Pfingstvigil: Die Predigt im Wortlaut
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Schöpfergeist, den wir im Gesang angerufen haben – Veni creator Spiritus –, ist der Geist, der auf Jesus herabgekommen ist, der stille Protagonist seiner Sendung: »Der Geist des Herrn ruht auf mir« (Lk 4,18). Indem wir darum gebeten haben, er möge unsere Herzen besuchen, unsere Zungen reden machen, unsere Sinne erhellen, uns Liebe eingießen, den Leib stärken und Frieden schenken, haben wir uns dem Reich Gottes geöffnet. Das ist Bekehrung im Sinne des Evangeliums: dass wir uns dem Reich zuwenden, das nun nahe ist.
An Jesus sehen wir und von Jesus hören wir, dass sich alles verwandelt, weil Gott herrscht, weil Gott nahe ist. An diesem Vorabend des Pfingstfestes lassen wir uns von der Nähe Gottes ergreifen, von seinem Geist, der unsere Geschichten mit der Geschichte Jesu verbindet. Wir sind also hineingenommen in das Neue, das Gott schafft, damit sein Wille zum Leben sich erfülle und über den Willen zum Tode siegt.
»Er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe« (Lk 4,18-19). Wir vernehmen hier den Duft des Chrisams, mit dem auch unsere Stirn bezeichnet wurde. Die Taufe und die Firmung, liebe Brüder und Schwestern, lassen uns teilhaben an der verwandelnden Sendung Jesu, am Reich Gottes. So wie uns die Liebe den Duft eines lieben Menschen vertraut macht, so erkennen wir heute Abend aneinander den Duft Christi. Das ist ein Geheimnis, das uns staunen und nachdenken lässt.
An Pfingsten wurden Maria, die Apostel, die Jüngerinnen und Jünger, die bei ihnen waren, von einem Geist der Einheit erfüllt, der ihre Unterschiede für immer in dem einen Herrn Jesus Christus verwurzelte. Nicht viele Sendungen, sondern eine einzige Sendung. Nicht in sich gekehrt und streitsüchtig, sondern nach außen gerichtet und strahlend. Dieser Petersplatz, der wie eine offene und einladende Umarmung ist, drückt wunderbar die Gemeinschaft der Kirche aus, die jeder von euch in den verschiedenen Vereinigungen und Gemeinschaften erfahren hat, von denen viele Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils sind.
Am Abend meiner Wahl, als ich bewegt auf das hier versammelte Volk Gottes blickte, habe ich an das Wort ?Synodalität“ erinnert, das gut zum Ausdruck bringt, auf welche Weise der Heilige Geist die Kirche formt. In diesem Wort erklingt das ?syn“ – das ?mit“ –, das das Geheimnis des Lebens Gottes darstellt. Gott ist nicht Einsamkeit. Gott ist in sich selbst ?mit“ – Vater, Sohn und Heiliger Geist – und er ist der Gott mit uns. Gleichzeitig erinnert uns Synodalität an den Weg – odós –, denn wo der Geist ist, da ist Bewegung, da ist Weg. Wir sind ein Volk auf dem Weg. Dieses Bewusstsein entfernt uns nicht von der Menschheit, sondern taucht uns in sie ein, wie Hefe in den Teig, die ihn ganz durchsäuert. Das Gnadenjahr des Herrn, das im Heiligen Jahr zum Ausdruck kommt, trägt dieses Ferment in sich. In einer zerrissenen und friedlosen Welt lehrt uns der Heilige Geist, gemeinsam zu gehen. Die Erde wird ruhen, die Gerechtigkeit wird sich durchsetzen, die Armen werden jubeln, der Friede wird zurückkehren, wenn wir uns nicht mehr wie Raubtiere, sondern wie Pilger bewegen. Nicht mehr jeder für sich, sondern indem wir unsere Schritte den Schritten der anderen anpassen: nicht indem wir die Welt gierig verschlingen, sondern indem wir sie pflegen und bewahren, wie es uns die Enzyklika Laudato si’ lehrt.
Meine Lieben, Gott hat die Welt erschaffen, damit wir zusammen sind. ?Synodalität“ ist die kirchliche Bezeichnung für dieses Bewusstsein. Es ist der Weg, der von jedem verlangt, das zu erkennen, was man schuldet und womit man bereichern kann, und sich als Teil eines Ganzen zu fühlen, außerhalb dessen alles verwelkt, selbst die einzigartigsten Charismen. Schaut, die gesamte Schöpfung existiert nur in der Form des Miteinander, das auch gefahrvoll sein kann, aber trotzdem immer ein Miteinander ist (vgl. Laudato si’, 16;117). Und was wir ?Geschichte“ nennen, nimmt nur durch das Zusammenkommen Gestalt an, durch das Zusammenleben, das oft voller Konflikte, aber doch immer Zusammenleben ist. Das Gegenteil ist tödlich, aber leider steht es uns jeden Tag vor Augen. Mögen eure Vereinigungen und Gemeinschaften also Übungsplätze der Geschwisterlichkeit und der Teilhabe sein, nicht nur, weil sie Orte der Begegnung, sondern weil sie Orte der Spiritualität sind. Der Geist Jesu verändert die Welt, weil er die Herzen verändert. Er weckt jene kontemplative Dimension des Lebens, die Selbstbehauptung, Murren, Streitsucht und den Herrschaftsanspruch über Gewissen und Ressourcen entkräftet. Der Herr ist der Geist, und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (vgl. 2 Kor 3,17). Wahre Spiritualität verpflichtet daher zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen und verwirklicht unter uns das Wort Jesu. Wo dies geschieht, ist Freude. Freude und Hoffnung.
Die Evangelisierung, liebe Brüder und Schwestern, ist keine menschliche Bezwingung der Welt, sondern die unendliche Gnade, die sich vom Leben derer her ausbreitet, die sich vom Reich Gottes verwandeln ließen. Sie ist der Weg der Seligpreisungen, ein Weg, den wir gemeinsam gehen, in der Spannung zwischen dem ?Schon“ und dem ?Noch nicht“, hungernd und dürstend nach Gerechtigkeit, arm im Geiste, barmherzig, sanftmütig, rein im Herzen, als Friedensstifter. Um Jesus auf diesem von ihm gewählten Weg zu folgen, braucht es keine mächtigen Unterstützer, keine weltlichen Kompromisse, keine emotionalen Strategien. Die Evangelisierung ist das Werk Gottes, und wenn sie manchmal durch uns Menschen geschieht, dann wegen der Verbindungen, die sie ermöglicht. Seid daher tief verbunden mit jeder einzelnen Teilkirche und jeder Pfarrgemeinde, wo ihr eure Charismen nährt und einsetzt. Um eure Bischöfe versammelt und im Zusammenwirken mit allen anderen Gliedern des Leibes Christi werden wir dann in harmonischem Einklang handeln. Die Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, werden weniger beängstigend sein, die Zukunft wird weniger düster sein, die Unterscheidung wird weniger schwierig sein: wenn wir gemeinsam dem Heiligen Geist gehorchen!
Maria, Königin der Apostel und Mutter der Kirche, möge unsere Fürsprecherin sein.
(vaticannews -skr)
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