Wortlaut: Papst er?ffnet Gipfel zu Kinderrechten im Vatikan
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Ich begrüße die hier anwesenden Kardinäle und Persönlichkeiten anlässlich des Welttreffens über die Rechte des Kindes mit dem Titel ?Lasst uns die Kinder lieben und schützen“. Ich danke Ihnen, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind, und bin zuversichtlich, dass Sie durch die Bündelung Ihrer Erfahrungen und Ihres Fachwissens neue Wege zur Rettung und zum Schutz der Kinder eröffnen können, deren Rechte tagtäglich mit Füßen getreten und ignoriert werden.
Auch heute noch ist das Leben von Millionen von Kindern von Armut, Krieg, Schulentzug, Ungerechtigkeit und Ausbeutung geprägt. Kinder und Jugendliche in den ärmsten Ländern oder in Ländern, die von tragischen Konflikten zerrissen sind, müssen schreckliche Prüfungen über sich ergehen lassen. Selbst die reichste Welt ist vor Ungerechtigkeit nicht gefeit. Auch dort, wo die Menschen Gott sei Dank nicht unter Krieg oder Hunger leiden, gibt es schwierige Randgebiete, in denen die Kleinen oft Opfer von Schwächen und Problemen sind, die wir nicht unterschätzen dürfen.
In der Tat müssen Schulen und Gesundheitsdienste in viel stärkerem Maße als in der Vergangenheit mit Kindern rechnen, die bereits durch so viele Schwierigkeiten belastet sind, mit ängstlichen oder depressiven Jugendlichen, mit Heranwachsenden, die den Weg der Aggression oder der Selbstbeschädigung einschlagen. Darüber hinaus ist die Kindheit selbst, wie auch das Alter, gemäß der effizienzorientierten Kultur eine ?Peripherie“ der Existenz.
Immer mehr Menschen, die das Leben noch vor sich haben, sehen ihm nicht mit einer zuversichtlichen und positiven Einstellung entgegen. Gerade die jungen Menschen, die Zeichen der Hoffnung in der Gesellschaft sind, tun sich schwer, die Hoffnung in sich selbst zu erkennen. Das ist traurig und beunruhigend. ?Allerdings ist es unvermeidlich, dass man die Gegenwart mit Melancholie und Langeweile lebt, wenn die Zukunft ungewiss ist und kein Träumen erlaubt, wenn das Studium keine Perspektiven bietet und das Fehlen einer Arbeit oder einer ausreichend festen Beschäftigung die Wünsche zunichte zu machen droht“. (Bolla Spes non confundit, 12).
Was wir in letzter Zeit leider fast täglich sehen, nämlich Kinder, die unter Bomben sterben, die den Götzen der Macht, der Ideologie und der nationalistischen Interessen geopfert werden, ist nicht hinnehmbar. In Wirklichkeit ist nichts wichtiger als das Leben eines Kindes. Die Kleinen zu töten, bedeutet, ihnen die Zukunft zu verweigern. In einigen Fällen werden die Minderjährigen selbst unter Drogeneinfluss zum Kämpfen gezwungen. Selbst in Ländern, in denen kein Krieg herrscht, ist die Gewalt zwischen kriminellen Banden für die Kinder ebenso tödlich und lässt sie oft verwaist und ausgegrenzt zurück.
Der übertriebene Individualismus der Industrieländer wirkt sich ebenfalls nachteilig auf die Kinder aus. Manchmal werden sie von denjenigen, die sie beschützen und erziehen sollten, misshandelt oder sogar unterdrückt; sie werden Opfer von Streitigkeiten, sozialen oder psychischen Problemen und elterlichen Abhängigkeiten.
Viele Kinder sterben als Migranten auf dem Meer, in der Wüste oder auf den vielen Routen der verzweifelten, hoffnungsvollen Reisen. Viele andere erliegen mangelnder Fürsorge oder verschiedenen Arten von Ausbeutung. Dies sind unterschiedliche Situationen, vor denen wir uns jedoch dieselbe Frage stellen: Wie ist es möglich, dass das Leben eines Kindes auf diese Weise endet?
Nein. Das ist nicht akzeptabel, und wir müssen uns gegen die Gewöhnung wehren. Die verweigerte Kindheit ist ein stummer Schrei, der die Ungerechtigkeit des Wirtschaftssystems, die Kriminalität der Kriege, den Mangel an medizinischer Versorgung und Schulbildung anprangert. Die Summe dieser Ungerechtigkeiten lastet am schwersten auf den Kleinsten und Schwächsten. In internationalen Organisationen spricht man von einer ?globalen moralischen Krise“.
