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Sudanesische Zivilisten fliehen nach einem Angriff der RSF auf ihr Camp (Archivbild) Sudanesische Zivilisten fliehen nach einem Angriff der RSF auf ihr Camp (Archivbild) 

Erzbischof He?e: Das Leid der sudanesischen Flüchtlinge nicht vergessen

In seiner Eigenschaft als Flüchtlingsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz bereist der Hamburger Erzbischof Stefan He?e derzeit ?gypten, wo besonders viele sudanesische Flüchtlinge vor dem Krieg in ihrem Land Zuflucht gefunden haben. Wir sprachen mit ihm über seine Eindrücke.

Der Bürgerkrieg, der seit 2023 im Sudan tobt, hat mittlerweile mehr als zwölf Millionen Menschen in die Flucht geschlagen, was das Land zum Schauplatz der weltweit größten Vertreibungskrise überhaupt macht. Zehn Millionen Menschen sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration Binnenvertriebene, vier Millionen haben Schutz in Nachbarländern gesucht. Allein Ägypten hat weit über eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Um den Blick der Weltöffentlichkeit auf die humanitäre Krise im Bürgerkriegsland zu lenken und die Herausforderungen, denen sich das Gastland gegenübersieht, zu beleuchten, ist der Hamburger Erzbischof Stefan Heße derzeit auf einer Solidaritätsreise in Ägypten unterwegs. Wir erreichten den Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz telefonisch vor Ort.

Hier das gesamte Interview zum Nachhören
Besuch einer Gemeinschaftsschule für Geflüchtete in Assuan (Foto DBK/Elpers)
Besuch einer Gemeinschaftsschule für Geflüchtete in Assuan (Foto DBK/Elpers)

Vatican News: Erzbischof Heße, seit Samstag und noch bis zum Freitag sind Sie in Ihrer Eigenschaft als deutscher Flüchtlingsbischof in Ägypten unterwegs, um insbesondere die deutsche Öffentlichkeit auf das Schicksal sudanesische Flüchtlinge aufmerksam zu machen. Warum sind Sie gerade nach Ägypten gereist?

Erzbischof Stefan Heße, Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz: ?Der Sudan, das muss man leider feststellen, interessiert im Moment in Europa keinen. Dort gibt es aber die größte globale Flüchtlingsbewegung, die wir kennen. Im Sudan tobt ein furchtbarer Bürgerkrieg und deswegen sind viele Millionen Menschen auf der Flucht und die meisten davon sind ins Nachbarland nach Ägypten gekommen. Offiziell hat das UNHCR etwas über eine Million registriert. Aber es ist davon auszugehen, dass es weit weitaus mehr Menschen sind. Und wenn das die größte Fluchtbewegung auf dem Globus ist, dann kann man daran nicht vorbeischauen, sondern muss unbedingt den Blick auf das Schicksal dieser Menschen lenken. Und das ist gerade auch Aufgabe der Kirche, auch der Kirche aus Europa und Deutschland.“

?Wenn das die größte Fluchtbewegung auf dem Globus ist, dann kann man daran nicht vorbeischauen, sondern muss unbedingt den Blick auf das Schicksal dieser Menschen lenken. Und das ist gerade auch Aufgabe der Kirche, auch der Kirche aus Europa und Deutschland.“

Besuch einer Gemeinschaftsschule für Geflüchtete in Assuan (Foto DBK/Elpers)
Besuch einer Gemeinschaftsschule für Geflüchtete in Assuan (Foto DBK/Elpers)

Vatican News: Ägypten als Hauptaufnahmeland für diese Flüchtlinge befindet sich ja seit Jahren eigentlich selbst in einer wirtschaftlichen Krise, wobei nicht nur die Inflation, sondern auch der Nahostkonflikt zunehmende Belastungen und Unsicherheit mit sich bringen. Wie reagieren denn die Ägypter auf diese Flut von Hilfesuchenden?

Erzbischof Heße: ?Ja, Ägypten ist ein Land, das sich in schwierigen Zeiten befindet. Die wirtschaftliche Situation ist nicht einfach. Die Inflation, das haben sie gesagt, ist hoch, so dass das Land selber gebeutelt ist und Hilfe braucht. Und deswegen ist es schon eine große Leistung, dass sie diese Menschen aufnehmen. Am Anfang waren sie offener, mittlerweile wird es etwas rigider und für die Geflüchteten Besorgnis erregend. Insofern besteht einerseits Respekt, andererseits aber auch der Wunsch, dass die Sorge um die Geflüchteten verbessert wird und deren Anliegen hier im Land besser aufgegriffen und angegangen werden.“

Besuch des St. Bakhita-Zentrums in Kairo (Foto DBK/Elpers)
Besuch des St. Bakhita-Zentrums in Kairo (Foto DBK/Elpers)

Vatican News: Davon haben Ihnen wahrscheinlich auch Ihre Gesprächspartner berichtet. Welche Begegnungen standen denn auf dem Programm für Sie bei dieser Reise?

