Israel: Ist Apartheid eine zutreffende Beschreibung?
Was hat der Weltkirchenrat Israel genau vorgeworfen?
Es geht um eine Erklärung des Zentralausschusses des Weltkirchenrates, die am 25. Juni veröffentlicht wurde. Wörtlich heißt es dort: ?Wir nehmen das von Israel dem palästinensischen Volk auferlegte System als Apartheid wahr, das gegen das Völkerrecht und das moralische Gewissen verstößt, und prangern es an.“ Die Verfasser fordern die Welt auf, das System beim Namen zu nennen, nämlich Apartheid.
In der Erklärung wird ausdrücklich Südafrika dafür gelobt, vor internationalen Gerichten gegen Israels Politik im Gazastreifen und im Westjordanland vorzugehen.
Das ist mir auch aufgefallen. Die Erklärung wurde ursprünglich auch in Südafrika veröffentlicht. Und natürlich gibt es auch einen Zusammenhang des Begriffs Apartheid und Südafrika. Apartheid, wörtlich Absonderung, ist ja ein Begriff, mit dem die Politik Südafrikas in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts kritisiert wurde.
Enthält die Erklärung des Weltkirchenrates, also des Ökumenischen Rates der Kirchen, auch konkrete Forderungen?
Ja, Forderungen gibt es in dem Text auch. Es wird zum Stopp von Waffenlieferungen, zu Sanktionen und Deinvestition aufgerufen. Die gewählten Begrifflichkeiten haben mich überrascht. Sie entsprechen den Schlüsselworten der BDS-Bewegung. BDS steht für Boykott, Deinvestitionen und Sanktionen. Und diese Bewegung wurde beispielsweise vom Deutschen Bundestag als antisemitisch eingestuft.
Der Vorwurf der Apartheid blieb nicht unwidersprochen. Welche Reaktionen gab es?
Der Jüdische Weltkongress hat reagiert. Das ist die Vertretung der nicht in Israel lebenden Juden. Dachverbände aus 103 Ländern gehören dem Jüdischen Weltkongress an. Dessen Vizepräsident Maram Stern sagte im Magazin ?Die Zeit“, dass auch er entsetzt sei über die große Zahl von Opfern im Gazastreifen. Er erinnerte eben auch daran, dass der Krieg Israel durch den Angriff der Hamas aufgezwungen worden sei, dass Hamas und Hisbollah Israel auslöschen wollten und seit Langem geradezu täglich mit Raketen beschießen. Eine einseitige Schuldzuweisung, wie sie der Begriff Apartheid impliziere, werde der Situation in Nahost nicht gerecht und sei deshalb auch nicht hilfreich.
Die römisch-katholische Kirche arbeitet zwar mit dem Weltkirchenrat zusammen, ist aber nicht Mitglied. Hat sich der Vatikan zum Begriff der Apartheid geäußert?
Ich habe keine Stellungnahme des Vatikans gesehen. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass man hier in Rom den Terminus Apartheid geeignet finden würde. Geäußert hat sich die Evangelische Kirche in Deutschland. Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm meinte, der Begriff Apartheid wecke lediglich starke Emotionen. Dazu sollte man erwähnen, dass aber Heinrich Bedford-Strohm Vorsitzender des Zentralausschusses des Weltkirchenrates ist, der ja die Erklärung mit dem Vorwurf der Apartheid herausgegeben hatte. Die EKD sagte weiter, dass die Kritik an Israel eingebettet sein müsse ?in ein Bewusstsein für die Komplexität der Lage und die besonderen historischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen des Staates Israel“.
Das Kollegengespräch führten wir mit Michael Hermann.
(rv/epd – mch)
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