Unser Sonntag: Die Liebe unseres Lebens
Weihbischof Dr. Peter Birkhofer
Lk, 9,18-24 12. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C
Wieder einmal hat Jesus sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um zu beten - in das Zwiegespräch mit dem Vater. Jesus geht zur Quelle, die ihm Kraft gibt.
Jesus nimmt seine Jünger mit hinein in dieses Alleinsein. Sie dürfen ihn sehen als den, der er ist, als Sohn des Vaters. Sie erleben, wie der Sohn mit dem Vater redet von Angesicht zu Angesicht, von Du zu Du. Weshalb bitten die Jünger den Herrn, sie ebenso beten zu lehren (Lk 11,1).
Bin ich wichtig?
Die Frage, die Jesus seinen Jüngern stellt, ist die Frage, die die meisten Menschen tagtäglich umtreibt: Wofür halten die Menschen mich? Jesus stellt sie im Hinblick auf sein Sein, sein Messias-Sein und somit auf seine Bedeutung für die Menschen im Hinblick auf die Erlösung und das Reich Gottes. Wir stellen uns die Frage hingegen eher innerweltlich im Sinne von: Bin ich wichtig? Die Antwort, die ich auf die Frage gebe, wer Jesus für mich ist, kann die Bedeutung der Frage, wofür ich gehalten werde, in gutem Maße beeinflussen und relativieren.
Spekulationen und Erwartungen
Antworten gibt es viele: der auferstandene Johannes der Täufer, Elija oder ein anderer Prophet. Es handelt sich dabei nicht nur um Spekulationen, sondern auch um Erwartungen, in denen Jesus als Hoffnungsträger, als der Mann gesehen wird, der Israel aus der Not befreien kann.
Das Bekenntnis von Petrus verrät, wer Jesus in Wirklichkeit ist und als wen Jesus erkannt werden möchte. Petrus erkannte und bekannte, dass Jesus der „Christus Gottes“ ist, um das Reich Gottes auf Erden aufzurichten. Alle Knie werden sich einst vor dem Herrn Jesus beugen (vgl. Phil. 2,10). Jesus ist derjenige, von dem Gott durch seine Propheten immer wieder gesprochen hatte. Jesus ist derjenige, von dem Gott durch seine Propheten immer wieder gesprochen hatte. Er ist nicht nur ein großer Prophet, sondern der Fokus aller Propheten.
Jesus ist der Christus Gottes, nicht der Christus des Volkes. Er wurde nicht von Menschen, sondern von Gott gesalbt. Warum ist das wichtig? Wäre Jesus der Christus des Volkes, dann wäre er ein Christus nach menschlicher Vorstellung. Er wäre tatsächlich ein Brotkönig, ein Problemlöser. Denn nur solch einen würde die Welt zu ihrem Christus salben. Jesus aber ist der Christus Gottes. Er ist der Christus, ganz so wie es Gottes Vorstellung und Gottes Willen entspricht. Als der Christus Gottes ist er nicht einfach nur ein Problemlöser, sondern Retter, Retter aus der Verlorenheit. Als der Christus Gottes ist er nicht einfach nur ein guter Mensch, nur ein moralisches Vorbild für unser Leben, sondern der Herr und Inhalt unseres Lebens
Bzw. mit den Worten von Papst Paul VI.: „Er ist der Lehrer der Menschheit und ihr Erlöser. … Er ist der Mittelpunkt der Geschichte und der Welt; er ist es, der uns kennt und der uns liebt; er ist der Gefährte und Freund unseres Lebens. Er ist der „Mann voller Schmerzen“ (Jes 53,3) und der Hoffnung. ... Er ist unser Hirte, unser Führer, unser Vorbild, unser Trost, unser Bruder.“
Die Frage „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ stellt sich allen, die von Jesus hören. Wir beantworten diese Frage jeden Tag mit dem, was wir glauben und tun.
Papst Franziskus sagte dazu: „Es ist die entscheidende Frage, die Jesus heute auch an uns richtet: Wer bin ich für dich? Wer bin ich für dich, der du den Glauben angenommen hast, aber immer noch Angst hast, auf mein Wort hin aufzubrechen? Wer bin ich für dich, der du schon so lange Christ bist, aber, von der Gewohnheit ermattet, deine erste Liebe verloren hast? Wer bin ich für dich, wenn du eine schwierige Zeit durchmachst und dich aufrütteln musst, um neu anzufangen? Das ist es, was den Herrn interessiert: im Zentrum unserer Gedanken zu stehen, der Bezugspunkt unserer Zuneigung zu werden; kurz gesagt, die Liebe unseres Lebens zu sein.“
Die Liebe unseres Lebens
Daher liefert der Glaube nicht nur irgendeine Information über die Identität Christi, sondern er setzt eine persönliche Beziehung zu ihm voraus, die Zustimmung der ganzen Person mit ihrem Verstand, ihrem Willen und ihren Gefühlen zur Selbstoffenbarung Gottes. Jeder ist in die Entscheidung gerufen, wie Papst Benedikt XVI. sagt: „So spornt die Frage Jesu: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ die Jünger eigentlich dazu an, hinsichtlich der Beziehung zu ihm eine persönliche Entscheidung zu treffen. Glaube und Nachfolge Christi hängen eng zusammen. Und da der Glaube voraussetzt, dass man dem Meister nachfolgt, muss er gefestigt werden und wachsen, tiefer und reifer werden in dem Maße, in dem die Beziehung zu Jesus, die Vertrautheit mit ihm intensiver und stärker wird.“
Schlaraffenland?