Erzbischof Heße: ?Ganz verschiedenartige Begegnungen, zum Beispiel Informationsbegegnungen mit den Hilfswerken, vor allen Dingen mit dem UNHCR, also dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen, aber auch mit der Internationalen Migrationsorganisation IOM. Wir sind natürlich auch mit kirchlichen und anderen NGOs und Unterstützungswerken zusammengekommen, mit der Caritas, mit dem Catholic Relief Service aus den USA. Und es stehen Begegnungen etwa mit dem deutschen Gesandten oder auch kirchlichen Repräsentanten, wie zum Beispiel dem orthodoxen Papst Tawadros II., den wir hier in Kairo besuchen konnten, auf dem Programm.

All diese Akteure können auf ihre Art und Weise über Informationen verfügen oder Hilfestellung leisten. Und insofern ist das sehr wichtig gewesen, um sich einen Überblick über das Schicksal der Menschen, aber auch die Art und Weise, wie man ihnen begegnet, verschaffen zu können.“

Erzbischof Heße in Audienz beim koptischen Papst Tawadros II. (Foto DBK/Elpers)
Erzbischof Heße in Audienz beim koptischen Papst Tawadros II. (Foto DBK/Elpers)

Vatican News: Sie haben das Gespräch mit dem Koptenpapst Tawadros II. erwähnt, was für einen Eindruck haben Sie denn, bietet die Hilfe für die Flüchtlinge im Land auch eine Gelegenheit für ökumenische Annäherung?

Erzbischof Heße: ?Also ich hatte schon den Eindruck, dass der Patriarch sehr aufgeschlossen ist und dass es gute Kooperationen und auch einen guten Dialog zwischen den verschiedenen christlichen Denominationen gibt. Zum Beispiel konnte ich auch feststellen, dass die ägyptische Caritas für alle katholischen Kirchen hier gemeinsam aktiv ist und sich einsetzt, dass es auch christlicherseits diese gemeinsame Unterstützung gibt und man mit den Mitteln, die man zur Verfügung hat, einiges auf den Weg bringt und versucht, an der Seite der Geflüchteten zu sein.

Ich glaube, das ist die Hauptbotschaft. Sie können nicht alles lösen, aber sie sind an der Seite dieser Menschen und versuchen ihnen mit Schulprogrammen und mit Gesundheitsprogrammen beizustehen und das Nötigste zu unterstützen.

Erzbischof Heße feiert die Heilige Messe in Assuan (Foto DBK/Elpers)
Erzbischof Heße feiert die Heilige Messe in Assuan (Foto DBK/Elpers)

Vatican News: Was ist Ihnen denn aus Ihren Gesprächen und Begegnungen ganz besonders im Herzen geblieben? Oder was hat Sie besonders beeindruckt?

Erzbischof Heße: ?Am meisten beeindruckt mich bei solchen Reisen immer die Begegnung mit den Geflüchteten selbst. Zum Beispiel ist mir noch in Erinnerung dieses Registrierungszentrum, in dem wir waren. Leider gibt es nur eines davon in ganz Ägypten, wo die Menschen hinkommen müssen. Und das ist dann auch nur ein Schritt auf dem ganzen Weg der Registrierung, es braucht nämlich neben der Registrierung beim UNHCR auch eine Registrierung beim Staat. Das braucht oft viele Jahre und kann manchmal sogar dazu führen, dass das jemand diese Registrierung nicht erhält.

?Am meisten beeindruckt mich bei solchen Reisen immer die Begegnung mit den Geflüchteten selbst“

Bei dem Besuch musste ich auch erleben, dass ein junger Mann, der offenbar herzkrank war – und der, weil er noch nicht fertig registriert war, keinen Zugang zum Gesundheitssystem hatte - vor dem Abschluss des Registrierungsverfahrens in der Stelle auch verstorben ist. Das ist natürlich ein sehr hartes Schicksal und mir wurde das häufiger berichtet, dass die Herausforderungen der Flucht so stark sind, dass viele Menschen hier auch gar nicht ankommen.

Beim Besuch des UNHCR-Registrierungszentrums in Kairo (Foto DBK/Elpers)
Beim Besuch des UNHCR-Registrierungszentrums in Kairo (Foto DBK/Elpers)

Und beeindruckend ist es dann natürlich auch, doch zu sehen, wie die Menschen ihr Schicksal in die Hand nehmen. Es sind sehr starke Menschen, die die Gelegenheit zum Gespräch nutzen und ihre Appelle an mich und unsere kleine Delegation gerichtet haben, die wir auch mit nach Deutschland nehmen. Und die Hauptbotschaft war eigentlich: Vergesst uns nicht. Die fühlen sich hier schon ziemlich abgeschrieben bei den großen Sorgen, die sie haben.

Aber auf der anderen Seite haben sie auch ihren Glauben geteilt. Begeisternd ist dann, wie stark der Glaube ist, wie sie ihn feiern in einer würdigen Liturgie, mit einem Chor, mit einer Band, mit vielen Ministranten am Altar. Das ist auch für die jungen Leute wichtig und die Nähe zu diesen Menschen, glaube ich. Das ist ein Signal, welches man nicht unterschätzen darf, dass da jemand aus Deutschland kommt, dass er Zeit und Aufmerksamkeit schenkt, das weiß man zu schätzen und das ist ein Signal, dass hier vieles bewegt.

