Papstmeditation mit Seminaristen: Wortlaut
Liebe Freunde,
ich freue mich sehr, euch zu treffen, und danke euch allen, Seminaristen und Ausbildern, für eure herzerwärmende Anwesenheit. Vor allem danke ich euch für eure Freude und Begeisterung. Danke, dass ihr mit eurer Energie die Flamme der Hoffnung im Leben der Kirche am Brennen haltet!
Heute seid ihr nicht nur Pilger, sondern auch Zeugen der Hoffnung: Ihr bezeugt sie mir und allen, weil ihr euch in einer nicht einfachen Zeit auf das faszinierende Abenteuer der priesterlichen Berufung eingelassen habt. Ihr habt den Ruf angenommen, sanfte und starke Verkünder des rettenden Wortes, Diener einer offenen und missionarischen Kirche zu werden.
Zu Christus, der euch ruft, sagt ihr „Ja“ mit Demut und Mut; und dieses „Hier bin ich“, das ihr ihm antwortet, keimt im Leben der Kirche auf und lässt sich vom notwendigen Weg der Unterscheidung und Ausbildung begleiten.
Jesus ruft euch, wie ihr wisst, in erster Linie dazu auf, die Erfahrung der Freundschaft mit ihm und mit euren Mitbrüdern zu machen (vgl. Mk 3,13); eine Erfahrung, die auch nach der Weihe dauerhaft wachsen soll und alle Aspekte des Lebens einbezieht. Nichts an euch muss nämlich „verworfen“ werden; alles muss vielmehr in der Logik des Weizenkorns angenommen und verwandelt werden, damit ihr glückliche Menschen und Priester werdet: „Brücken“ und nicht Hindernissen bei der Begegnung mit Christus für alle, die euch begegnen. Ja, der Herr muss wachsen, und wir müssen abnehmen, damit wir „Hirten nach seinem Herzen“ sein können (vgl Hl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben, Pastores dabo vobis, 25. März 1992), 43).
Wenn wir vom Herzen Jesu Christi sprechen, wie könnten wir da nicht an die Enzyklika Dilexit nos denken, die uns der geliebte Papst Franziskus geschenkt hat? (Enzyklika Dilexit nos über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi, 24. Oktober 2024). Gerade in dieser Phase, die ihr gerade erlebt, also in der Zeit der Ausbildung und der Entscheidungsfindung, ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf den Mittelpunkt, den „Motor“ eures gesamten Weges zu richten: das Herz! Das Seminar, in welcher Form auch immer es konzipiert ist, sollte eine Schule der Zuneigung sein. Gerade heute, in einem sozialen und kulturellen Kontext, der von Konflikten und Narzissmus geprägt ist, müssen wir lernen zu lieben, und zwar so zu lieben wie Jesus (ebd, 17).
So wie Christus mit einem menschlichen Herzen geliebt hat (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22), seid ihr gerufen, mit dem Herzen Christi zu lieben! Aber um diese Kunst zu lernen, muss man an seinem Inneren arbeiten: dort, wo Gott seine Stimme hören lässt und wo die grundlegendsten Entscheidungen getroffen werden. Aber es ist auch ein Ort der Spannungen und Kämpfe (vgl. Mk 7,14-23), der Umkehr erfordert, damit euer ganzes Menschsein vom Evangelium durchdrungen werden kann. Die erste Arbeit muss also in unserem Inneren geschehen. Vergesst nicht die Aufforderung des heiligen Augustinus, zum Herzen zurückzukehren, denn dort finden wir die Spuren Gottes. In die Tiefen unseres Herzens hinabzusteigen, kann uns manchmal Angst machen, weil es dort auch Wunden gibt. Habt keine Angst, euch um sie zu kümmern, lasst euch helfen, denn gerade aus diesen Wunden entsteht die Fähigkeit, jenen beizustehen, die leiden. Ohne inneres Leben ist auch kein geistliches Leben möglich, denn Gott spricht im Herzen zu uns.
Zu dieser „inneren Arbeit“ gehört auch die Übung, die Regungen des Herzens zu erkennen: nicht nur die schnellen und unmittelbaren Emotionen, die die Seele junger Menschen prägen, sondern vor allem die Gefühle, die euch helfen, die Richtung eures Lebens zu erkennen. Wenn ihr lernt, euer Herz zu kennen, werdet ihr immer authentischer werden und müsst keine Masken mehr aufsetzen. Und der bevorzugte Weg, der uns in unser Innerstes führt, ist das Gebet: In einer Zeit, in der wir hypervernetzt sind, wird es immer schwieriger, die Erfahrung von Stille und Einsamkeit zu machen. Ohne die Begegnung mit dem Herrn können wir auch uns selbst nicht wirklich kennen.
