beobachten wir die Lage der Christen sehr genau. Da sind im Moment andere religiöse Minderheiten im Fokus, aber auch die Christen haben es schwer und genießen kaum Religionsfreiheit. Besonders besorgt mich die Situation der Drusen, das wird in der deutschen Medienberichterstattung leider kaum thematisiert. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir nun darüber sprechen können. Ich bin überzeugt, dass wir das Thema Christenverfolgung mit der deutschen Außenpolitik mehr verknüpfen müssen.
Ich bin sehr dankbar, dass der Bundeskanzler Thomas Rachel zum Beauftragten für Religionsfreiheit im Außenministerium ernannt hat. Das gibt mir Hoffnung, dass wir das Thema gerade mit seiner Person auch in der deutschen Außenpolitik künftig prägnanter und klarer positionieren können.“
DOMRADIO.DE: Gibt es vergessene Konflikte, die durch die Nachrichtenraster fallen, die auch bei Ihnen auf dem Tisch liegen?
Rohwer: „Ich habe gerade erst mit der Arbeit begonnen, aber ich habe eine wunderbare Vorbereitung durch meine Vorgängerin Monika Grütters bekommen. Sie hat das Thema in ihrer Amtszeit bereits bewusst weiter gefasst.
Die Situation verfolgter Christen kommt in der deutschen Berichterstattung immer wieder zu kurz. Deswegen ist das etwas, was mich sehr beschäftigt, vor allem die Frage, wie wir dieses Thema stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken können. Monika Grütters hat den Fokus daher zu Recht auf das größere Thema Religionsfreiheit erweitert, weil es auch richtig ist. Denn überall dort, wo Religionsfreiheit gewährleistet ist, können auch Christen ihren Glauben frei leben. Religionsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht, was wir generell mehr platzieren müssen, und es ist nicht verhandelbar.“
DOMRADIO.DE: Der Stephanuskreis setzt sich grundsätzlich für Religionsfreiheit aller Glaubensrichtungen ein. Doch wie oft gerät dieses Anliegen in Konflikt mit der Tagespolitik, etwa dann, wenn Jesidinnen und Jesiden von Abschiebung bedroht sind, obwohl sie in ihrer Heimat im Nordirak verfolgt werden?
Rohwer: „Das ist eine Debatte, die wir jetzt auch in der deutschen Politik aufgreifen müssen. Das geschieht aktuell auch. In einem bekannten Fall zu einer jesidischen Familie wurde ja öffentlich diskutiert, eine abgeschobene Familie zurückzuholen, weil das Gerichtsurteil zu spät kam. Das zeigt, dass unser Rechtsstaat funktioniert, dass wir dann auch unser Recht einhalten.
Wenn eine Abschiebung nicht rechtmäßig war, muss sie korrigiert werden. Ich finde es völlig richtig, dass die Öffentlichkeit darauf hingewiesen hat. Solche Konflikte wird es immer wieder geben. Ich sehe meine Aufgabe darin, diese Konflikte auch anzusprechen und nicht auszuweichen. Wichtig ist es auch mal zu sagen, dass es etwas in unserer deutschen Außenpolitik, in unserer Migrationspolitik gibt, wo wir nicht ganz sauber unterwegs sind.
Das darf nicht verschwiegen werden. Wenn es Missstände gibt, werde ich sie auch in meiner Fraktion klar benennen.“
DOMRADIO.DE: Was haben Sie sich als neuer Vorsitzender des Stephanuskreises alles vorgenommen? Welche Schwerpunkte möchten Sie setzen?
Rohwer: „Ich möchte die Schwerpunkte von Monika Grütters und den Vorgängern aufnehmen. Der Stephanuskreis geht ja auch auf unseren früheren Vorsitzenden Volker Kauder zurück, der das Thema Christenverfolgung in den Blick genommen hat. Monika Grütters hat das Thema Religionsfreiheit dazu genommen. Mir liegt sehr viel daran, einen Zusammenhang zu untersuchen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich da richtig liege, aber einiges spricht dafür: Überall da, wo die Religiosität in der Gesellschaft zurückgeht, wo wir also in säkulare Gesellschaften kommen, sind Populisten und Populismus im Vormarsch. Denn Menschen glauben immer an etwas, aber Religion gibt Halt, Orientierung und Werte.
Deswegen ist das ein Thema, das ich etwas mehr in den Fokus nehmen will, auch weil es meine unmittelbare sächsische Umgebung betrifft. Ein Beispiel: Wir haben in der Lausitz, im Gebiet der Sorben, einen Wahlkreis, der bei der Landtagswahl letztes Jahr eben nicht von der AfD gewonnen wurde, sondern von einer jungen Frau. Da muss ja ein Zusammenhang bestehen. Vielleicht besteht er genau darin, dass die katholischen Sorben anders wählen.“
Das Interview führte Oliver Kelch.
(domradio.de - cs)
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