Sudan: Armee gewinnt Stellungen zurück, Not h?lt an
Giada Aquilino und Christine Seuss – Vatikanstadt
Ein erbitterter und blutiger Kampf: So wird das Gefecht der letzten Stunden in Khartum zwischen der sudanesischen Armee und den Paramilitärs der Rapid Support Forces (RSF) beschrieben. Sie bekämpfen sich seit dem 15. April 2023. Die Truppen von General Abdel Fattah al-Burhan und die von General Mohamed Hamdan Dagalo geführten Milizen stehen sich gegenüber – ohne Rücksicht auf Verluste und Leid in den Reihen der Zivilbevölkerung.
Präsidenten-Palast zurückerobert
Am Freitag hatte die sudanesische Armee bekanntgegeben, dass sie den Präsidentenpalast in der Hauptstadt zurückerobert hat, der sich seit Ausbruch des Konflikts in den Händen der Paramilitärs befunden hatte. ?Wir Diaspora-Sudanesen sind sehr glücklich darüber“, sagt Adam Nor Mohammed, Sprecher der sudanesischen Flüchtlingsgemeinschaft in Italien, gegenüber Radio Vatikan.
?Denn RSF ist, wie wir wissen, eine Milizentruppe, die das sudanesische Volk terrorisiert und foltert, und nur die sudanesische Armee ist in der Lage, das Volk und das Land zu verteidigen und zu schützen. Deshalb ist das eine gute Nachricht für uns“, sagt er. Allerdings seien bei den Kampfhandlungen drei Journalisten des sudanesischen Staatsfernsehens getötet worden, berichten Medien. Neben dem Präsidentenpalast hätte die Armee noch ein weiteres wichtiges Gebäude, den Sitz der Zentralbank, eingenommen – auch diese Nachricht begrüßten die Exilsudanesen.
Drohende Teilung des Landes
Dem Vormarsch der Armee in Khartum steht mittlerweile eine Konsolidierung der Paramilitärs der RSF im Westen gegenüber, wobei al-Burhans Kräfte mehr Gebiete im Norden und Osten kontrollieren und die Paramilitärs - die wiederholt eine Parallelregierung in Gebieten unter ihrem Einfluss angekündigt haben - in der westlichen Region Darfur und in Teilen des Südens präsenter sind, was eine faktische Teilung des Landes andeutet. ?Wir akzeptieren eine Teilung des Sudan nicht, das wäre ein großes Leid, denn wir sind bereits 2011 geteilt worden mit der Abtrennung Südsudans und auch deswegen leiden wir als sudanesisches Volk“, unterstreicht Adam Nor Mohammed entschieden.
?Jünst haben die Paramilitärs der RSF eine Mini-Regierung gebildet, die wir als Sudanesen und als Diaspora nicht anerkennen. Es stimmt jedoch, dass diese Milizen in der Region Darfur sehr präsent sind: Diese Woche haben sie einen schweren Angriff mit 700 Autos und Fahrzeugen in Malha in Nord-Darfur gestartet, der letzten Stadt in der Wüste zwischen Libyen und Sudan. Sie haben Hunderte von Zivilisten abgeschlachtet, aber der sudanesischen Armee ist es gelungen, sie zurückzuschlagen“.
Größte humanitäre Krise der Welt
In den mittlerweile zwei Jahren der Kriegshandlungen - die ausbrachen, während das Land versuchte, nach der Absetzung von Omar al-Bashir im Jahr 2019 einen mühsamen Übergang zu einer demokratischen Regierung zu schaffen - hat der Konflikt Zehntausende von Todesopfern gefordert, deren Zahl aufgrund der großen Unsicherheit schwer zu bestimmen und zu überprüfen ist. Mehr als zwölf Millionen Menschen sind Binnenvertriebene und mehr als drei Millionen sind Flüchtlinge in den Nachbarländern, vor allem im Tschad, in Ägypten und im Südsudan.
