Historische Seligsprechung in Tallinn: Was uns Eduard Profittlich heute sagt
Mario Galgano - Vatikanstadt
Estland erlebt an diesem Wochenende ein kirchenhistorisches Ereignis: Mit der Seligsprechung von Eduard Profittlich, dem aus Deutschland stammenden Jesuiten und letzten katholischen Bischof von Tallinn vor der sowjetischen Besatzung, erhält das Land seinen ersten Seligen. Die Feier findet am Samstagvormittag auf dem Freiheitsplatz der Hauptstadt statt, dort, wo 2018 Papst Franziskus eine Messe feierte.
Profittlich, der 1942 im Gefängnis von Kirov starb, gilt vielen Esten als Symbol für Treue und Standhaftigkeit in Zeiten der Unterdrückung. Sein heutiger Nachfolger, Bischof Philippe Jourdan, betonte: ?Er hat das Licht des Glaubens und der Liebe bis zum letzten Augenblick bewahrt.“ Die Feierlichkeiten fallen zusammen mit dem nationalen Gedenken an die 22.601 Menschen, die nach der sowjetischen Invasion von 1940 deportiert wurden – ihre Namen wurden in den vergangenen 24 Stunden ununterbrochen verlesen.
Auch Angehörige erwartet
Die Seligsprechung, deren Verfahren von Papst Franziskus eingeleitet und von Papst Leo XIV. abgeschlossen wurde, wird von Kardinal Christoph Schönborn, dem emeritierten Erzbischof von Wien, geleitet. Neben Gläubigen aus Estland werden auch Angehörige Profittlichs sowie Pilger aus Finnland, Lettland und Deutschland erwartet.
Bischof Jourdan sieht in dem Schritt nicht nur ein Geschenk für die kleine katholische Gemeinschaft von rund 7.000 Gläubigen in Estland, sondern für das ganze Land. ?Ich denke, eine Ortskirche ist noch nicht ganz eine Kirche, solange sie nicht ihren Heiligen oder Seligen hat“, erklärte er. Für ein Land mit starker säkularer Prägung sei die Anerkennung durch Rom zudem ?eine Form der Verwurzelung der Kirche“.
Ökumenische Dimension
Auch die ökumenische Dimension spielt eine Rolle: Am Ende der Messe werden der lutherische Erzbischof Urmas Viilma und der orthodoxe Metropolit Stephanos gemeinsam mit Bischof Jourdan für die Opfer der Deportationen beten. Jourdan berichtete: ?Es war sehr bewegend zu sehen, wie die Lutheraner diese Seligsprechung so annehmen, als wäre sie die ihre.“
Damit wird Eduard Profittlich nicht nur zum ersten Seligen Estlands, sondern auch zu einer Brücke zwischen den Konfessionen – in einem Land, in dem Heilige heute das Potenzial haben, zu einen, was einst trennte.
Hinter diesem Meilenstein stehen jahrelange akribische Recherchen. Die Postulatorin des Verfahrens, die estnische Theologin Marge Paas, hat Radio Horeb von ihrer Arbeit berichtet.
Ein ungewöhnlich schneller Prozess
?Es hat mich insgesamt acht Jahre gekostet“, erklärt Paas. ?Normalerweise dauern Seligsprechungsprozesse zwischen zehn und dreißig Jahren.“ Sie habe Predigten, Schriften, Artikel und persönliche Dokumente Profittlichs gesichtet – bis hin zu Unterlagen seiner Erstkommunion in Deutschland. Auch Gespräche mit Zeitzeugen waren möglich: ?Einige ältere Menschen in Kanada und den USA konnten sich noch an ihn erinnern – als Kinder hatten sie Bischof Profittlich selbst erlebt.“
Zeugnisse der Standhaftigkeit
Besonders eindrücklich sei ein Bericht eines 90-jährigen Mannes aus Kanada gewesen, der während des Zweiten Weltkriegs als Ministrant in Tallinn diente: ?Für ihn war es ein tief bewegender Moment, die Messe mit Bischof Profittlich zu feiern.“
Die Dokumente aus der Zeit der sowjetischen Verhöre bezeugen Profittlichs unerschütterliche Glaubenstreue. ?Die Protokolle zeigen, dass er standhaft blieb, obwohl er stundenlangen nächtlichen Verhören ausgesetzt war“, so Paas. Der Bischof wurde als ?deutscher Spion“ verleumdet, obwohl er längst estnischer Staatsbürger war. Paas betont: ?Er besaß alle Gnaden eines Märtyrers, der bereit ist, sein Leben für Christus hinzugeben.“
Spiritualität und Mission
Profittlich brachte in den 1930er-Jahren die Herz-Jesu-Verehrung nach Estland. Eine Christusstatue, die er aus Deutschland mitbrachte, ist bis heute ein Symbol dieser Frömmigkeit. ?Er zeichnete sich durch Offenheit, Güte und Demut aus. Damit wurde er zum Vorbild für viele Menschen“, sagt Paas. Trotz der geringen Zahl an Katholiken habe er die Kirche in Estland zu einem Ort der Hoffnung gemacht.
Früchte für die Kirche von heute
Die Postulatorin sieht in der Seligsprechung ein Geschenk, das weit über die kleine katholische Gemeinschaft hinausgeht: ?Unsere Kirche in Estland wächst. Wir hatten in diesem Jahr viele Taufen und Erwachsenenkonversionen.“ Bereits seit 2019 hätten Gläubige für den Erfolg des Prozesses gebetet. In Tallinn entstand eine Kapelle zu Ehren Profittlichs, Gebetsgruppen und Publikationen tragen sein geistliches Erbe weiter.
Ein Heiliger für alle
Paas betont die internationale Bedeutung: ?Eine solche Seligsprechung ist nicht nur eine große Gnade für Estland, sondern auch für die universale Kirche.“ Auch in Deutschland, Polen und den baltischen Nachbarstaaten wachse das Interesse an Profittlichs Leben. ?Ich möchte jeden ermutigen, über ihn zu lesen und daraus Kraft zu schöpfen.“
(vatican news/radio horeb)
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