Wir sind heute hier, um zu sagen, dass wir nicht wollen, dass dies zu einer neuen Normalität wird. Wir können nicht akzeptieren, dass wir uns daran gewöhnen. Bestimmte Dynamiken in den Medien neigen dazu, die Menschheit unsensibel zu machen, was zu einer allgemeinen Verhärtung der Mentalitäten führt. Es gibt diese verschlossenen Mentalitäten. Wir laufen Gefahr, das zu verlieren, was im menschlichen Herzen am edelsten ist: die Barmherzigkeit, das Erbarmen. Mehr als einmal haben wir diese Sorge mit einigen von Ihnen, die Vertreter von Religionsgemeinschaften sind, geteilt.
160 Millionen Kindersklaven
Heute sind mehr als vierzig Millionen Kinder durch Konflikte vertrieben worden und etwa hundert Millionen sind obdachlos. Es gibt das Drama der Kindersklaverei: Etwa 160 Millionen Kinder sind Opfer von Zwangsarbeit, Menschenhandel, Missbrauch und Ausbeutung aller Art, einschließlich Zwangsheiraten. Es gibt Millionen von Migrantenkindern, manchmal mit ihren Familien, oft aber auch allein: Das Phänomen der unbegleiteten Minderjährigen wird immer häufiger und gravierender.
Viele andere Minderjährige leben im Schatten, weil sie bei der Geburt nicht registriert wurden. Schätzungsweise 150 Millionen ?unsichtbare“ Kinder haben keine rechtliche Existenz. Dies behindert den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, vor allem aber gibt es für sie keinen gesetzlichen Schutz, und sie können leicht missbraucht oder als Sklaven verkauft werden. Und das geschieht, es geschieht. Denken wir an die Rohinghya-Kinder, die oft Schwierigkeiten haben, registriert zu werden, an die Kinder ohne Papiere an der US-Grenze, an die ersten Opfer des Exodus von Tausenden von Menschen, die aus dem Süden Amerikas in die USA kommen, aus Verzweiflung und Hoffnung, und an viele andere.
Angst und Schrecken des Krieges
Leider wiederholt sich diese Geschichte der Unterdrückung von Kindern: Fragt man ältere Menschen, Großväter und Großmütter, nach dem Krieg, den sie in ihrer Jugend erlebt haben, kommt die Tragödie aus ihren Erinnerungen hervor: die Dunkelheit - alles ist dunkel während des Krieges, die Farben verschwinden fast -, die üblen Gerüche, die Kälte, der Hunger, der Schmutz, die Angst, das verirrte Leben, der Verlust der Eltern, der Heimat, die Verlassenheit, alle Arten von Gewalt. Ich bin mit den Geschichten über den Ersten Weltkrieg aufgewachsen, die mir mein Großvater erzählt hat, und das hat mir die Augen und das Herz für die Schrecken der Kriege geöffnet.
Der Blick durch die Augen derer, die den Krieg erlebt haben, ist der beste Weg, um den unschätzbaren Wert des Lebens zu verstehen. Aber auch Kindern zuzuhören, die heute in Gewalt, Ausbeutung oder Ungerechtigkeit leben, dient dazu, unser ?Nein“ zum Krieg, zur Kultur der Verschwendung und des Profits zu bekräftigen, in der alles gekauft und verkauft wird, ohne Respekt und ohne Rücksicht auf das Leben, insbesondere auf das kleine und wehrlose Leben. Im Namen dieser Logik des Wegwerfens, in der der Mensch allmächtig wird, wird das werdende Leben durch die mörderische Praxis der Abtreibung geopfert. Die Abtreibung unterdrückt das Leben der Kinder und schneidet die Quelle der Hoffnung für die gesamte Gesellschaft ab.
Schwestern und Brüder: Es ist wichtig, zuzuhören. Wir müssen erkennen, dass Kinder beobachten, verstehen und sich erinnern. Und mit ihren Blicken und ihrem Schweigen sprechen sie zu uns. Lasst uns ihnen zuhören!
Liebe Freunde, ich danke Ihnen und ermutige Sie, mit Gottes Hilfe das Beste aus dieser Begegnung zu machen. Ich bete, dass Ihr Beitrag hilft, eine bessere Welt für die Kinder und damit für alle zu schaffen! Es gibt mir Hoffnung, dass wir hier alle zusammen sind, um die Kinder, ihre Rechte, ihre Träume und ihre Forderung nach einer Zukunft in den Mittelpunkt zu stellen. Ich danke Ihnen und Gott segne Sie!
(vatican news – gs)
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