Bischof Bätzing zu 80 Jahre Kriegsende: Werte des Evangeliums auch politisch umsetzen
Mit einem ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hatten an diesem Donnerstag Kirchen und staatliche Vertreter des Endes der Naziherrschaft vor 80 Jahren gedacht. Unter dem Leitwort „Herr, vergib“ kamen Klagepsalmen aus der jüdischen Tradition ebenso zu Wort wie die Versöhnungslitanei von Coventry. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sämtlichen Verfassungsorganen der Bundesrepublik Deutschland waren auch Gäste aus Großbritannien, Polen und Österreich anwesend. Unsere Kollegen vom Kölner Domradio erreichten Bischof Bätzing, der den Gottesdienst gemeinsam mit der Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, leitete, am Donnerstag.
Bischof Bätzing, heute ist der 80. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager. Wie blicken Sie auf diesen Tag?
„Ich bin jetzt gerade hier in Berlin. Und als ich gestern Abend spät in die Stadt fuhr, da habe ich gedacht, Wie sah diese Stadt aus am 8. Mai 1945? Vertreibung, Zerstörung, Tod, Elend, Hunger: das waren die Folgen dieses Nationalismus, der Europa in eine Katastrophe gestürzt und Millionen von Menschen das Leben gekostet hat. Und dann ist da die andere Perspektive, die der Dankbarkeit und der Verantwortung. Wir leben hier in Deutschland seit 80 Jahren im Frieden und tragen Verantwortung dafür, dass das auch weiterhin mitten in Europa möglich ist.“
Dankbarkeit und Verantwortung
Dieser 8. Mai ist ein Gedenktag für die Opfer der Nazidiktatur. Er ist aber auch ein Mahnmal für Demokratie und Menschenwürde. Wie wichtig ist das in diesen Zeiten aus Sicht der katholischen Kirche? Welche Aufgabe haben Christinnen und Christen dabei?
„Christinnen und Christen haben sich immer so verstanden, dass sie aus dem Glauben heraus, aus der tiefsten Wurzel des Evangeliums heraus, eine menschliche Gesellschaft mitgestalten wollen. Und das müssen wir heute auch tun. Das ist unsere Aufgabe. Wir sehen ja an den vielen Rändern, wie gefährdet dieser Frieden, dieser Zusammenhalt, diese Freiheit sind: Die Kriege, die überall toben, denen Menschen ausgesetzt sind… Und hier in unserem Land finden zunehmende Polarisierung und Extremismus Anhängerschaft. Wir müssen dafür sorgen, dass die Werte des Evangeliums, Menschlichkeit, Geschwisterlichkeit, die Sorge für Notleidende, dass die wieder einen großen Raum gewinnen und auch politisch umgesetzt werden in unserem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat.
Was können wir aus dem Damals lernen?
„Lernen? Es gibt den Frieden nicht, wenn einer an sich denkt und nur an sich denkt. Nationalismus, so wie er heute auch wieder aufzukommen scheint, ist nicht die Lösung für eine friedvolle Zukunft in Verbindung mit der Völkergemeinschaft, sondern der Blick auf Alle, Mitsorge für alle: wenn alle an alle denken, dann ist an alle gedacht. Das ist ja, glaube ich, das, was Jesus uns vorgelebt hat. Eben nicht an sich selber denken, sondern an alle denken und für alle auch bereit sein, sein Leben zu geben. Das ist großartig.“
Mitten im Konklave
Diese Feierlichkeiten und das heutige Gedenken fällt alles in das laufende Konklave. Noch gibt es kein Ergebnis, noch keinen weißen Rauch. Was wünschen Sie sich als Vorsitzender aller deutscher Bischöfe vom nächsten Papst?
Ja, natürlich wünsche ich mir, dass der Weg, den Papst Franziskus eingeschlagen hat, weitergehen kann, dass Synodalität gestärkt wird. Ich vertraue aber auf die Kraft des Heiligen Geistes, dass der Herr der Kirche denjenigen schenkt, der für diese Zeit wichtig ist und gute Entscheidungen trifft.
Sie setzen sich auch für die Priesterweihe von Frauen in der katholischen Kirche ein. Haben Sie die Vorstellung, so was wird mit dem neuen Papst kommen können?
„Ich weiß nicht, wer der neue Papst wird. Aber die Frage, dass Frauen in der Kirche wirklich zu gleichen Rechten kommen, die steht ja nun in unseren kulturellen Kontexten obenan. Sonst verlieren wir auch noch die Frauen, und die Frauen tragen die Kirche. Das wissen wir doch in allen ihren Ebenen, auf allen Ebenen, in allen Gliederungen. Und es gibt auch theologisch wenig starke Argumente dafür, diesen Ausschluss weiterhin zu begründen.“
Anm. Die Frage von mehr Mitbestimmung durch Laien - und darunter natürlich auch Frauen – wird spätestens seit der mehrteiligen Bischofssynode zur Synodalität auf Ebene des Vatikans und der Weltkirche mit großer Aufmerksamkeit behandelt. Papst Johannes Paul II. hat allerdings eine Frauen-Priesterweihe 1994 in seinem Apostolischen Schreiben namens „ ausgeschlossen.
(domradio/pm - cs)
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