Unser Sonntag: Berufung hat man nicht aus sich
Weihbischof Peter Birkhofer
Joh 21 1.15-19
Das Evangelium vom heutigen Festtag deutet bereits auf den Abschied hin und hebt gleichzeitig hervor, dass der Herr uns nie allein lässt.
An Pfingsten haben wir gefeiert, dass der Herr uns den Heiligen Geist als Geist der Wahrheit geschenkt hat. Heute hören wir, dass er Hirten einsetzt, die sich um seine Schafe, also die Menschen, kümmern sollen. Deren Aufgabe ist nicht selbstgewählt, sondern Frucht der Liebe, die sie Gott entgegenbringen.
Die dreimalige Frage an Petrus unterstreicht dies: Der Herr ruft und spricht an. Berufung hat man nicht aus sich. Berufung ist nicht Ergebnis eigener Überlegungen, Wünsche, Ideen, nicht das Produkt des eigenen Willens, sondern Ansprache und Anspruch durch den Herrn.
Auffällig ist gleich zu Beginn die erste Frage ?Liebst Du mich mehr als diese?“ – gemeint sind die anderen Jünger. Mit diesem kleinen Wort ?mehr als diese“ hebt der Herr hervor, dass dadurch jenen Einhalt geboten wird, die die Schafe mehr lieben als Christus.
In den Worten von Augustinus geht die Frage gegen diejenigen, welche die Schafe ?als die ihrigen betrachten, nicht als die Christi.“ Diese falschen Hirten ?erweisen sich als solche, die sich lieben, nicht Christus, geleitet von dem Verlangen, entweder sich zu rühmen oder zu herrschen oder zu gewinnen, nicht von der Liebe zu gehorchen, zu helfen und Gott zu gefallen. Die so oft gestellte Frage Christi wacht also gegen diejenigen, über welche der Apostel klagt, dass ?sie das Ihrige suchen, nicht was Jesu Christi ist‘“.
Weiden heißt lieben
Auch hier hallt die Mahnung nach, dass das Leben verliert, wer es besonders liebt und dass wir in der Liebe Gottes nicht unser Werk tun, sondern der Wahrheit folgen. Wer sich auf diese Liebe einlässt, der hört den Auftrag Jesu ?Weide meine Lämmer, weide meine Schafe.“
?So muss es eine Haupteigenschaft des Hirten sein, dass er die Menschen liebt, die ihm anvertraut sind, weil und wie er Christus liebt, in dessen Diensten er steht. ?Weide meine Schafe“, sagt Christus zu Petrus, sagt er nun zu mir. Weiden heißt lieben, und lieben heißt auch, bereit sein zu leiden. Und lieben heißt: den Schafen das wahrhaft Gute zu geben, die Nahrung von Gottes Wahrheit, von Gottes Wort, die Nahrung seiner Gegenwart, die er uns in den heiligen Sakramenten schenkt.“ (Papst Benedikt XVI.)
Die dreimalige Frage Jesu spielt zum einen offensichtlich auf die Dreizahl der Trinität an und ruft zum anderen aber auch die dreimalige Leugnung Jesu durch Petrus bei der Passion in Erinnerung. Mit den Worten des Kirchenvaters Augustinus: ?Für die dreifache Verleugnung wird ein dreifaches Bekenntnis erstattet, damit nicht die Zunge weniger der Liebe als der Furcht diene und der bevorste-hende Tod mehr Worte entlockt zu haben scheine als das gegenwärtige Leben. Es sei ein Erweis der Liebe, die Herde des Herrn zu weiden, wenn es ein Beweis der Furcht war, den Hirten zu ver-leugnen.“
Petrus: demütig und realistisch
Als Jesus Petrus fragt: ?Liebst du mich?“, verwendet er das griechische Wort, das eine totale, sich selbst hingebende Liebe bezeichnet. Petrus hingegen antwortet angesichts seiner Gebrochenheit und Schwäche mit Ja - aber mit dem Wort, das von liebevoller, freundschaftlicher Zuneigung spricht.
Wir begegnen hier einem Petrus, der nicht mehr überschäumt mit Treueversprechen, sondern einem Petrus der demütig und realistisch geworden ist, der sich aber auch nicht schämt, seine Liebe trotz ihrer offensichtlichen Schwäche zu bezeugen. Es ist eine Liebe, die nicht mehr auf sich selber baut; eine Liebe, die nicht versucht, den Helden zu spielen; sondern eine aufrichtige Liebe, die nur den einen Wunsch hat, der Freundschaft mit Jesus treu zu sein. Er sagt einfach, dass sein Herz für Christus offen ist und dass Christus deshalb weiß, dass er ihn mit der besten Liebe liebt, zu der er als sündiger Mensch fähig ist.
