Fastenpredigt: Auferstehung bedeutet Neubeginn, nicht Rache
Mario Galgano - Vatikanstadt
Pater Pasolini begann seine Predigt im Vatikan mit dem Hinweis auf den symbolischen Akt des Durchschreitens der Heiligen Pforte im Heiligen Jahr. Dieser Akt drücke den Wunsch aus, die Sünde hinter sich zu lassen und das Leben Christi zu ergreifen, das eine offene Tür zur Hoffnung und zum Heil sei. Die vorangegangenen Meditationen der Fastenzeit hätten bereits gezeigt, dass die enge Verbindung zu Christus das Erlernen des ?Schwimmens in den Wassern unserer Taufe“ erfordere, indem wir unsere Handlungen dem Rhythmus des Evangeliums anpassten. Die Bereitschaft, den inneren Eingebungen des Geistes zu folgen, führe dazu, dass wir fähig würden, den anderen frei und in Übereinstimmung mit der Liebe Gottes in den Mittelpunkt zu stellen.
Der inspirierendste Moment im Leben Christi für den Weg der Nachfolge sei zweifellos seine Auferstehung. Die Betrachtung dieses entscheidenden und geheimnisvollen Ereignisses des christologischen Heilsgeschehens könne das nötige Licht spenden, um die eigenen Schritte richtig auszurichten, ohne falsche oder idealisierte Erwartungen an das zu hegen, was der Wille Gottes für uns bereithalte. Die Auferstehung zu betrachten bedeute, sich nicht von der Angst vor Leid und Tod überwältigen zu lassen, sondern den Blick fest auf das Ziel zu richten, zu dem die Liebe Christi uns führe. Das Durchschreiten Christi, der Tür zur Fülle des Lebens, erfordere einen wertvollen Verzicht: die Überzeugung aufzugeben, dass es unmöglich sei, sich von Misserfolgen und Niederlagen mit einem vertrauensvollen Herzen zu erheben, bereit, neu zu beginnen und sich anderen wieder zu öffnen – besonders denen, die uns verletzt haben, aber die Verbindung nicht zerbrechen konnten.
Nicht verbittert sein, sondern sich erheben
Die größte Überraschung in den Evangelien sei nicht so sehr die Tatsache, dass ein Mensch – der Sohn Gottes – von den Toten auferstanden ist, sondern die Art und Weise, wie er es gewählt hat. Er habe uns ein wunderbares Zeugnis hinterlassen, wie die Liebe fähig ist, sich nach einer großen Niederlage wieder aufzurichten, um ihren unaufhaltsamen Weg fortzusetzen. Pater Pasolini stellte fest, dass wir nach erlittenem Leid oft Rachegedanken hegen. Jesus jedoch, aus den Tiefen des Todes kommend, habe kein Bedürfnis nach Rache oder danach, seine Überlegenheit über diejenigen zu demonstrieren, die für seinen Tod verantwortlich waren. Das Einzige, was Jesus, nun Herr über Leben und Tod, gewählt habe, sei, sich seinen Freunden zu zeigen, mit großer Zurückhaltung und freudiger Bescheidenheit.
In jedem Evangelium finde sich eine Bestätigung für diese Art und Weise, wie Jesus von den Toten auferstanden ist, ohne jeden Geist der Vergeltung oder des Bedürfnisses nach Wiedergutmachung. Besonders deutlich werde dies im Markusevangelium, vor allem in seinem ursprünglichen Schluss, wo die Frauen ängstlich vom Grab fliehen und niemandem die Botschaft der Auferstehung mitteilen. Für die ersten christlichen Generationen sei das Zeichen des leeren Grabes ausreichend gewesen, um an die Auferstehung zu glauben und die Freude des neuen Lebens in Christus zu verkünden. Die später hinzugefügten Verse mit den Erscheinungen des auferstandenen Jesus und seiner Himmelfahrt enthielten zwar wahre und von der Kirche inspirierte Informationen, galten aber anfänglich nicht als notwendig für den Glauben an das Geheimnis der Auferstehung.
Große Schlichtheit des Osterereignisses
Das Matthäusevangelium betone auf andere Weise die große Schlichtheit des Osterereignisses. Jesus erscheint den Frauen, um die Botschaft der Auferstehung zu bestätigen. Der Evangelist erklärt jedoch sogleich, warum die Auferstehung Christi ein historisches Ereignis war, das von Anfang an grosse Zweifel hervorrief. Die Wachen verbreiteten die Falschmeldung, die Jünger hätten den Leichnam gestohlen, was bis heute unter den Juden verbreitet sei.