Bei seiner Himmelfahrt sendet Jesus seine Jünger in alle Welt, damit sie ihn den Menschen bekannt machen. Jetzt verbietet er, jemand zu erzählen, dass er der Messias ist. Die Gefahr des Missverständnisses wäre zu groß, denn er ist kein Messias, der alle Probleme löst, der uns ins Schlaraffenland führt und all unsere Wünsche erfüllt.
Damit weist Jesu die Jünger darauf hin, dass überzeugende Worte nicht die entscheidende Sache sind, wenn es darum geht, Menschen das Heil Gottes zu bringen. Viel mehr Kraft als unsere Worte hat unser Lebenszeugnis. Denn die Menschen werden in erster Linie sehen, wie die Jünger Jesu leben, wie sie verändert wurden. Darin liegt die wahre Überzeugungskraft. Unsere Worte sollten immer nur eine Bestätigung oder Erläuterung dessen sein, wie wir leben. Als Christen brauchen wir nicht dringend Worte, die evangelisieren, sondern unser Leben sollte ein lebendiges Evangelium sein.
Mit dem Wort „wer mir nachfolgen will“ sagt Jesus, dass keinen unfreien oder gezwungenen Diener will, sondern Freiwillige, die ihm für die Nachfolge danken.
Jeder ist eingeladen, angesprochen
Eingeladen sind alle, jeder ist angesprochen: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.“ Es kommt darauf an, mit Jesus, dem Christus, verbunden zu bleiben und auf diesem Grund ins Vertrauen zu gehen.
Nachfolge geschieht eben, indem wir die Anstrengung auf uns nehmen, hinter Jesus herzugehen und nicht darauf warten, dass ein Zug uns mitnimmt.
Franz von Sales sagt dazu: Wir müssen daran denken, dass wir jeden Tag mit unserem Fortschritt oder unserer Vervollkommnung wieder zu beginnen haben. Man wird niemals fertig damit; man muss immer wieder beginnen und zwar gerne wieder beginnen.
Die Liebe leben
Dazu haben wir täglich Gelegenheit, indem wir für andere da sind, helfen, trösten, Mut machen, zuhören, Zeit schenken, dienen, manchmal andere geduldig ertragen oder auf irgendeine andere Weise die Liebe leben. Sie beginnt schon in Gedanken. Und das Heilige Jahr erinnert ganz klar, daran, dass dieses Denken viel mit Vergebung schenken und Vergebung empfangen zu tun hat.
Bei allem geht es darum, bei Christus zu sein, Jesus zu folgen, weil man da sein will, wo er ist. Es geht nicht um irgendeinen Weg, sondern er ist das Ziel des Weges.
Die Kunst der Gelassenheit
Die Mystiker des Mittelalters empfehlen für diesen Weg die „Kunst der Gelassenheit“, vom Eigenwillen, von Stolz und Egoismus loszulassen, sich dem Willen Gottes zu überlassen, im Willen ganz eins werden mit ihm.
Wer sich auf diesen Glauben einlässt, der wird erfahren, dass er auf dem Boden der Tatsachen steht und der Realität ins Auge schauen kann, der kann sich dem eigenen Leben stellen und dem der Welt – einer Realität, nicht wie man sie gerne hätte, sondern so wie sie eben ist, in aller Gebrochenheit.
In der Nachfolge Jesu gehe ich hinter ihm her, er steht stets er im Vordergrund, das entlastet mich, denn ich muss nicht profilieren, sondern darf mich zurücknehmen; da muss ich für meine Meinung keine Mehrheiten suchen, sondern darf mich dem anvertrauen, der allein genügt (Theresa von Avila).
Die Jünger sollen nicht nur die wahre Natur des Messias erkennen, sondern ihm in seinem Lebensstil folgen.
[ Ja, Jesus, du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes ]
„Auch wir wollen heute mit tiefer Überzeugung ausrufen: Ja, Jesus, du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! Wir tun dies in dem Bewusstsein, dass Christus der wahre »Schatz« ist, für den es sich lohnt, alles zu opfern; er ist der Freund, der uns nie verlässt, da er die tiefsten Sehnsüchte unseres Herzens kennt. Jesus ist der »Sohn des lebendigen Gottes«, der verheißene Messias, der in die Welt gekommen ist, um der Menschheit das Heil anzubieten und den Durst nach Leben und Liebe zu stillen, den jeder Mensch in sich trägt. Welch großen Nutzen würde die Mensch-heit daraus ziehen, nähme sie diese Botschaft auf, die Freude und Frieden mit sich bringt!“ (Benedikt XVI.)
Mit dieser Antwort scheint Zukunft und Hoffnung für Kirche und Welt auf die Frage Jesu auf: Für wen hältst du mich?
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.