³§¨¹»å²õ³Ü»å²¹²Ô: Ein Bischof zwischen Entmutigung und Hoffnung
Der Italiener, der als Bischof die Diözese Bentiu im Bundesstaat Unity leitet, kann das, was er seit 2005 im Südsudan erlebt, nicht auf eine Kurzformel bringen.
?Die Lage im Südsudan ist nach wie vor sehr schwierig und komplex¡°, sagt er in einem Gespräch mit Radio Vatikan am Rand des Katholikentreffens im norditalienischen Rimini. ?Es ist schwer zu analysieren, weil wir zwar eine Situation des Friedens haben, aber nicht von echtem Frieden. Ich meine damit, dass die Bevölkerung immer noch in Armut lebt, nicht die ihr zustehenden Leistungen erhält und wirklich viel mehr nötig wäre, um Frieden zu erreichen.¡°
2011 wurde der Südsudan unabhängig, nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg. Die Euphorie über die Selbständigkeit hielt nicht lange an, einer der ärmsten Staaten der Welt taumelte 2013 in einen neuen Bürgerkrieg. Dieser ist zwar seit 2018 formell beendet, doch Gewalt und humanitäre Dringlichkeiten gibt es nach wie vor.
Seit der Unabhängigkeit gab es keine Wahlen
?Denken wir nur an die Wahlen, die zunächst im Jahr 2000, dann 2024 stattfinden sollten und dann erneut um zwei Jahre verschoben wurden ¨C es herrscht eine permanente Situation der Unsicherheit in der Regierung und in der politischen Organisation des Landes. Man weiß nicht, ob diese Wahlen stattfinden werden oder nicht, und das führt dazu, dass die Bevölkerung sozusagen das Gefühl für Gerechtigkeit verliert. Denn das Land hat seit seiner Unabhängigkeit noch nie Wahlen abgehalten, sie wurden immer verschoben.¡°
Außerdem reicht es, wie Bischof Carlassare anmerkt, natürlich nicht, Wahlen einfach für irgendeinen Zeitpunkt anzukündigen: Sie müssten auch vorbereitet werden. ?In dem Sinne, dass es Parteien geben muss; es muss Programme geben, und die Menschen müssen darauf eingestellt sein. Das scheint aber nicht der Fall zu sein.¡°
Es war im März 2021, dass der damalige Papst Franziskus Carlassare zum Bischof von Rumbek ernannte. Doch bevor die Weihe erteilt werden konnte, wurde der Comboni-Missionar im April bei einem Attentat schwer verletzt; erst ein knappes Jahr später konnte er dann zum Bischof geweiht werden. Die Hintergründe des Attentats sind bis heute nicht ganz klar. Jedenfalls weiß Carlassare, worauf er sich einlässt bei seinem Dienst im jüngsten Staat der Welt ¨C und einem der am meisten von Gewalt zerrissenen.
Trotz der Wunden wieder aufstehen und für Versöhnung sorgen
?Es bedeutet, nicht nur körperliche, sondern auch seelische Wunden zu tragen. Aber sie mit Hoffnung zu tragen, in dem Sinne, dass wir trotz der Wunden, die wir erleiden, auch wieder aufstehen und Räume finden können, um Versöhnung und Gemeinschaft zu schaffen. Ich denke, dass die Diözese Rumbek eine Verwandlung, eine Bekehrung erlebt hat, gerade auch aufgrund dessen, was geschehen ist, denn keine Gewalt kann toleriert, akzeptiert oder gerechtfertigt werden. Und von dort aus sicherlich auch einen Weg der Geschwisterlichkeit, und das ist derselbe Weg, den auch das Land gehen muss.¡°
Ein Weg, der irgendwie aus der Dauergewalt herausführen sollte. Mehr als 50.000 Menschen sind im neuen Bürgerkrieg bislang ums Leben gekommen, und ungefähr ein Viertel der Bevölkerung musste fliehen. ?Jeder fühlt sich dort als Opfer, aber Opfer von wem? Wenn der Feind außerhalb von uns steht, dann werden wir immer mit dem Finger auf ihn zeigen; aber stattdessen müssen wir einen Weg gehen, auf dem wir verstehen, dass manchmal der gefährlichste Feind der ist, der in uns selbst steckt.¡°
Im Juli letzten Jahres wurde Carlassare von Franziskus versetzt: als Bischof des neu errichteten Bistums Bentiu. Das liegt im Norden des Landes, nicht weit von der Grenze zum Sudan. Kein Wunder, dass geschätzt die Hälfte der 300.000 Einwohner Flüchtlinge und Vertriebene sind. Die Tatsache, dass nahe der Stadt Ölvorkommen im Boden schlummern, weckt Begehrlichkeiten bei Politikern in der Hauptstadt Juba. Ende Juni dieses Jahres schrieb der italienische Bischof von Bentiu eine Art Brandbrief, um an das Gewissen der Menschen im Bistum zu rühren.
