Unser Sonntag: Tischmanieren
Man sieht diese Szene richtig vor sich. Jesus im Haus des Pharisäers. Und er steht da unter genauer Beobachtung: Mal gucken, wie er sich verhält, was er so sagt, wie er sich benimmt. Ob er auch die Tischsitten alle einhält.
Denn man hört ja: Seine Jünger jedenfalls halten es gar nicht so eng und so genau mit dem Waschen zum Beispiel vor dem Essen. Mit den Riten, die man einhält, bevor man sich dann zu Tisch legt. Damals lag man zu Tisch, man saß nicht zu Tisch. Also dieses Gefühl der Beobachtung, des Misstrauens, das ist hier mit Händen zu greifen. Was macht Jesus?
Tischkodex Jesu
Er gibt selber so eine Art Tischkodex des Verhaltens beim Essen. Das kann uns eigentlich wundern. Brauchen wir das? Tischsitten von Jesus Christus? Ist er so eine Art Knigge, der uns sagen muss: Also bitte Händewaschen, bevor ihr euch zu Tisch legt und auch mal das Gegenüber ausreden lassen. Und Mund zu beim Essen usw. Ich überzeichne jetzt ein bisschen, aber ich will auf das Problem aufmerksam machen wie das Jesus hier praktisch tut. Ja, gute Tischsitten, gute Tischmanieren erklärt. Jedenfalls auf den ersten Blick. Und dass man sich als Christ fragen kann: Ist zwar nett das zu haben bei uns im Evangelium, aber brauchen wir das wirklich? Hätte es nicht gereicht: Die Gleichnisse, die Bergpredigt, die Erzählung von seinem Leiden und Sterben, seine Wunder? Brauchen wir auch diese Ermahnungen bei Tisch? Die Sache sieht dann ein bisschen anders aus, wenn wir daran denken, was das Essen, das Mahl gerade im Neuen Testament und bei uns Christen für Konnotationen hat.
Alle sind eingeladen zum himmlischen Festmahl
Das ist ja kein gleichgültiger Kontext, sondern das ist etwas Heilsgeschichtliches. Letzte Woche im Evangelium haben wir gehört: Am Schluss kommen die Vielen von West und Ost, von Nord und Süd zum himmlischen Festmahl. Wir lesen bei den Propheten: Dann wird der Becher kreisen, unter allen Eingeladenen auf meinem Berg Zion. Und dann sind alle eingeladen zum himmlischen Festmahl in der Stadt Jerusalem. Wir haben als eschatologische, also als Heils-hinweisende Zeichen die Mahl Gemeinschaften Jesu mit anstößigen Menschen, mit Zöllnern, mit Prostituierten, mit weniger angesehenen Menschen der damaligen Gesellschaft. Wir haben vor allem das letzte Abendmahl, bei dem Jesus sagt: Ich bin unter euch als derjenige, der bedient.
Das Mahl ist im Christentum nichts Gleichgültiges
Johannes setzt das ins Bild. Statt die Einsetzung der heiligen Eucharistie zu beschreiben, setzt er an diese Stelle - praktisch an diese Lehrstelle - die Erzählung: Wie Jesus aufsteht, herumgeht und seinen Jüngern die Füße wäscht. So zur Empörung des Petrus, der mal wieder nicht versteht, wie ihm, wie ihm da mitgespielt wird und sagt Also ja gut, wenn das ein Zeichen ist, dann bitte nicht nur die Füße, sondern auch den ganzen Rest und das Gesicht. Also das Mahl ist im Christentum nichts Gleichgültiges.
Eucharistie
Darum treffen wir uns auch zur Erinnerung und zur Wiedervergegenwärtigung des Heilsgeschehens von Golgatha. Zumal nicht einfach nur um einen Tisch, bei dem etwas vorgelesen wird aus der Bibel und dann gute Erklärung und dann geht man wieder nach Hause, sondern wir brechen das Brot nicht nur so, wie Jesus sich hat brechen lassen am Kreuz, sondern wie er beim Mahl das Brot gebrochen hat. Also das Mahl als Heilsgeschichte und unsere Eucharistiefeiern, nicht nur als beliebiges Nachspielen dessen, was damals war vor 2000 Jahren, sondern als Wieder-Vergegenwärtigung und Ausgespannt sein auf das himmlische Festmahl, das uns hoffentlich allen einmal bevorsteht.
In dieser Hinsicht kann es nicht gleichgültig sein, was Jesus über die Mahlgemeinschaft sagt. Und dann sehen wir es mal nicht an diesen Pharisäer gerichtet, der damals die gute Idee hatte, Jesus zum Essen einzuladen, sondern an uns gerichtet: Geh nicht, setz dich nicht auf den Ehrenplatz. Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt. Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Wenn wir ehrlich sind also erst mal findet das ja in unseren Eucharistiefeiern gar nicht so wirklich statt. Wir sitzen bei uns in der ersten Bank, oft noch mit Goldplakette vorne markiert, reserviert für Familie sowieso oder für den Männergesangsverein oder weiß der Kuckuck für wen.
