Ein langer Sonntag für Papst Leo
Interview
Was genau macht der Papst an diesem Nachmittag?
?Er fährt zunächst zum römischen Kapitol, um dort den Bürgermeister Roberto Gualtieri zu treffen. Es ist die erste offizielle Begegnung zwischen dem Bischof und dem Bürgermeister der Ewigen Stadt; hier treffen sich sozusagen die Erben der zwei antiken Mächte, die bis heute überlebt haben und die Geschicke Roms bestimmen. Das ist zum einen das Papsttum; der Papst ist auch Erbe des antiken Amtes ?Pontifex Maximus‘, also ?Oberster Brückenbauer‘ – das war im alten Rom der höchste religiöse Funktionär, und viele Kaiser, darunter Augustus, trugen diesen Titel. Und das ist auf der anderen Seite ?SPQR‘, also der Senat und das römische Volk – diese Abkürzung steht von der Antike bis heute für die städtische Regierung, man findet sie auf alten Triumphbögen genauso wie auf modernen Gullydeckeln. Es hat sich im letzten Jahrhundert eingebürgert, dass ein neugewählter Papst der römischen Stadtregierung sozusagen im Vorbeifahren am Kapitol seine Aufwartung macht.“
Das ist also nur ?im Vorbeifahren‘ – was macht der Papst denn danach?
?Dann geht es weiter zu seinem eigentlichen Termin: Das ist die Inbesitznahme seiner Kathedra, also seines Bischofsstuhls. Die Bischofskirche des Papstes ist nämlich – anders, als man denken könnte – nicht Sankt Peter, sondern die Lateranbasilika. San Giovanni in Laterano kann sich deswegen mit dem Titel ?Haupt und Mutter aller Kirchen in der Welt‘ schmücken. Kaiser Konstantin hat im 4. Jahrhundert, als das Christentum sozusagen aus den Katakomben ans Tageslicht kletterte, dem Papst das Terrain rund um die heutige Lateranbasilika geschenkt, und über Jahrhunderte hatte das Papsttum hier seinen Sitz. Die Reste des antiken Papstpalastes sind übrigens erst im letzten Jahr bei Ausgrabungen zum Vorschein gekommen. Erst im Mittelalter zogen die Päpste an den Vatikan um.“
Was genau also wird der Papst am Lateran tun?
?Er wird sich, im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes, auf den Bischofsthron in der Apsis der Basilika setzen und damit ausdrücken, dass er sein Amt als Bischof von Rom übernommen hat.“
Aber hat er das nicht schon vor einer Woche getan, bei seiner Amtseinführung auf dem Petersplatz?
?Ja natürlich – und strenggenommen ist er ja schon seit dem Moment seiner Wahl im Konklave, die am 8. Mai erfolgt ist, Papst mit allen Rechten und Pflichten, er konnte ab diesem Moment sein Amt vollgültig ausüben. Was letzte Woche auf dem Petersplatz geschehen ist, war sozusagen eine Wiederholung dieser Amtsübernahme, diesmal vor den Augen der Welt. Im Konklave hatte ja außer den Kardinälen niemand dabeisein können. Und auch die Inbesitznahme seiner Bischofskirche San Giovanni zeigt zeichenhaft, was eigentlich längst der Fall ist: Leo XIV. ist Bischof von Rom. In früheren Jahrhunderten war die Inthronisierung eines Papstes im Lateran der entscheidende Moment der Machtübernahme; der Gottesdienst von Papst Leo an diesem Samstagabend ist sozusagen ein Residuum dieses alten Rituals.“
Müsste der Papst nicht zuerst im Lateran eingeführt werden, und dann erst im Vatikan?
?Eigentlich schon – denn damit würde deutlichgemacht , dass er nur deswegen Papst ist, weil er Bischof von Rom ist, und nicht umgekehrt. ?Bischof von Rom‘, das ist das Kernstück der Identität des Papstes, seine eigentliche Legitimation. Experten wie etwa die deutschen Kirchenhistoriker Hubert Wolf und Stefan Heid fordern deshalb, dass der Lateran für das Papsttum wieder eine größere Rolle spielen müsste. Aber nach der Gründung des Staates Italien im 19. Jahrhundert war das Papsttum ja für mehrere Jahrzehnte sozusagen ein ?Gefangener im Vatikan‘, in dieser Zeit war eine Inbesitznahme des Lateran gar nicht möglich, weil die Päpste ihr selbstgewähltes Exil hinter den Vatikanmauern nicht verließen. Das hat sich erst mit Pius XI. und der Gründung des Vatikanstaats 1929 geändert. Es bleibt jedenfalls ein Desiderat für die Zukunft, dass ein Papst sich wieder stärker auf seine Verbundenheit mit dem Lateran besinnt.“
Aber der Papst hat ja an diesem Sonntagabend noch mehr vor…
?Ja, er wird auch noch die nahegelegene Basilika Santa Maria Maggiore aufsuchen, die wichtigste Marienkirche der Stadt. In ihr wird die Marienikone ?Salus Populi Romani‘ (Heil des römischen Volkes) aufbewahrt, die viele Römer besonders verehren. Einer ihrer größten Anhänger war übrigens der verstorbene Papst Franziskus, der sie während seines zwölfjährigen Pontifikats (201325) mehr als hundertmal besucht hat, um vor ihr zu beten. Franziskus ist auch in einer Nische des Langhauses von Maria Maggiore ganz in der Nähe der Ikone beigesetzt. Leo :IV. hat die Marienbasilika schon am ersten Wochenende nach seiner Wahl besucht, aber jetzt kommt er sozusagen offiziell noch einmal – damit hat er dann sozusagen alle vier großen Patriarchalbasiliken der Stadt Rom in Besitz genommen, und der Reigen der Gottesdienste und Liturgien, mit denen er sein Amt symbolisch antritt, ist damit ausgeschritten.“
(vatican news – sk)
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