Angesichts dieser ?Schwäche“, mit der sich die Auferstehung Christi vollzogen habe, stelle sich die Frage, warum Jesus nicht eine stärkere und deutlichere Manifestation seines Sieges gewählt habe. Warum habe er eine so zurückhaltende Erscheinung gewählt, die nicht nur Missverständnisse, sondern auch Skepsis hervorrufen konnte? Die einzige Antwort liege darin, die Auferstehung als Erfahrung der Liebe und nicht als Akt der Macht Gottes zu lesen. In der Logik der Liebe sei verständlich, dass Jesus kein Bedürfnis habe, sich aufzuzwingen, sondern nur den großen Wunsch, sich weiterhin anzubieten. Wie der heilige Paulus geschrieben habe, suche die Liebe nicht ihren Vorteil, sie rege sich nicht zum Zorn, sie rechne das Böse nicht an, sie ertrage alles, sie glaube alles, sie hoffe alles, sie dulde alles. Diese Intensität der Liebe, die alles hinter sich lassen könne, bedeute nicht, dass Gott unempfindlich gegenüber Leid sei. Wer wirklich liebt, zähle die erlittenen Unrecht nicht, weil die Freude über das Erlebte jeden Groll übersteige, auch wenn die Dinge nicht so gelaufen seien, wie man es sich vorgestellt habe.
Vielleicht sollten auch wir, um uns auf evangeliumsgemässe Weise von den unvermeidlichen Verletzungen zu erheben, denen uns Beziehungen aussetzen, prüfen, wie viel Freiheit in den Worten und Gesten liegt, die wir anderen anbieten. Wenn wir feststellen, dass wir oft enttäuscht sind oder uns zu sehr ärgern, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es uns vorgestellt haben, sollten wir uns fragen, mit wie viel Unentgeltlichkeit wir unsere Beziehungen leben. Andernfalls riskieren wir, unsere Zeit damit zu verbringen, uns zu beklagen, zu kritisieren und nach Kompensationen für erlittene Enttäuschungen zu suchen, was uns und andere belastet. Dabei vergässen wir, dass das wahre Glück, das uns wirklich liebenswert macht, nicht von Umständen oder anderen abhängt, sondern von dem Frieden, mit dem wir das annehmen, was das Leben uns bietet. Denn wenn jemand nicht glücklich ist mit dem, was das Leben ihm zu sein erlaubt, wozu sollte es ihm dienen, nach dem Tod ins Leben zurückzukehren?
Auferstehen: Ein Aufbruch zu neuem Leben
Die Erscheinungsberichte zeigten, dass die Auferstehung Jesu keineswegs als Wiederbelebung eines Leichnams betrachtet werden könne, sondern als Erwachen, ja als Aufstand eines Lebendigen. Das neue und ewige Leben, das der Vater dem Sohn nach seiner Grablegung geschenkt habe, sei nicht eine andere Existenz, sondern die Folge eines Lebens, das so erfüllt und überströmend von Güte war, dass der Tod es nicht vernichten konnte. Jesus sei in den verschlossenen Raum der Jünger getreten, die aus Furcht vor den Juden gefangen waren, und habe ihnen den Frieden gebracht. Er habe ihnen seine Wunden gezeigt, nicht um Schuldgefühle hervorzurufen, sondern um ihnen zu helfen, Frieden zu finden und sich von unnötiger Schuld zu befreien. Seine Wunden seien Zeichen der Versöhnung und der Möglichkeit eines neuen, festeren Bundes.
Jesus habe seinen Jüngern die Freude dessen gezeigt, der einen guten Grund zum Leiden und Sterben hatte: sie selbst. Die sanft und wohlwollend gezeigten Wunden seien zum Zeichen eines wahren Angebots der Vergebung geworden. Wir hingegen seien oft viel verlegener, wenn wir uns mit jemandem versöhnen müssten, nicht weil wir besser, sondern weil wir weniger im Frieden seien. Wir sagten zu denen, die uns enttäuscht und verbittert hätten: ?Mach dir keine Sorgen“, ?es ist alles vorbei“, während wir sorgfältig noch offene Wunden verbärgen, mehr um großzügig zu erscheinen als aus einem echten Anflug von Mitgefühl und Vergebung. Jesus aber habe seinen verwundeten Leib den Jüngern ohne Vorbehalte gezeigt, nicht um Stärke zu demonstrieren oder Schuldgefühle zu erwecken. Die Jünger konnten endlich verstehen, dass Auferstehen bedeutet, das Lächeln jemandes zu geniessen, der glücklich ist, auch wenn du ihn enttäuscht hast, weil dies für ihn die Gelegenheit war, dir trotzdem seine Liebe anzubieten. Eine solche Liebe könne man nicht lehren oder erklären, sondern nur weitergeben.