Papst Franzikus predigte Demut
Also die Honoratioren sitzen vorne und ganz hinten sitzen die, die sich nicht richtig trauen, die vielleicht auch eher wieder rausgehen, damit sie nicht in die Verlegenheit kommen, dass jemand anderes ihm die Hand schütteln muss. Und das könnte für den anderen ja unangenehm sein. Also in unseren Eucharistiefeier setzen wir das nicht um, was Jesus hier dem Pharisäer sagt. Die Hinteren, die letzten, die sollen ganz vorne sitzen, die gehören nach vorne. Das sind die, um die es eigentlich geht. Aber das ist ja auch, abgesehen von unseren Mahlfeiern, eine geistliche Lehre für uns: der Demut. Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt. Der verstorbene Papst Franziskus hat immer wieder über Demut gepredigt, und das war sicher ein Thema, das ihn viel beschäftigt hat.
Viele haben ihn ja selber auch dadurch, dass er nicht hier im Apostolischen Palast gewohnt hat, sondern in Santa Marta als ein Beispiel für Demut im Papstamt gewertet. Aber jedenfalls hat ihn dieses Thema sehr beschäftigt und einmal hat er in einer seiner Frühmessen in Santa Marta gepredigt: Es gibt keine Demut ohne Demütigung. Ganz schwieriges Feld. Wenn sie kommt und sie kommt, muss man sie sogar suchen, um in die richtige Haltung der Demut, der Demütigung versetzt zu werden.
In seiner Biographie hat der damalige Papst Franziskus, vormals der Jesuit Bergoglio, selbst, so einen Moment gehabt, wo er sozusagen als Provinzial in Argentinien seines Ordens "abgesägt " worden war und nach Cordoba ins Nirgendwo, weit weg von der Hauptstadt Buenos Aires versetzt wurde. Da war er auf einmal, nachdem er vorher wichtige Ämter im Orden ausgeübt hatte, ein Niemand, der gerade mal als Beichtvater dort an der Kirche noch gerade dafür gut genug war. Also in seinem Leben hat er selber diese Demütigung erlebt, von der er immer wieder sprach. Und ich lege manchmal dieses theologische Denken von Franziskus von der Demütigung als Folie über seinen Umgang, über den man vieles sagen kann, mit dem deutschen Kurien Erzbischof Georg Gänswein, dem früheren Sekretär Joseph Ratzingers, Benedikts des XVI. - das war ja ein manchmal auch schwieriges Verhältnis zwischen den beiden.
Die Letzten werden die Ersten sein
Und theologisch kann man das vielleicht in die Nähe dieses Gedankens der Demütigung rücken, die ein Papst Franziskus für nötig hielt, damit wir in die richtige christliche Spur hineinfinden und uns nicht überheben, nicht glauben, wir hätten von vornherein Anspruch auf die ersten Plätze beim Festmahl, in der Kirchenbank oder sonst generell im Leben. Also ein schönes Evangelium über Tisch-Sitten, das doch so viel mehr sagt über Demut, über Demütigung, darüber, dass die Letzten die Ersten sein werden und die Ersten die Letzten sein werden.
Ich freue mich sehr, verehrte Hörerinnen und Hörer, dass wir - auch ganz speziell an unsere Freunde von K-TV - mit Ihnen - diese Betrachtungen zum Sonntag diese Sendung von "Unser Sonntag" teilen durften.
Jetzt endet leider diese Epoche. Und was bisher auch bei TV im Fernsehen lief, geht jetzt wieder zurück nur auf das eigene von Radio Vatikan. Vatican News. Ich will aber als Redaktionsleiter im deutschen Programm von Vatican News und Radio Vatikan diese Gelegenheit nutzen, um mich sehr herzlich für diese Jahre mit Ihnen zusammen zu bedanken. Bleiben wir miteinander verbunden, damit wir uns alle einmal wiederfinden beim himmlischen Festmahl im himmlischen Jerusalem, wo wir alle hoffentlich bei Tisch sitzen werden.
Welche Manieren uns dahin bringen sollen, wissen wir ja aus dem heutigen Evangelium.
Ihnen alles Gute und Gottes Segen.
Wir bedanken uns an dieser Stelle auch ausdrücklich bei Dr. Hans-Albert Courtial von der Residenz Paul VI. /Residenza Paolo VI. auf deren herrlicher Terrasse mit Blick auf die Fassade von San Pietro wir zahlreiche Folgen von "Unser Sonntag" drehen durften.
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
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