Ukraine: Erster Direktor für P?pstliche Missionswerke ernannt
Taras Kotsur - Vatikanstadt
Die Entscheidung, die Nationale Direktion der Päpstlichen Missionswerke (POM) in der Ukraine einzurichten, geht auf eine Initiative der Lateinischen Bischofskonferenz in der Ukraine zurück, die bei einem Treffen im vergangenen Herbst zustande kam. P. Bovio, der seit 2008 in Polen tätig ist, ist mit der Situation in der Ukraine vertraut; schließlich hat er das Land seit Beginn des Krieges dutzende Male besucht, um humanitäre Hilfe zu bringen. Der Geistliche sprach mit den Vatikanmedien, kurz bevor er in die Ukraine reiste, um die Arbeit der nationalen Direktion der Päpstlichen Missionswerke aufzunehmen.
Vatican News: Trotz des Krieges nimmt eine neue kirchliche Realität in der Ukraine Gestalt an. Worum handelt es sich dabei und woraus besteht sie?
P. Luca Bovio: ?Die Päpstlichen Missionswerke sind eine Einrichtung, die direkt vom Dikasterium für Evangelisierung abhängt - dem Dikasterium, das für die Mission in der ganzen Welt zuständig ist. Die Päpstlichen Missionswerke gibt es in vielen Ländern, und vor ein paar Tagen wurden sie auch in der Ukraine gegründet, wo sie vorher nicht existierten. Dies geschah in erster Linie, weil die Ortskirche in der Ukraine, insbesondere die lateinischen Bischöfe, den Wunsch äußerten, diese Direktion einzurichten. Der Hauptzweck ist, so würde ich sagen, formativ. Es geht darum, das Volk Gottes für die Mission zu formen. Alle Getauften sind aufgerufen, in ihrem Leben Zeugnis für den auferstandenen Herrn zu geben, wo immer sie leben. Und ich glaube, dass in dem historischen und schwierigen Moment, den das Land aufgrund des Krieges erlebt, auch für die Ukraine die missionarische Erweckung des Volkes Gottes sehr wichtig ist.“
Vatican News: Sie haben von der Bedeutung des Zeugnisses des auferstandenen Christus für die Welt gesprochen. In dieser Zeit können wir sagen, dass die ukrainische Kirche Zeugnis für den leidenden Christus ablegt...
P. Luca Bovio: ?Das ist so, und die Leiden des ukrainischen Volkes gehen mir sehr nahe, weil ich sie mit meinen eigenen Händen berühre. Seit dem Ausbruch des Krieges bin ich viele Male in die Ukraine gereist. Ich bin Italiener, aber seit 17 Jahren arbeite ich in Polen, bei den Päpstlichen Missionswerken in Polen. Ich bin also sehr vertraut mit diesem Dienst, ebenso wie mir das Leid dieses Volkes sehr nahe ist. Wenn wir als Christen davon sprechen, Kirche zu sein, dann wissen wir, dass unser Glaube gerade auf dem Tod, dem Leiden und der Auferstehung Christi beruht. Von diesen Aspekten können wir uns nicht lösen. Ein Christ kann sich nicht nur auf den Tod und das Leiden konzentrieren und dabei die Auferstehung vergessen, aber er kann auch nicht nur auf die Auferstehung fixiert sein und dabei den Weg des Kreuzes vergessen. Dies sind eng miteinander verbundene Aspekte, die auch intensiv gelebt werden müssen.
Im Kontext des ukrainischen Krieges ist es ein bisschen wie der Aufstieg zum Kalvarienberg. Aber dieser Aufstieg zum Kalvarienberg darf nie das Licht der Auferstehung, die Hoffnung auf Auferstehung verlieren. Jedes Leid, jede Tragödie, auch die größten, auch die, die uns persönlich betreffen, haben im Tod Christi noch einen Sinn. Und so bete ich, dass diese Hoffnung tatsächlich die Hoffnung aller Christen ist, die in dieser Zeit in der Ukraine leben, dass sie - in ihren Schwierigkeiten, in der Müdigkeit, so viele schwierige Situationen zu akzeptieren - Hoffnung im Glauben an Jesus finden. Und auch, dass dieser Glaube uns irgendwie die Kraft gibt, selbst Träger der Hoffnung zu werden. Mit Gottes Gnade ist dies möglich, und ich glaube, dass dies eine zutiefst missionarische Realität ist.“
Vatican News: Könnte die Hoffnung, das zentrale Thema des Heiligen Jahres, ein Schlüsselelement des missionarischen Angebots der Kirche in der Ukraine werden?