Jesus habe den Aposteln nicht ihre Aufgabe entzogen, sondern sie bestätigt und ihnen die Verantwortung übertragen, Werkzeuge der Versöhnung in der Welt zu sein. Der auferstandene Herr habe ihnen den Heiligen Geist eingehaucht und ihnen so sein eigenes Leben und seinen Eifer der Nächstenliebe mitgeteilt. Auferstehen bedeute auch, denen das Leben zurückzugeben, die es verloren haben, oder denen das Vertrauen wiederzugeben, die keine Kraft mehr zum Glauben haben.
Thomas, der bei der Erscheinung Jesu nicht anwesend war, habe die Osterbotschaft nicht leichtfertig akzeptiert. Er habe eine echte, tiefe Erfahrung der Auferstehung machen wollen, indem er die Wunden der Liebe berührte. Erst als er die Möglichkeit dazu hatte, habe er einen großen Glaubenssprung gemacht und Jesus als seinen Herrn und Gott erkannt. Jesu Worte ?Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ seien ein Aufruf an alle, sich nicht mit einem oberflächlichen Glauben zufrieden zu geben, sondern einen authentischen Weg der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn zu suchen.
Auferstehung: Ein Feuer der Liebe neu entfachen
Die Evangelien der Auferstehung zeigten, dass der Auferstandene keine auffälligen oder aussergewöhnlichen Gesten benötigte, um das Geschenk seiner neuen Existenz zu offenbaren. Das Licht seiner Auferstehung sei weniger blendend als das der Verklärung. Niemand seiner Freunde habe ihn sofort erkannt. Dies zeige, dass die Wahrheit der Auferstehung nicht durch spektakuläre Effekte, sondern durch eine diskrete und fast entwaffnende Weise offenbart werde. Der Auferstandene sei selten in Erscheinung getreten und habe wenig gesprochen. Er habe es vorgezogen, sich diskret zu nähern, ohne Furcht zu erregen zu grüssen, Gast zu sein und in heiterer Einfachheit die Freude einer brüderlichen Mahlzeit zu teilen.
Die Begegnung Jesu mit den Emmausjüngern verdeutliche, dass die Auferstehung nicht die Beseitigung des Kreuzes bedeute, sondern die Erkenntnis, dass Christus leiden musste, um zu offenbaren, wie sehr Gott die Welt liebt. Die Jünger hätten Jesus erst beim Brotbrechen erkannt und dabei festgestellt, dass ihr Herz trotz allem noch brannte. Die Erfahrung der Auferstehung, zu der jeder Mensch eingeladen sei, bestehe darin, unter der Asche der eigenen Geschichte die Glut zu entdecken, die Leid und Tod nicht auslöschen konnten. Diese Glut sei bereit, neu entfacht zu werden, um die Seele zu erleuchten und den Blick zu reinigen, sodass das Geheimnis der Auferstehung Christi in allen Dingen erkannt werden könne.
Abschliessend betonte Pater Pasolini, dass Jesus uns in seiner Auferstehung ein wertvolles Vermächtnis hinterlassen habe, indem er die verborgenen Schätze unserer Menschlichkeit offenbart habe, wenn sie sich vom Geist formen lasse und dem Bild und Gleichnis Gottes entspreche. Diese Haltungen und Weisen des Seins sollten nicht nur für schwierige Zeiten reserviert sein. Christus habe seine Auferstehung vorbereitet, indem er jene inneren Haltungen gelebt habe, in denen die Saat des ewigen Lebens reife. Indem er Beziehungen der unentgeltlichen Liebe zu uns aufgebaut habe, habe der Herr verstanden, dass es unnütz sei, sich zu ärgern, wenn die Dinge nicht wie erwartet laufen. Fruchtbarer sei es, den Weg der Begegnung mit dem Vertrauen wieder aufzunehmen, dass es noch viel zu leben und zu entdecken gebe. Die Freiheit auch in den schwierigsten Beziehungen sei der einzige Weg, die Möglichkeit des Lebens durch eine authentische Vergebung wieder aufleben zu lassen, die in der Lage sei, durch Zeit und Sünde abgenutzte Bindungen zu erneuern. Nur so, ohne Groll oder Ressentiments, werde man Zeuge jener größeren Liebe, die weder die Wasser des Bösen noch der Tod auslöschen könnten. Die Kraft der Auferstehung stehe in direktem Verhältnis zur Beharrlichkeit der Nächstenliebe, einer Flamme, die der Herr in unsere Herzen eingeprägt habe und die das Siegel eines ewigen Lebens bereits in dieser Welt sei.
(vatican news)
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