Die Sedisvakanz von 1700 und ihre Parallelen zur Gegenwart
Paolo Ondarza und Mario Galgano - Vatikanstadt
Die katholische Kirche hat in ihrer langen Geschichte viele Phasen der Sedisvakanz erlebt, doch nur wenige weisen so auffällige Parallelen zur Gegenwart auf wie jene des Jahres 1700. Damals wie heute fiel das Interregnum zwischen zwei Pontifikaten mit einem Heiligen Jahr zusammen. Papst Innozenz XII. hatte das Jubiläum für das Jahr 1700 ausgerufen, war aber durch seine Erkrankung – er litt an Podagra, einer rheumatischen Krankheit – so geschwächt, dass er der feierlichen Öffnung der Heiligen Pforte an Weihnachten 1699 nicht beiwohnen konnte. Er starb am 27. September 1700 im Alter von 85 Jahren.
Der Leichenzug für den verstorbenen Pontifex bewegte sich zur Basilika St. Peter, wo Innozenz XII. beigesetzt wurde. Doch es dauerte bis zum 23. November desselben Jahres, ehe sein Nachfolger, Clemens XI., gewählt wurde. Die fast zweimonatige Vakanz der Kathedra Petri wurde in besonderer Weise festgehalten: In der Vatikanischen Bibliothek befindet sich eine Gedenkprägung jener Zeit – eine Münze, die auf ihrer Rückseite die Taube des Heiligen Geistes zeigt, begleitet vom biblischen Vers ?Non vos relinquam orphanos“ – ?Ich lasse euch nicht als Waisen zurück“ (Joh 14,18).
Klare Botschaft
?Das war ein Verweis auf den Tod Innozenz’ XII., aber auch eine klare Botschaft der Hoffnung an das bevorstehende Konklave“, erklärt Eleonora Giampiccolo, Leiterin der numismatischen Abteilung der Vatikanischen Bibliothek. Innozenz XII., erinnert sie, war bekannt als ?Vater der Armen“, ganz in der Tradition, wie man sie heute von Papst Franziskus kennt. Während seines Pontifikats hatte er Initiativen für Waisen und Obdachlose ins Leben gerufen, darunter etwa Einrichtungen im Lateranpalast oder den Komplex San Michele a Ripa Grande, wo Jugendliche Unterkunft und eine Berufsausbildung erhielten.
Symbolisch ist auch seine Entscheidung, nach seinem Tod all seine Güter den Armen zu vermachen – eine Haltung, die Papst Franziskus in ähnlicher Weise durch seine Unterstützung für Rehabilitationsprojekte in Gefängnissen weiterführt. ?Die Medaillen jener Zeit sind beeindruckende Kommunikationsmittel“, so Giampiccolo weiter. ?Sie waren visuelle Botschaften, die selbst Menschen ohne Lesekenntnisse verstanden. Münzen waren ein Tauschmittel – Medaillen dagegen Dokumente, die noch heute von großer Aussagekraft sind.“
Besonderes Exemplar
Ein besonderes Exemplar zeigt die Öffnung der Heiligen Pforte – allerdings nicht durch den Papst selbst. Weil Innozenz XII. zu krank war, übernahm der Vizedekan des Kardinalskollegiums, Kardinal de Bouillon, die Aufgabe, den Ritus mit den traditionellen drei Hammerschlägen auszuführen. Auf der Jahresmedaille des Jubiläumsjahres 1700 ist jedoch nicht der Kardinal zu sehen, sondern die bereits geöffnete Pforte, durch die ein Gläubigenzug zieht – ein bewusstes künstlerisches Statement: Es zählt die geöffnete Tür der Gnade, nicht die Hand, die sie aufgestoßen hat.
Ein weiteres starkes Bild findet sich auf einer Medaille, die von Beatrice Hamerani geschaffen wurde, einer Künstlerin aus einer renommierten Graveurfamilie der päpstlichen Münzprägestätte. Sie zeigt auf der Rückseite einen Pelikan, der sich die Brust aufreißt, um seine Jungen mit seinem Blut zu nähren – ein uraltes Bild für das Opfer Christi und seine Liebe zur Menschheit. ?Diese Darstellung bringt das Wesen des Papsttums auf den Punkt: Hingabe, Opfer und Fürsorge“, sagt Giampiccolo.
(vatican news)
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