?In Schweden w?chst das Interesse an der katholischen Kirche“
Mario Galgano – Uppsala (Schweden)
Als Jesuit ist Pater Philip Geister seit 34 Jahren in Schweden. Er leitet das Newman-Institut in Uppsala, eine katholische Hochschule mit geistlichem und akademischem Anspruch. Als er Ende der 1980er-Jahre nach Schweden kam, war das katholische Glaubensbekenntnis mit Zurückhaltung verbunden. ?Damals musste man sich quasi schämen, katholisch zu sein“, erinnert er sich. Heute sei die Lage eine ganz andere: ?Von einer kritischen, vorsichtigen, im Grunde negativen Haltung hat sich die öffentliche Wahrnehmung zu einer offenen, interessierten und wohlwollenden Haltung gewandelt.“
Eine Erklärung dafür sieht Geister in einer gewissen inhaltlichen Leere einer rein säkularen Gesellschaft. ?Sie hat nichts anzubieten, was Menschen auf Dauer glücklich macht oder Sinnfragen beantwortet“, sagt er. In dieser Situation könne die katholische Kirche ein Angebot machen – durch ihre spirituelle Tiefe, ihre intellektuelle Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen und ihr gemeinschaftsstiftendes Potenzial.
Das Newman-Institut in Uppsala steht für diesen Ansatz. Die Hochschule wurde mit dem Ziel gegründet, nicht nur geistliche Angebote zu schaffen, sondern auch die intellektuellen Bedürfnisse einer gebildeten schwedischen Gesellschaft ernst zu nehmen. Neben dem akademischen Betrieb betreibt die katholische Kirche in Schweden auch die traditionsreiche Zeitschrift Signum, die seit hundert Jahren theologische, ethische und gesellschaftliche Fragen diskutiert. Hinzu kommen öffentliche Veranstaltungen, die gezielt Multiplikatoren wie Politiker oder Journalisten ansprechen.
Mediale Darstellung hat sich gewandelt
Dabei hat sich auch die mediale Darstellung gewandelt. ?Es wird fair und interessiert über die katholische Kirche berichtet“, sagt Geister. Fragen des menschlichen Lebens, ethische und sozialethische Themen fänden zunehmend Gehör in der Öffentlichkeit. Auch die ökumenischen Beziehungen seien heute von Respekt und freundschaftlichem Interesse geprägt. ?Als katholischer Priester wird man inhaltlich und persönlich sehr respektvoll wahrgenommen“, sagt er.
Schweden ist ein Einwanderungsland – und die katholische Kirche spielt bei der Integration von Migrantinnen und Migranten eine bedeutende Rolle. Diese werde in der breiten Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. ?Die tiefe gemeinsame Grundlage, die der Glaube für viele Menschen bedeutet, wird in der säkularen Gesellschaft nicht verstanden“, so Geister. Dass katholische Gemeinden oft aus zahlreichen Nationalitäten bestehen, habe großes integratives Potenzial – auch in Bezug auf Verständigung und Konfliktlösung.
Auch mit Blick auf die politischen Entwicklungen sieht Geister Herausforderungen. Der Rechtsruck in Europa sei auch in Schweden spürbar. Zugleich sei die Situation komplex: Manche katholische Migranten, selbst aus Verfolgungssituationen stammend, sympathisierten mit rechten Parteien. ?Man kann nicht voraussetzen, dass Katholiken automatisch eine Gegenkultur bilden“, sagt Geister. Die offiziellen Stimmen der Kirche – etwa durch den Bischof oder den Kardinal – würden zwar Stellung beziehen, blieben in der öffentlichen Debatte aber weitgehend wirkungslos.
Das Newman-Institut trägt den Namen des heiligen John Henry Newman. Die Wahl fiel bewusst auf eine konkrete Persönlichkeit – nicht auf eine ?Allerweltsbezeichnung“. Newman sei eine Leitfigur: pädagogisch, spirituell und theologisch. Für viele Lehrende, die selbst vom Luthertum konvertiert sind, sei Newman als Konvertit ein Vorbild. Seine Idee der ?Bildung des Herzens“ präge das pädagogische Selbstverständnis des Instituts ebenso wie seine theologische Brückenfunktion zwischen der Tradition der Kirchenväter und der Moderne. Auch der internationale Charakter Newmans habe gut in den schwedischen Kontext gepasst.
Großes Interesse für neuen Papst
Die Wahl von Papst Leo XIV. ist auch in Schweden auf Interesse gestoßen. Geister berichtet, dass Menschen ihn auf der Straße angesprochen und kondoliert hätten nach dem Tod von Papst Franziskus. ?Die Medien haben die Wahl von Papst Leo sehr positiv kommentiert“, sagt er. Das habe ihn berührt. Es zeige, wie groß das öffentliche Interesse an der katholischen Kirche sei – auch in einem Land mit kleiner katholischer Minderheit.
In der Ökumene gibt es laut Geister eine neue Qualität des Miteinanders. Ein Beispiel sei die Teilnahme des lutherischen Erzbischofs Martin Modéus an der Beisetzung von Papst Franziskus und der Amtseinführung von Papst Leo XIV. Modéus habe sich im Anschluss begeistert gezeigt. ?Es geht heute weniger um Einzelfragen wie Interkommunion. Es geht darum, wie wir voneinander lernen, gemeinsam sprechen und den Glauben vertiefen können“, sagt Geister.
Im Jubiläumsjahr des Konzils von Nicäa und zum 100-jährigen Bestehen einer bedeutenden Kirchenversammlung in Schweden ist die katholische Kirche regelmäßig zu evangelischen Veranstaltungen eingeladen. Auch wenn das Heilige Jahr der Hoffnung 2025 im akademischen Bereich des Newman-Instituts bislang keine besonderen Aktivitäten hervorgebracht hat, sieht Geister in den Gemeinden und auf Bistumsebene zahlreiche Initiativen.
Ein gemeinsames Osterdatum, das seit Jahrzehnten im ökumenischen Gespräch steht, könnte auch in Schweden Unterstützung finden. ?Es gibt Zeichen der Verbundenheit – etwa gemeinsame Kaffeetreffen nach dem Gottesdienst oder die Wiederweihe des Altars, an dem Johannes Paul II. 1989 die Messe gefeiert hat“, berichtet Geister.
Ob Papst Leo XIV., ein Ordensmann mit nordischen Wurzeln, künftig das Interesse an den nordischen Ländern stärken kann? Geister zeigt sich vorsichtig, aber hoffnungsvoll. Die Ernennung des Stockholmer Bischofs zum Kardinal durch Papst Franziskus habe die Bedeutung der Region unterstrichen. Auch Papst Johannes Paul II. sei mit großem Wohlwollen aufgenommen worden. Papst Leo XIV. verkörpere vieles, was die katholische Kirche heute weltweit wie in Schweden auszeichne. ?Ich glaube, die Schweden werden das wahrnehmen und ihre positive Haltung weiter vertiefen.“
(vatican news)