Extra omnes. Alle raus.
Paolo Ruffini - Vatikanstadt
Diener. Diener eines einzigen Volkes, dem Petrus angehörte und dem er weiterhin angehören wird, auch nachdem er berufen wurde, dieses Volk zu leiten.
Diener. Hier liegt das Geheimnis. Wie kann ein Diener an der Spitze eines Volkes stehen? An der Spitze einer Kirche?
Eine Frage, auf die Jesus mit Worten antwortete, die wir bis heute nur schwer verstehen: ?Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10, 42-45).
Dienen als Paradox
Dienen also. Dazu sind die Nachfolger Petri berufen, um die Kirche zu führen. Und dieses Paradoxon verwirrt. Es verwirrt sowohl die Medien als auch die vielen Machtzentren in der Welt, große wie kleine, während sie sich den Kopf darüber zerbrechen, wer der Auserwählte sein könnte und welchen Namen er sich geben wird. Und vielleicht versuchen sie sogar, die Entscheidung zu beeinflussen, indem sie Szenarien und Lesarten entwerfen, die wie in Sand geschrieben erscheinen.
Extra omnes. Diese Regel durchbricht die Schwebe zwischen Schon und Noch-nicht. Auch die Kardinäle (das Volk Gottes, das auf seinen Hirten wartet, weiß es, glaubt es, erbittet es) sind aufgerufen, in das Geheimnis einzutreten. Und sie müssen dabei nicht nur alle, sondern auch alles hinter sich lassen, wenn sie die Sixtinische Kapelle betreten: sich selbst, ihre Gedanken, ihre Erwägungen. Sie müssen sich innerlich entleeren, um nur Raum zu schaffen für den Heiligen Geist, für eine Kraft, die über sie hinausgeht, und für das Geheimnis Petri.
Geheimnis und Gewissheit
Denn Petrus ist genau das: Ein Geheimnis, das uns eine Gewissheit gibt.
Petrus ist der Fischer, dem Jesus zusagte, dass das Böse nicht siegen werde: ?Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ (Mt 16,18)
Er ist der Apostel, für den der Sohn Gottes mit besonderem Nachdruck zum Vater betete, als er ihm seine Kirche anvertraute. Damit Gott ihn stärke, um eine Last zu tragen, die sonst allein zu schwer wäre.
Petrus ist von diesem Gebet getragen, von dem Gebet, das durch die Zeit und Geschichte zu seinen Nachfolgern gelangte und so bis zu uns heute reicht. Ein besonderes, ganz konkretes Gebet: dass der Glaube nie verlösche angesichts der Prüfungen, die kommen sollten – so verschieden und doch so ähnlich wie jene unserer Zeit. Säkularisiert, gespalten, polarisiert, verwirrt, verbittert, voll von Machtverlangen und arm an Liebe, unfähig, den Wert des Dienens und des Gemeinwohls zu verstehen, voll von brüchigen Sicherheiten und falschen Wahrheiten, mehr getränkt von Groll als von Barmherzigkeit, so oft auf Vergeltung aus als auf Vergebung. ?Simon, Simon, siehe, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du wieder umgekehrt bist, dann stärke deine Brüder!“ (Lk 22,31–32)
Geheimnis der Barmherzigkeit und Liebe
Petrus ist ein Geheimnis der Barmherzigkeit und der Liebe, der Gemeinschaft und des Hörens. Ein Fischer, der sich verrechnet; der die ganze Nacht über auf dem See ist und nichts fängt; der dann auf das Wort eines Fremden hin die Netze auf der anderen Seite auswirft – und schließlich erkennt, dass jener, der zu ihm spricht, sein Meister ist.
Petrus ist ein Sünder, dem vergeben wurde. Er ist der Erwählte, der – bevor er sich freuen konnte – bitterlich geweint hat, nachdem er verleugnet hatte. Wie Judas. Doch Petrus weint. Er hat wirklich geweint.
In seinen Tränen liegt das ganze Geheimnis. Und darin liegt auch das Geheimnis der Kirche. Diese Tränen sind vielleicht die Schlüssel zum Reich. Es sind die Schlüssel Petri – und das Herz seines Geheimnisses: eine machtvolle Zerbrechlichkeit, gerade weil sie nicht aus sich selbst heraus leuchtet. Ein Fels – obwohl er es nicht war. Und eben deshalb kann er uns alle im Glauben stärken.
Paolo Ruffini ist der frühere Präfekt der vatikanischen Medienbehörde, zu der auch Vatican News gehört.
(vatican news - bp)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, k?nnen Sie hier unseren Newsletter bestellen.