D: Bistum Würzburg reagiert auf Gutachten zum sexuellen Missbrauch
Bischof Franz Jung erklärte: „Mit der Veröffentlichung des Gutachtens treten wir in eine neue Phase der Aufarbeitung.“ Das von Professor Schneider geleitete Forschungsteam hatte am 8. April ein umfassendes Gutachten über den sexuellen Missbrauch im Bistum vorgelegt.
Erstmals handelt es sich um ein Gutachten, das nicht vom Bistum selbst, sondern von der unabhängigen UKAM beauftragt wurde – auf Grundlage eines mit dem Betroffenenbeirat abgestimmten Forschungsdesigns. „Ich danke den Mitgliedern beider Gremien für ihre aufreibende Arbeit“, betonte der Bischof. Die Ergebnisse seien ein Meilenstein, aber kein Abschluss.
Das Ausmaß des dokumentierten Missbrauchs sei erschütternd. „Das Gutachten identifiziert 51 Beschuldigte – erheblich weniger als die MHG-Studie 2018 –, benennt jedoch 226 Betroffene und 3053 Übergriffe“, so Jung. Besonders bedrückend sei, dass viele Täter über lange Zeiträume hinweg mehrfach aktiv waren. Das Gutachten zeigt zudem klar: Viele dieser Taten hätten verhindert werden können.
„Schuldhafte Versagen“
Der Bischof räumte das „schuldhafte Versagen“ kirchlicher Verantwortungsträger ein. Genannt wurden Einschüchterung von Betroffenen, das Decken von Tätern, Versetzungen statt Sanktionen, gebrochene Zusagen sowie fahrlässiger Umgang mit Akten. „Die Institution hatte Vorrang vor dem Schutz der Kinder“, erklärte Bischof Jung. Dies sei „beschämend und erschütternd zugleich“.
In einer seltenen Geste übernahm auch Bischof emeritus Friedhelm Hofmann Verantwortung für Versäumnisse während seiner Amtszeit (2004–2017). In einer verlesenen Erklärung bat er „ausdrücklich um Entschuldigung“. Ähnlich äußerte sich Heinz Geist, langjähriger Personalchef und Missbrauchsbeauftragter, der in Folge auf seine Mitgliedschaft im Domkapitel verzichtet.
Aktenaufarbeitung seit 2018
Ordinariatsrätin Kathrin Pfeil erläuterte den akribischen Prozess der Aktenaufbereitung seit 2018. Alle Hinweise auf sexualisierte Gewalt seien an staatliche und kirchliche Stellen übermittelt worden – auch solche unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. „Wir konnten einen Aktenbestand schaffen, der den Ansprüchen unabhängiger Aufarbeitung genügt.“
Interventionsbeauftragte Kerstin Schüller betonte die erweiterten Standards der Präventionsarbeit. „Unsere Nulltoleranz-Politik beginnt bei jeder Form sexualisierter Grenzverletzung, auch unterhalb strafrechtlicher Relevanz“, erklärte sie. Man werde allen neuen Hinweisen nachgehen – auch solchen, die sich aus dem Gutachten ergeben.
Bischof Jung stellte klar: „Das Thema sexueller Missbrauch ist mit dem Gutachten nicht abgeschlossen. Es bleibt eine offene Wunde.“ Den Betroffenen sprach er erneut sein Bedauern und seine Entschuldigung aus. Er hob hervor, dass deren mutiges Zeugnis den Prozess der Aufarbeitung überhaupt erst möglich gemacht habe. „Niemand soll allein gelassen werden.“
Zum Abschluss der Pressekonferenz kündigte das Bistum an, künftig konsequent an der Weiterentwicklung von Prävention und Intervention zu arbeiten – „Gemeinsam für eine sichere Kirche“. Das Gutachten sei kein Schlusspunkt, sondern Verpflichtung für die Zukunft.
(pm - mg)
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