P. Luca Bovio: ?Sicherlich. Das Jubiläumsjahr mit seinem Thema ,Pilger der Hoffnung‘ erinnert uns zuallererst daran, dass unser Leben eine Pilgerreise ist. Es ist nicht nur eine Pilgerreise, um wichtige Basiliken in Rom oder in unseren Diözesen zu besuchen. Es ist eine Pilgerreise, die unser ganzes Leben umfasst und die mit der Begegnung mit dem Herrn enden wird. Die Hoffnung gibt dann unserem irdischen Leben einen Sinn, tröstet uns, drängt uns, einander zu helfen. Aber sie eröffnet uns auch jene unermessliche Perspektive, die unser irdisches Leben übersteigt und uns den Zugang zum ewigen Leben eröffnet. Ich glaube, das ist ein Thema, das dem ukrainischen Volk zutiefst am Herzen liegt.“
Vatican News: Bei Ihrem jüngsten Besuch in der Ukraine zum Heiligen Jahr - bei Ihren Begegnungen mit den Pfarrern, die in den gefährlichsten Gebieten arbeiten, und mit den Menschen an der Front - haben Sie wahrscheinlich auch viel Kriegsmüdigkeit gesehen. Wie kann man verhindern, dass die Verzweiflung die Hoffnung überwiegt?
P. Luca Bovio: ?Ja, auf diesen Reisen treffe ich wirklich viele Menschen, Gemeinden, Pfarrer. Und das erste, was ich sagen muss, ist, dass ich ihre Stärke, ihren Mut und ihre Geduld bewundere, die sie an den Tag legen. Denn es ist sehr schwer, unter diesen Bedingungen zu leben. Und ich bewundere sie wirklich für ihr Zeugnis, für das, was sie uns mitteilen, und auch wir versuchen auf unsere eigene kleine Weise, ihnen eine Hoffnung zu geben, die aus Gebet, aus Zuhören und Trost besteht, aber auch aus konkreter Hilfe, die wir immer versuchen, irgendwie dorthin zu bringen, wo die Not am größten ist - und davon gibt es leider viele in der Ukraine. Wenn wir einerseits eine gewisse allgemeine Müdigkeit in der weiteren Hilfeleistung feststellen - denn leider, das wissen wir, ist dies nicht der einzige Konflikt -, so ist dies gleichzeitig auch ein Grund für uns, nicht müde zu werden. Wir müssen immer ein offenes Herz haben und haben als Zeugen die Aufgabe, andere auf diese Dringlichkeit hinzuweisen. Zum Glück gibt es noch Menschen guten Willens, die sich gerade in dieser Fastenzeit verpflichtet fühlen, zu helfen. Ich glaube, dass es auf diesen Reisen sicherlich wichtig ist, Hilfe zu bringen, aber auch vielen anderen Menschen klar zu machen, dass auch sie etwas tun können. Für viele ist es wichtig, Hilfe zu bekommen, aber es ist auch wichtig, sich selbst darüber klar zu werden, dass auch ich auf meine eigene kleine Art und Weise etwas für andere geben kann. Es kann mein Gebet sein, es kann eine konkrete Geste sein, aber es ist dieser Austausch, der wahre christliche Gemeinschaften entstehen lässt. Geben und Nehmen. Ich glaube, dass wir auch unter uns immer besser lernen sollten, geschwisterliche Beziehungen auf diese Weise zu gestalten.“
Vatican News: Der Aspekt der gegenseitigen Solidarität ist in den Aktivitäten der Päpstlichen Missionswerke offensichtlich. So bleibt nur zu hoffen, dass auch diese entstehende Realität in der Ukraine ein weiterer Mosaikstein in diesem Mosaik der christlichen Geschwisterlichkeit, der gegenseitigen Unterstützung, sowohl materiell als auch geistlich, wird…
P. Luca Bovio: ?Genau, und die Hoffnung ist - und das ist die Arbeit, die wir versuchen werden -, dass sich die ukrainische Kirche in erster Linie als Teil der Weltkirche fühlt, als ein wichtiger Teil. Deshalb müssen wir Bande der christlichen Geschwisterlichkeit und der gegenseitigen Nächstenliebe schaffen. Es ist klar, dass die Ukraine Hilfe braucht, und wir werden sie auch weiterhin anbieten, aber wir möchten auch zeigen, dass die Kirche in der Ukraine auch anderen etwas geben kann. Sie wird etwas geben in Form von Gebet, sie wird etwas geben in der Art und Weise, wie es ihm Rahmen der Nächstenliebe möglich ist. Und ich bin überzeugt, dass wir in diesem Austausch die Schönheit des Kircheseins, katholisch und damit universell, erleben. Christus hat sein Leben für alle Menschen aller Ethnien und Kulturen hingegeben, und wir sind aufgerufen, dieselbe umfassende Vision der Kirche zu haben. Um dies zu tun, müssen wir uns zunächst von dieser Realität überzeugen, die so tiefgreifend und gleichzeitig so schön und faszinierend ist.“
(vatican news - cs)
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