Ich lade euch ein, häufig den Heiligen Geist anzurufen, damit er in euch ein fügsames Herz formt, das fähig ist, die Gegenwart Gottes zu erkennen, auch indem ihr auf die Stimmen der Natur und der Kunst hört, der Poesie, der Literatur (Vgl. Franziskus, Brief über die Bedeutung der Literatur in der Bildung, 17. Juli 2024) und der Musik sowie der Geisteswissenschaften (Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 62). In eurem intensiven theologischen Studium müsst ihr mit offenem Verstand und offenem Herzen auch auf die Stimmen der Kultur hören, wie zum Beispiel auf die jüngsten Herausforderungen der künstlichen Intelligenz und der sozialen Medien (Kongregation für den Klerus, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis, Das Geschenk der Berufung zum Priestertum, 8. Dezember 2016, 97) Vor allem sollt ihr, wie Jesus es getan hat, auf den oft stillen Schrei der Kleinen, der Armen und Unterdrückten und der vielen - vor allem jungen - Menschen hören, die einen Sinn in ihrem Leben suchen.
Wenn ihr auf euer Herz achtet – mit täglichen Momenten der Stille, der Meditation und des Gebets –, dann könnt ihr die Kunst der Unterscheidung lernen. Auch das ist eine wichtige Aufgabe: lernen zu unterscheiden. Wenn wir jung sind, haben wir viele Wünsche, Träume und Ambitionen. Das Herz ist oft übervoll davon, und wir fühlen uns verwirrt. Nach dem Vorbild der Jungfrau Maria muss unser Inneres jedoch fähig sein, zu bewahren und zu meditieren. Fähig zu synballein, wie der Evangelist Lukas schreibt (2,19.51): die Bruchstücke zusammenfügen (vgl. Papst Franziskus, Enzyklika Dilexit nos über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi, 24. Oktober 2024, 19). Hütet euch vor Oberflächlichkeit, fügt die Bruchstücke des Lebens im Gebet und in der Meditation wieder zusammen und fragt euch: Was lehrt mich das, was ich gerade erlebe? Was sagt es mir für meinen Weg? Wohin will der Herr mich führen?
Meine lieben Freunde, habt ein sanftmütiges und demütiges Herz wie Jesus (vgl. Mt 11,29). Nehmt euch ein Beispiel am Apostel Paulus (vgl. Phil 2,5 ff.), damit ihr die Gesinnung Christi annehmt und so in der menschlichen Reife, vor allem in der affektiven und zwischenmenschlichen Reife, voranschreiten könnt. Es ist wichtig – ja sogar notwendig –, schon in der Zeit des Seminars großen Wert auf die menschliche Reifung zu legen, und jede Form von Verstellung oder Heuchelei entschieden abzulehnen. Mit Blick auf Jesus müssen wir lernen, auch Traurigkeit, Angst, Verzweiflung und Empörung einen Namen und eine Stimme zu geben und alles in die Beziehung zu Gott mit einzubringen. Wir dürfen unsere Krisen, Grenzen und Schwächen nicht verbergen - sie sind vielmehr Gelegenheiten der Gnade und der österlichen Erfahrung.
In einer Welt, in der es viel Undankbarkeit und Machtgier gibt und wo manchmal die Logik des Ausgrenzens zu überwiegen scheint, seid ihr gerufen, Zeugnis abzulegen für die Dankbarkeit und die Unentgeltlichkeit Christi, für die Freude, die Zärtlichkeit und Barmherzigkeit seines Herzens. Lebt einen Stil der Aufnahme und der Nähe, des großzügigen und selbstlosen Dienstes, indem ihr den Heiligen Geist schon vor der Weihe eure Menschlichkeit „salben“ lasst.
Das Herz Christi ist erfüllt von unermesslichem Mitgefühl: Er ist der barmherzige Samariter der Menschheit und sagt uns: „Dann geh und handle du genauso!“ (Lk 10,37). Dieses Mitgefühl drängt ihn dazu, der Menge das Brot des Wortes und der Gemeinschaft zu brechen (vgl. Mk 6,30–44), was bereits auf die Gesten des Abendmahlsaals und des Kreuzes hinweist, wo er sich selbst zur Speise geben würde. Und er sagt uns: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37), das heißt: Macht euer Leben zu einer Gabe der Liebe.
Liebe Seminaristen, die Weisheit der Mutter Kirche, geleitet vom Heiligen Geist, sucht im Lauf der Zeit stets die angemessensten Wege zur Ausbildung der geweihten Amtsträger, entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Orte. Was ist dabei eure Aufgabe? Sie besteht darin, niemals mit dem Geringeren zufrieden zu sein, sich nicht einfach zufriedenzugeben, nicht nur passive Empfänger zu sein, sondern euch für das priesterliche Leben zu begeistern, die Gegenwart zu leben und mit einem prophetischen Herzen in die Zukunft zu blicken. Ich hoffe, dass unser heutiges Treffen jedem von euch hilft, den persönlichen Dialog mit dem Herrn zu vertiefen, in dem ihr ihn bittet, immer mehr die Gefühle seines Herzens zu verinnerlichen – jenes Herzens, das vor Liebe für euch und die Menschheit schlägt.
Guten Weg! Ich begleite euch mit meinem Segen.
(vatican news - skr)
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