Die UNO hat die Situation im Sudan als die größte humanitäre Krise der Welt bezeichnet. Schätzungen rechnen mit rund zwei Millionen Menschen, die von extremer Ernährungsunsicherheit betroffen sind: 320.000 leiden bereits an lebensbedrohlichem Hunger. ?Man lebt sehr schlecht“, berichtet der Aktivist, der seit mehr als 20 Jahren in Italien lebt und heute Student, Kulturvermittler und Erzieher in einem Heim für unbegleitete ausländische Minderjährige ist. ?Ich komme ursprünglich aus El Geneina, im Westen Darfurs, an der Grenze zum Tschad, und meine Mutter ist in einem Flüchtlingslager im Tschad. Die Situation ist unmenschlich, es gibt so viel Leid. Auch im Tschad wurde vor einigen Tagen ein Flüchtlingslager angegriffen, ebenso wie das Lager Zamzam in Nord-Darfur, wo es an Lebensmitteln und Wasser mangelt: Wir wissen, dass diese Milizen nicht einmal humanitäre Hilfe durchlassen, die Lage ist also wirklich schrecklich, eine dramatische humanitäre Situation. Ältere Menschen, Kinder, Frauen sind besonders in Gefahr, und es mangelt an Medikamenten und Behandlungsmöglichkeiten, denn es gibt sie einfach nicht“, so der dramatische Bericht des in Italien lebenden Sudanesen, der zwar in relativer Sicherheit lebt, aber das Leid der in der Region verbliebenen Menschen auf der eigenen Haut spürt und versucht, vom Ausland aus dagegen anzugehen.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Beide Kriegsparteien werden beschuldigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben, die RSF auch wegen Völkermordes. Sowohl die Armee als auch die Paramilitärs streiten die Anschuldigungen ab, während weiterhin Waffen in das Land fließen, und zwar in einem Geflecht internationaler Allianzen - Analysten sprechen von Russland, Iran, arabischen Ländern - mit jeder der Kriegsparteien. Erst Anfang März hat die Regierung des Sudan auch die Vereinten Arabischen Emirate wegen Beihilfe zum Völkermord vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt, weil sie angeblich Waffen an die RSF lieferten. ?Sogar in einigen Hilfslieferungen wurden Waffen gefunden, es gibt Dokumente, die das beweisen“, sagt uns der Aktivist. ?Zuerst kamen diese Waffen, die mit sudanesischem Gold bezahlt wurden, im Tschad an und gelangten von dort nach West-Darfur, jetzt kommen sie von der südsudanesischen Seite.“
Auch deshalb kommt es zunehmend vor, dass humanitäre Lieferungen von den Bewaffneten beider Seiten abgefangen und geplündert beziehungsweise nicht an den Bestimmungsort weitergeleitet werden. Auf diese besorgniserregende Tatsache hatte jüngst unter anderem das Kinderhilfswerk UNICEF hingewiesen.
Internationale Gemeinschaft muss hinsehen
In diesem Zusammenhang appelliert die sudanesische Flüchtlingsgemeinschaft in Italien vor allem an die Internationale Gemeinschaft, aufmerksam zu bleiben für die Situation in ihrem Land. Auch in seinem für den Angelus am vergangenen Sonntag vorbereiteten Text hat Papst Franziskus zum wiederholten Mal dazu aufgerufen, weiterhin ?für den Frieden“ im Sudan zu beten. ?Das ist für uns wirklich sehr wichtig, ich verfolge immer, was der Papst dazu sagt. Wir werben immer dafür, dass die internationale Aufmerksamkeit nicht nachlässt, denn an sich ist der Sudan für Italien und auch für ganz Europa ein wichtiges Land “, unterstreicht auch unser Gesprächspartner. ?Der Sudan war dreißig Jahre lang abgekapselt, als al-Bashir an der Macht war, doch auch jetzt wird leider kaum darüber gesprochen“.
(vatican news)
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