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Dietrich Bonhoeffer Dietrich Bonhoeffer 

Bedford-Strohm: Bonhoeffer als Vorbild für Glauben und Gewissen

An diesem Mittwoch, 9. April, jährt sich zum 80. Mal die Ermordung des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Im Interview mit Radio Horeb spricht Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Zentralausschusses des Weltkirchenrats, über das bleibende Vermächtnis Bonhoeffers – für Kirche, Welt und jeden einzelnen Christenmenschen.

„Von guten Mächten treu und still umgeben“ – so beginnen die wohl bekanntesten Zeilen Dietrich Bonhoeffers, geschrieben im Dezember 1944 in der Todeszelle, gerichtet an seine Verlobte. Der evangelische Theologe war damals bereits wegen Hochverrats inhaftiert. Acht Jahrzehnte später bewegt dieser Text noch immer. Für Heinrich Bedford-Strohm, den Vorsitzenden des Generalausschusses des Weltkirchenrats, ist Bonhoeffer mehr als nur ein historisches Vorbild: „Ich habe diesen Text x-mal gelesen oder gesungen, und jedes Mal bewegt er mich aufs Neue.“

Hier hören Sie das Interview zu Dietrich Bonhoeffer

Was Bonhoeffer so besonders mache, sei seine Fähigkeit, mit Worten sowohl das persönliche Leben als auch die gesellschaftliche Wirklichkeit zu durchdringen. „Er spricht mitten in unsere Zeit hinein – in persönliche Krisen genauso wie in politische Herausforderungen.“

Frühe Berufung, tiefes Denken

Geboren 1906 in einem liberal-akademischen Elternhaus, war Bonhoeffer mit 13 Jahren fest entschlossen, Pfarrer zu werden – sehr zum Erstaunen seiner Umgebung. Früh zeigte sich sein außergewöhnliches Talent: Mit 21 Jahren promovierte er, mit 24 habilitierte er sich. Auslandserfahrungen in Barcelona, London und New York prägten sein theologisches Denken. Als er 1939 erneut nach New York reiste, um sich dem heraufziehenden Krieg zu entziehen, hielt er es nicht aus, fern von Deutschland zu sein, und kehrte zurück. In dem Wissen, dass ihn das Leben kosten könnte, schloss er sich dem Widerstand an.

„Bonhoeffers Theologie atmet eine tiefe Christusbezogenheit.“

Theologie, die in der Wirklichkeit verankert ist

„Bonhoeffers Theologie atmet eine tiefe Christusbezogenheit“, erklärt Bedford-Strohm. Der zentrale Gedanke: Gottes Wirklichkeit kann nur erkannt werden, wenn man sich ganz auf die Welt einlässt. Die Welt sei, so Bonhoeffer, in Christus bereits versöhnt – selbst da, wo sie gottlos erscheine. Daraus folge: Kein Mensch darf aufgegeben werden, kein Unrecht hingenommen.

Diese Haltung ist zutiefst politisch. Bonhoeffer kritisierte die lutherische Zwei-Reiche-Lehre, die das Evangelium aus dem öffentlichen Leben verbannte. Für ihn konnte es keine Trennung zwischen einem „frommen“ Privatleben und einer „weltlichen“ Politik geben. „Er hat sehr deutlich gemacht, dass Kirche sich öffentlich äußern muss – gerade dort, wo Unrecht geschieht“, so Bedford-Strohm.

„Er hat sehr deutlich gemacht, dass Kirche sich öffentlich äußern muss – gerade dort, wo Unrecht geschieht.“

Ein Dreiklang der christlichen Existenz

Für Bedford-Strohm ist Bonhoeffers Leben in drei Worte zu fassen: Beten, das Gerechte tun, warten auf Gottes Zeit. Diese Haltung sei hochaktuell, besonders in einer Welt voller Unsicherheit. „Beten bedeutet bei Bonhoeffer nie Rückzug ins Private, sondern ist immer verbunden mit Einsatz für Humanität und Gerechtigkeit“, betont Bedford-Strohm. Und gerade das Warten – auf Gottes Zeit – sei heute besonders schwer, aber auch besonders wichtig. „Es kommt noch etwas. Gott ist nicht fertig mit dieser Welt.“

Baum in Szczecin
Baum in Szczecin   (ANSA)

Kritik aus Liebe zur Kirche

Bonhoeffer war nicht nur ein scharfer Kritiker der Gleichschaltung der evangelischen Kirche durch die Nationalsozialisten, sondern ging weiter. Er kritisierte auch die Bekennende Kirche, deren Teil er war, für ihre unzureichende Haltung gegenüber der Judenverfolgung. Bereits 1933, nur zwei Wochen nach dem ersten Boykott jüdischer Geschäfte, hielt er seinen Vortrag „Die Kirche vor der Judenfrage“ und forderte, notfalls dem „Rad in die Speichen zu fallen“.

Bedford-Strohm sieht darin einen Maßstab bis heute: „Bonhoeffers Kritik verpflichtet uns zur Selbstprüfung. Wo verraten wir vielleicht Christus, ohne es zu merken?“

Dietrich Bonhoeffer
Dietrich Bonhoeffer

Ökumene als Lebenshaltung

Bonhoeffer war zeitlebens ein leidenschaftlicher Ökumeniker. Bereits als junger Mann engagierte er sich im Weltbund für Freundschaftsarbeit, dem Vorläufer des heutigen Weltkirchenrats. Viele seiner Texte, darunter auch Von guten Mächten wunderbar geborgen, wurden erstmals in Genf veröffentlicht. „Das zeigt, wie sehr die weltweite Kirche schon früh seine Bedeutung erkannt hat“, sagt Bedford-Strohm.

Auch für ihn persönlich sei Bonhoeffer eine zentrale Leitfigur: „Ich wäre nicht Vorsitzender des (Zentralausschusses des) Weltkirchenrats geworden, wenn ich nicht tief davon überzeugt wäre, dass Kirche nur Kirche ist, wenn sie über alle Grenzen hinweg die eine Kirche Jesu Christi lebt.“

Ein letzter Satz, der Hoffnung schenkt

Am 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg auf ausdrücklichen Befehl Hitlers hingerichtet. Seine letzten überlieferten Worte lauteten: „Dies ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“. Für Bedford-Strohm ist dieser Satz „ein tiefes Glaubenszeugnis – über alle Konfessionsgrenzen hinweg“.

Er sei Ausdruck dessen, worum es im Christentum im Kern gehe: „Nicht die Konfession steht im Mittelpunkt, sondern Christus. Christsein heißt, ökumenisch zu leben, auf Hoffnung hin zu glauben und im Namen der Liebe zu handeln – so wie Bonhoeffer es getan hat.“

(radio horeb - mg)

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08. April 2025, 10:11