Ukraine: Zivilbev?lkerung zwischen Angst, Verlust und Solidarit?t
Mario Galgano und Linda Bordoni - Vatikanstadt
Russland und die Ukraine haben nach dreitägigen Friedensgesprächen in Saudi-Arabien einer Waffenruhe im Schwarzen Meer zugestimmt: Diese Nachricht hat neue Hoffnung geweckt, dass ein erster Schritt in Richtung Frieden möglich sein könnte. Doch während diplomatische Verhandlungen laufen, bleibt die Realität in der Ukraine weiterhin von Leid, Angst und Entbehrung geprägt.
Krieg im Alltag: Verlust, Angst und Unsicherheit
Danielle Vella vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) hat kürzlich die West- und Südwestregionen der Ukraine bereist. Obwohl Lviv, Czernowitz und Transkarpatien nicht direkt an der Front liegen, sei der Krieg allgegenwärtig, sagt sie gegenüber Radio Vatikan und erläutert: ?Bischof Theodor Matsapula brachte es auf den Punkt: ?Als Teil des ukrainischen Volkes fühlen wir den Schmerz der Familien und Gemeinden, die ihre Angehörigen verloren haben. Wir haben fast täglich Beerdigungen von Soldaten in unseren Kirchen.‘“
Überall würden Bilder, Gedenkstätten und Friedhöfe an die Toten erinnern. ?Es ist seltsam, einen Krieg zu betrauern, der noch andauert“, sagt Vella. Neben der Trauer gibt es eine allgegenwärtige Angst: Männer fürchten sich davor, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden, während Millionen Menschen ihre Heimat verlassen haben – entweder um sich dem Militärdienst zu entziehen oder um Schutz zu suchen.
Besonders schwer wiegt die Trennung der Familien. ?Eine Caritas-Mitarbeiterin sagte mir: ?Es ist, als wäre in jeder Familie eine Bombe explodiert.‘ Ehemänner, Väter und Söhne sind an der Front, auf der Flucht oder in Sicherheit – während die Frauen zurückbleiben und ihre Familien mit ungewisser Zukunft versorgen.“
3,7 Millionen Vertriebene und die Rolle der Kirche
Mit 3,7 Millionen Binnenvertriebenen steht die Ukraine vor einer gewaltigen Herausforderung. In Transkarpatien, einer der sichereren Regionen, ist jeder vierte Einwohner ein Flüchtling. ?Diese Zahlen sind vergleichbar mit Ländern wie dem Libanon, der weltweit die meisten Geflüchteten pro Kopf aufnimmt“, erklärt Vella.
Trotz aller Not bleibt die Kirche ein Zufluchtsort für die Menschen. Sie bietet nicht nur materielle Hilfe, sondern auch psychologische und spirituelle Unterstützung. Projekte wie das von den Jesuiten betriebene Zentrum Space of Hope helfen den Angehörigen von Soldaten. Caritas und JRS betreiben Notunterkünfte, Suppenküchen und Bildungsangebote. ?In einem JRS-Schutzhaus in Lviv können Mütter, Großmütter und Kinder endlich einmal aufatmen, bevor sie sich dem schwierigen Alltag stellen müssen“, so Vella.
Nachlassende internationale Unterstützung
Während der Krieg weitergeht, schwindet die internationale Hilfe. Hilfsorganisationen warnen vor ?Spendenmüdigkeit“. ?Dabei wird die humanitäre Krise nicht mit dem Krieg enden – sie könnte sogar noch schlimmer werden“, betont Vella.
Hoffnung in der Dunkelheit
Trotz aller Schwierigkeiten gibt es Zeichen der Hoffnung. ?Die Menschen selbst sind die größte Quelle der Hoffnung“, sagt Vella. Sie erzählt von Pater Mykhajlo, einem ukrainischen Jesuiten, der das ganze Land bereist, um Seelsorge zu leisten. Sein Glaube gibt ihm die Kraft, auch an die Front zu gehen.
Dann ist da Ludmilla, eine Mutter, die durch den Krieg ihr Zuhause und zuvor bereits ihren Mann an den Krebs verloren hat. Ihr Sohn braucht dringend Operationen, doch sie gibt nicht auf. ??Solange man lebt, ist es nicht das Ende‘, sagte sie mir.“
Ein Aufruf zur Solidarität
Die Menschen in der Ukraine sehnten sich nach Frieden – einem Frieden, der gerecht und dauerhaft sei. Sie hofften, ihr Land nach dem Krieg wieder aufbauen zu können, dass Geflüchtete zurückkehren und dass sie nicht gezwungen sein werden, ihre Ressourcen aufzugeben. Doch sie wüssten auch: Sie können es nicht allein schaffen. ?Sie hoffen, dass die Welt mit ihnen hofft“, sagt Vella. ?Dass die Welt in Solidarität mit ihnen steht. Diese Unterstützung ist entscheidend“, so Vella.
(vatican news)
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