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Marta, Maria und Lazarus - Nationalmuseum Warschau Marta, Maria und Lazarus - Nationalmuseum Warschau 

Unser Sonntag: Tabubruch

Laut Pater Elias geht es in diesem Evangelium nicht nur um die Balance zwischen Beten und Arbeiten. Dass alleinstehende Frauen - davon muss man ausgehen, sonst wäre der Mann als Haushaltsvorstand der Gastgeber - Jesus aufnehmen, war unvorstellbar. Schon damit bricht Jesus ein Tabu.

Pater Elias Pfiffi, OSB

Lk 10, 38-42 Lesejahr C

Maria und Marta, die alt-bekannte Geschichte: manchem entlockt diese Geschichte nur noch ein müdes Gähnen, andere reizt sie zum Widerspruch! Denn wird da nicht wieder das Tun, das aktive Sorgen geringgeschätzt, das was die Gastfreundschaft von Abraham und Sarah bei den Eichen von Mamre eigentlich ausmacht.

 

Maria und Martha, beides sind historische Personen, aber sie sind zu Symbolfiguren geworden. Sie stehen für Kontemplation und Aktion, für Beten und Arbeiten, für Gottvertrauen und Dienst am Nächsten.
Oft sind beide Dimensionen gegeneinander ausgespielt worden. Marta stellt die Diakonie dar, die sich aktiv für andere einsetzt, und Maria repräsentiert die Kontemplation, die sich dem Hören des Gotteswortes und dem Gebet hingibt. Die Kontemplation wurde oft als wichtiger betrachtet.
Aufgrund möglicherweise einer falschen Übersetzung! Denn richtig übersetzt muß es heißen: Maria hat nicht den besseren Teil, sondern den guten Teil erwählt.

„Wer auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho einen Verletzten sieht und an ihm vorübergeht, der kann Gott nicht lieben.“

Aber wenn ich das Lukasevangelium richtig lese, dann ist Lukas weit davon entfernt, diesem Vorrang einfach zuzustimmen. Vor »Maria und Marta« hat Lukas den »barmherzigen Samariter« gestellt. Darin erzählt er von der Notwendigkeit zuzupacken, wenn Menschen in Not sind. Wer auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho einen Verletzten sieht und an ihm vorübergeht, der kann Gott nicht lieben.

„Nach „Maria und Martha“ lehrt Jesus seine Jünger das Beten, die Kontemplation“


Nach „Maria und Martha“ lehrt Jesus seine Jünger das Beten, die Kontemplation. Diese verschiedenen Episoden illustrieren das Doppelgebot »Liebe deinen Nächsten« und »Liebe Gott«. Die Lebenserfahrung veranlasste Lukas wohl, die Geschichten hintereinander zu stellen. Denn in der Praxis stehen die Christinnen und Christen vor einer schweren Aufgabe: Sie müssen immer neu erkennen, was das Gebot der Stunde ist: Aktion oder Kontemplation. Anders ausgedrückt könnte man sagen: Tut nicht das eine, wenn das andere dran wäre, und versteckt euch nicht hinter dem einen, wenn das andere notwendig wäre.

Den Augenblick richtig deuten! 

Wichtig ist das „und“! das sowohl als auch! Und zu erkennen, was im Moment dran ist.
Bei der Geschichte von Marta und Maria geht es um die Kunst, jeweils den Augenblick richtig deuten zu können oder, anders gesagt, zu wissen, worauf es ankommt. Dieser Text steht innerhalb des »lukanischen Reiseberichtes« Jesus ist unterwegs nach Jerusalem. Wenn Jesus auf dem Weg nach Jerusalem ist, kann er sich unterwegs nicht groß aufhalten und predigen, und jene, die ihm begegnen und begleiten, müssen erkennen, dass dieser Weg nach Jerusalem unumkehrbar ist.

„Wenn Jesus vorübergeht, ist die Stunde der Entscheidung da“

In Jerusalem kommen alle Wege an ihr Ziel, und dort erfüllt sich die Botschaft der Propheten. Vor diesem Hintergrund bekommt die Begegnung Jesu mit den Menschen, die ihn unterwegs treffen, einen wichtigen, einen ernsten Charakter.
Diese Begegnung wird zur einmaligen Chance, zum »kairos«, das Heil anzunehmen oder es zu verweigern, denn Jesus wird nicht noch einmal vorbeikommen. Wenn Jesus vorübergeht, ist die Stunde der Entscheidung da. Diese einmalige Gelegenheit kommt nicht mehr wieder.
Lukas schreibt diese Geschichte für seine Gemeinde. Er will sie aufmerksam machen auf die Gefahr der Aktion, von der häufig mehr erwartet wird als vom Hören auf das Wort Gottes. Die Antwort Jesu an Marta steht im Zusammenhang mit anderen Worten von der rechten und falschen Sorge.

Besinnung auf die Mitte

Die Gemeinde muss sich immer wieder auf ihre Mitte besinnen, aus der sie allein leben kann. Nicht allein Aktionen und Statistiken, oder das Funktionieren zählen, sondern der Glaube, und der kommt vom Hören auf das Wort.
Ist das heute viel anders? Da engagieren sich noch einige. Es gibt Aktionen und Sitzungen und Treffen und vieles andere mehr. Aber wo gibt es Raum und Zeit, um auf Gottes Wort hören zu können? Welchen Stellenwert hat die Kontemplation? Was ist das Wichtige und das Notwendige in einer Gemeinschaft? Wovon leben wir in der Kirche?

Gibt es noch Zeit für Stille?

Diese Fragen kann ich natürlich auch auf das persönliche Leben beziehen: Gibt es da noch Zeiten der Stille und des Nachdenkens?
Gleichwohl meine ich, dass die Balance zwischen Beten und Arbeiten nicht die ganze frohe Botschaft dieses Textes ist. Jesus bricht mit seinem Verhalten auch einige Tabus der damaligen Zeit. Er ist zu Gast bei Frauen. Von einem Mann, zB dem Bruder Lazarus, ist da nicht die Rede. Dass alleinstehende Frauen - davon muss man ausgehen, sonst wäre der Mann als Haushaltsvorstand der Gastgeber - Jesus aufnehmen, war unvorstellbar. Schon damit bricht Jesus ein Tabu.

Frauen sind gleichberechtigte Jüngerinnen

Maria setzt sich Jesus zu Füßen und hört ihm zu. Auch das war unüblich. Frauen unterrichtete man nicht. Sie hatten kein Recht auf Bildung. Jesus bricht mit dieser Tradition. Frauen sind gleichberechtigte Jüngerinnen. Jesus behandelt Maria als vollwertigen Menschen. Er wagt es, eine Frau zu lehren, und überschreitet damit die Normen, die damals die Gesellschaft prägten und zusammenhielten.
Und noch eines: Jesus will eigentlich nicht, dass man ihn bedient. Er ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern um selbst zu dienen. Der Gottessohn verzichtet darauf, umsorgt zu werden? Ein Gott tut mir Gutes, ohne dass ich vorher etwas für ihn getan habe? Unvorstellbar! Nicht nur damals, sondern für viele auch heute noch! Wenn ich die Kommunion empfangen will, brauche ich vorher Jesus nicht religiöse Leistungen vorzuweisen. Ich brauche nur demutsvoll meine leeren Hände zu öffnen.


Wo ist die sorgenvolle, überanstrengte Marta in mir?
Kann ich die Haltung der Maria einnehmen?
Einfach da sein und mich von Gott beschenken lassen?!

 

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)

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19. Juli 2025, 11:01