?Dass da jemand aus Deutschland kommt, dass er Zeit und Aufmerksamkeit schenkt, das weiß man zu schätzen und das ist ein Signal, dass hier vieles bewegt“

Und auf der anderen Seite bewegt mich natürlich all das, was ich hier hören und greifen kann an den Schicksalen, aber auch an der Art und Weise, wie die Menschen ihren Glauben leben und wie sie versuchen, ihre großen Herausforderungen doch mit viel Kraft und Power selbst in die Hand zu nehmen und anzupacken.

Besuch der Klinik der Caritas Assuan und Gespräch mit Vertretern der Caritas Assuan (Foto DBK/Elpers)
Besuch der Klinik der Caritas Assuan und Gespräch mit Vertretern der Caritas Assuan (Foto DBK/Elpers)

Die Menschen im Sudan leiden sehr… Nicht nur durch den Bürgerkrieg, sondern jetzt ist es ja gerade auch noch zu einem verheerenden Erdrutsch gekommen, bei dem über 1000 Menschen ums Leben gekommen sind. Inwiefern hat denn diese Katastrophe Ihre Gespräche beeinflusst?

Erzbischof Heße: ?Die spielte am Rand eine Rolle. Man hat das natürlich mitbekommen. Aber ich glaube, das Fluchtgeschehen ist den Leuten dann doch noch näher. Daran sieht man, wie gebeutelt das Land ist und wie schwierig die Herausforderung ist.

Insofern ist es sicher auch ein gutes Zeichen gewesen, dass Papst Leo gerade in diesen Tagen auch noch einmal darauf hingewiesen hat, dass man dieses Fluchtgeschehen und das Bürgerkriegsgeschehen im Sudan bitte nicht vergessen solle, sondern dass man gerade dort Aufmerksamkeit und natürlich auch Hilfe hinlenkt.

Deshalb ist es schon auch bewegend, was hier mit vielen Mitteln zuwege gebracht wird in vielen Bereichen, gerade in der Gesundheitsvorsorge, aber auch im Schulwesen, um den Menschen eine einigermaßen gute Grundlage für ihr Leben zu geben.

?Mich beschämt, wie privilegiert wir leben“

Und ehrlich gesagt: Mich beschämt, wie privilegiert wir leben, wie sicher wir leben, was ja, wenn man aufs Ganze schaut, überhaupt keine Selbstverständlichkeit ist. Da können wir dankbar sein. Aber es fordert uns eben auch auf, gerade denen, denen es weniger gut geht, zur Seite zu stehen und sie zu unterstützen.“

Besuch der Klinik der Caritas Assuan und Gespräch mit Vertretern der Caritas Assuan (Foto DBK/Elpers)
Besuch der Klinik der Caritas Assuan und Gespräch mit Vertretern der Caritas Assuan (Foto DBK/Elpers)

Vatican News: Wie kann die internationale Gemeinschaft und wie können die deutschen Gläubigen denn jetzt auch ihrem Appell folgend konkret helfen?

Erzbischof Heße: ?Ich hoffe erst mal, dass die Politik, die EU, aber auch Deutschland, Ägypten und den Sudan nicht vernachlässigt, sondern dass auf politischer Ebene hier gute Kooperationen geschmiedet werden und dass auch entsprechende Hilfsleistungen geschultert werden und man diese Region, dieses Land, diese Menschen bewusst unterstützt.

Ich bin auch dankbar, dass gerade die Caritas Deutschland immer wieder gelobt wurde und dass man über deren Zusammenarbeit sehr stolz ist und mit ihr eine gute Vernetzung besteht. Es gilt, dass das auch weitergeführt wird. Und wir wissen, die Mittel werden nicht mehr. Im Gegenteil, gerade aus den USA werden sie strikt eingestrichen. Das belastet natürlich die ganze Migrationsarbeit sehr. Und ich glaube, wir tun gut daran, den Menschen hier zu helfen und sie zu unterstützen und damit alles zu tun, damit sie in ihren Heimat- und Erstaufnahmeländern gut existieren können.

?Die, die mehr haben, sollten denen zur Seite stehen, die weniger haben.“

Und als Christen versteht sich von selbst, dass wir ja nicht nur Freude miteinander teilen, sondern auch Leid und gerade in solchen Situationen für die anderen einstehen. Und dass wir natürlich auch die Brücke des Gebetes und des gemeinsamen Glaubens beschreiten, um wirklich als Brüder und Schwestern der einen großen Weltkirche gemeinsam unseren Weg zu gehen.

Und die, die mehr haben, sollten denen zur Seite stehen, die weniger haben."

Vatican News: Vielen Dank, Herr Erzbischof!

Erzbischof Heße: ?Gerne."

Die Fragen stellte Christine Seuss

(vatican news)

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04. September 2025, 15:16