Das Narrativ der Vorurteile überwinden
?Es ist ein Aufruf an alle Menschen guten Willens, sich den ernsten Fragen zu stellen, mit denen wir konfrontiert sind. Die Diözese wird sowohl von Dinka als auch von Nuer bewohnt, und es ist bekannt, dass der Dialog (zwischen diesen ethnischen Gruppen) durch die Gewalt der letzten zehn Jahre unterbrochen oder ganz abgebrochen worden ist. Diese Gewalt muss überwunden werden, und deshalb haben wir Wege des Dialogs und der Versöhnung eingeschlagen, aber das reicht nicht: Es sind auch konkrete Entscheidungen erforderlich, die die Bevölkerung dazu bringen, zusammenzuleben, anstatt sich (in feindliche Lager) zu spalten.¡°
Und noch etwas beklagte der Hirtenbrief vom Juni: Die wahllosen Bombardements von Märkten, Krankenhäusern und Schulen. Das habe das Flüchtlingsdrama noch verschärft. Seine Kirche sieht Carlassare als eine Art Labor des friedlichen Zusammenlebens; das sollte, so hofft er, in die Gesellschaft ausstrahlen. ?Die Tatsache, dass wir gemeinsam feiern, dass wir die Jugendlichen zusammenbringen, könnte sowohl für die Kirche als auch für die Regierung zu einem wichtigen Instrument der Befreiung von allen Vorurteilen werden¡ Darum geht es: ein bestimmtes Narrativ zu überwinden. Das Narrativ der Vorurteile¡¡°
Soll bloß keiner denken, diese Probleme im Südsudan gingen ihn nichts an. Nein, sagt Bischof Carlassare, in unserer heutigen vernetzten Welt ist ?jede Realität mit einer anderen verbunden¡°. ?Und man sieht, wie sehr die Wurzeln der Probleme, die in einem Teil der Welt auftreten, auch Auswirkungen auf andere Teile haben. Darum muss man auch verstehen, dass Krisensituationen nicht nur durch den Filter Einwanderung oder Auswanderung verstanden werden dürfen, sondern dass wir wirklich begreifen müssen, wie sehr wir Teil eines gemeinsamen Hauses sind und dass wir die Probleme gemeinsam lösen müssen!¡°
Die Armen haben immer Hoffnung...
Aber genauso deutlich, wie er die Probleme an die Wand malt, warnt der Missionar auch vor Hoffnungslosigkeit. Mit einem überraschenden Hinweis: ?In unseren Augen scheint es keine Hoffnung zu geben, aber das liegt daran, dass wir von einer anderen Vorstellung von der Gesellschaft ausgehen. Was ich jedoch verstanden habe, seit ich im Südsudan lebe, ist, dass die Armen immer Hoffnung haben ¨C und das, obwohl sie unter Bedingungen leben, die wir als unmöglich bezeichnen würden. Ich lebe also mit einer Bevölkerung, die zu 80 Prozent durch den Konflikt und die Überschwemmungen vertrieben wurde und in Armut und ohne Versorgung lebt. Und wenn man sich diese weltpolitische Situation ansieht, könnte man verzweifeln, aber solange es Leben gibt, gibt es Hoffnung, denn der größte Reichtum, den wir haben, sind nicht die Ressourcen, die Konflikte schüren. Die schönsten Ressourcen, die wir haben, sind unser Leben selbst, das Zusammensein, die Solidarität und all das Schöne, das wir gemeinsam erleben können.¡°
Er selbst wache jeden Morgen mit einem Gefühl der Entmutigung auf, gesteht Carlassare. Doch dann gebe er sich einen Ruck und lasse sich auf die Hoffnung ein.
(vatican news ¨C sk)
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