Ukraine: Karwochen-Beginn unter Bomben
Francesca Sabatinelli und Anne Preckel – Vatikanstadt
Es war ein blutiger Auftakt der Karwoche in Sumy, im Nordosten der Ukraine: Ausgerechnet, als sich gegen zehn Uhr im Herzen der Stadt zahlreiche Gläubige zur Palmsonntagsmesse versammelten, schlugen die zwei ballistischen Raketen ein. Dutzende Menschen, darunter Familien und Kinder, rissen sie mit in den Tod. Fernsehaufnahmen aus dem Ort, der 50 Kilometer von der russischen Grenze liegt, zeigten Leichen auf den Straßen und Feuerwehrleute, die brennende Autos inmitten von Haustrümmern löschten.
Blutiger Auftakt der Karwoche
?Alles, was bleibt, ist, sich dem Herrn zuzuwenden“, kommentierte der apostolische Nuntius in der Ukraine die neue Attacke, die sich vor Hintergrund des seit über drei Jahren andauernden russischen Angriffskrieges ereignete. In der Ukraine werde dieses Jahr parallel nach dem gregorianischen und dem julianischen Kalender Ostern gefeiert, erinnerte Erzbischof Visvaldas Kulbokas. ?Auch in der Stadt Sumy gingen die Menschen am Palmsonntag - wahrscheinlich verschiedener Konfessionen - in ihre Kirchen, um zu beten.“
Mehr als 30 Menschen hätten die beiden Iskander-Raketen am Palmsonntag getötet. Und zwar in dem Moment, ?als sie gerade beten wollten“, umschrieb der Nuntius die grausamen Umstände des Krieges. ?Dies war der Beginn der Karwoche für verschiedene Regionen der Ukraine. Und alles, was bleibt, ist, sich an den Herrn zu wenden, um sich zu verteidigen“, rang Erzbischof Kulbokas um Worte. ?Denn es scheint, dass keine andere Kraft in der Lage ist, Frieden und Leben zu schützen. Möge der Herr uns gnädig sein.“
Angriff sorgte international für Entsetzen
Der Angriff fand kurz nach einem Besuch des US-Sondergesandten Steve Witkoff in Russland statt, der mit Präsident Wladimir Putin über den Ukraine-Krieg gesprochen hatte. In der Ukraine und international sorgte die Attacke vom Palmsonntag für Entsetzen. Politiker weltweit verurteilten den Raketenangriff scharf; der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte eine internationale Reaktion auf den Angriff.
Auch ukrainische Kirchenführer zeigten sich entsetzt. Das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epiphanius, sprach am Sonntag in Sozialen Medien von einer ?satanischen Tat“, die das ?russische Reich des Bösen“ begangen habe. ?Möge der Herr den Seelen der Toten Ruhe geben“, schrieb der bekannteste Geistliche des Landes. Metropolit Epiphanius mahnte, die führenden Politiker der Welt müssten begreifen, dass der russische Staat ein Terrorist und Mörder sei, ?der die ganze Welt als Geisel hält“. Nur konsequenter und beharrlicher Widerstand könne Russland stoppen. Der Geistliche führt die autokephale (eigenständige) Orthodoxe Kirche der Ukraine seit der Gründung 2018. Zu ihr bekennen sich laut einer Umfrage 42 Prozent der Bevölkerung.
Kiews griechisch-katholischer Großerzbischof, Swjatoslaw Schewtschuk, warf Russland ein ?Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor. Wie Erzbischof Kulbokas ging auch Schewtschuk darauf ein, dass orthodoxe und katholische Christen am Sonntag Palmsonntag begingen: ?Wenn die Ukrainer den Feiertag des Lebens feiern, will der Feind ihnen seinen Feiertag des Todes aufzwingen.“ Russland und die Ukraine sind beides orthodox geprägte Länder.
Friedensbemühungen des Vatikans
Papst Franziskus erneuerte am Sonntag seinen Friedensaufruf für die Ukraine: ?Möge endlich Frieden einkehren in die zerrissene Ukraine", rief er in einem vom Vatikan am Sonntag verbreiteten Text auf. Franziskus hat regelmäßig zu einer Befriedung des Konfliktes und zu Dialog gemahnt und dazu auch einen Friedensdiplomaten nach Moskau, Kyiv, Washington und Peking geschickt. Der Vatikan setzt sich zudem humanitär für die Linderung der Kriegsnot ein.
?Gezielte Angriffe auf Zivilisten“
Die USA, Frankreich und Deutschland warfen Moskau nach der Attacke vom Palmsonntag gezielte Angriffe auf Zivilisten vor. Der russische Angriff auf zivile Ziele in Sumy habe ?jede Grenze des Anstands überschritten“, reagierte der US-Sondergesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, im Onlinedienst X.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wertete die Attacke als Beleg dafür, dass Russland seine Verachtung für das Völkerrecht und die diplomatischen Bemühungen von US-Präsident Donald Trump zeige.
Die geschäftsführende deutsche Außenministerin Annalena Baerbock schrieb auf der Plattform X, der Angriff zeige einmal mehr, dass Putin keinen Frieden anstrebe, sondern Zerstörung: ?Mitten in Europa bombardiert er Zivilisten“, so Baerbock. Deutschland stehe fest an der Seite der Ukraine, betonte sie.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hob hervor, Europa werde den Druck auf Russland weiter aufrechterhalten. ?Diese neuerliche Eskalation ist eine düstere Mahnung: Russland war und ist der Aggressor in offensichtlicher Missachtung des Völkerrechts“, schrieb sie auf X.
Die Reaktion des Nuntius Kulbokas holte Francesca Sabatinelli (Vatican News) ein.
(vatican news/kna – pr)
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