Jesus drängt nicht
Als Jesus zum dritten Mal fragt, lässt er sich auf Petri Formulierung ein und übernimmt sie. Jesus drängt nicht, er kann warten, er fordert nichts, was wir nicht geben können. Das, was wir bereit sind zu geben, sollen wir aus Liebe geben.
Die Demut Jesu kennt keine Grenzen. Der dreifache Verrat wurde mit einem dreifachen Akt des Glaubens und der Liebe überwunden. Man kann noch ergänzen, dass hier die Gnade als unverdientes Geschenk sichtbar wird, trotz der vorherigen Verfehlung, des Verstoßes gegen das Gebot der Liebe eine Umkehr möglich ist und damit auch eine Wiederkehr der Liebe. Entscheidend ist jedoch auch das persönliche Bekenntnis von Petrus.
Das mündet aber in ein Bekenntnis nicht nur des Geistes, sondern auch des Herzens, weil Petrus nicht sich selbst, sondern Christus liebt. Und somit ist diese Stelle nicht nur eine Meditation über die Nachfolge, sondern zugleich zur Lehre und zum Vorbild gegen die menschliche Selbstsucht, insbesondere von allen, die damit beauftragt sind, die Schafe zu weiden.
Die Seinigen weiden!
Bzw. wieder mit den Worten des Kirchenvaters Augustinus:
?Alle diese Übel fließen wie aus einer Quelle, aus dem nämlich, was er an die Spitze gesetzt hat: Selbstsucht. Mit Recht wird darum zu Petrus gesagt: ?Liebst du mich?“ und er antwortet: ?Ich liebe Dich“, und es wird ihm erwidert: ?Weide meine Lämmer“; und so zum zweiten, und so zum dritten Male. … Also nicht uns, sondern ihn wollen wir lieben und beim Weiden seiner Schafe das Seinige, nicht das Unsrige suchen. Denn auf eine gewisse unaussprechliche Weise liebt, wer sich, nicht Gott liebt, sich selbst nicht, und wer Gott, nicht sich liebt, der liebt sich selbst. … Also nicht sich selbst sollen die lieben, welche die Schafe Christi weiden, damit sie dieselben nicht als die ihrigen, sondern als die Seinigen weiden und aus ihnen ihren Gewinn ziehen wollen…“
Der heilige Geist genügt
Wenn diese Liebe, nach der Jesus fragt, das alles Entscheidende ist, dann versteht man, dass Jesus den Jüngern keine Hilfsmittel, schon gar keine Macht in Aussicht gestellt hat, nur den Heiligen Geist. Er genügt. Von ihm gestärkt können sie ihren Auftrag erfüllen, für ihn Zeugnis abzulegen.
Wer sich so auf die Gnade einlässt, muss bereit sein, alle Selbstsucht alles Bemühen um Prestige und Image für die Aufgabe, Jesus Christus zu verkünden hinter sich zu lassen. Wo Menschen um sich selber kreisen, haben sie den Eindruck, sie könnten sich selbst gürten. Für den Hirten heißt dies, nicht die Schafe um Christi willen zu weiden, sondern um für sich selbst zu sorgen.
Dabei lauert eine weitere Gefahr, dass bei allem innerkirchlichem Streiten, Machen und Fordern die Mitte aus dem Blick gerät.
Jesu Frage ?Liebst du mich?“ kennzeichnet die Mitte. Er selbst ist diese Mitte: er, der Gekreuzigte und Auferstandene ist es, den es zu verkünden und durch das Leben zu bezeugen gilt. Darum ermutigt Jesus, die Hände auszustrecken, sich von ihm gürten zu lassen, sich der Gnade anzuvertrauen, mehr von ihm als von den eigenen Werken zu erwarten.
Weil wir wissen, dass diese irdische Welt uns die Erfüllung nicht gibt, die sie uns verspricht, können wir erkennen, dass wir die Hand ausstrecken sollten, um jene ausgestreckte Hand zu ergreifen, die uns Christus entgegenhält.
Auch die Hirten sind bloß Schafe
Das heißt aber zu erkennen, dass die Hirten selbst auch bloße Schafe sind, die von Christus keinen anderen Vorzug erhalten haben, als von der Leugnung durch Umkehr befreit und so erwählt worden zu sein. Das ist aber kein bleibender Gnadenstand, sondern gerade eine Lebensaufgabe, in Demut und Gleichmut als Vorbild zu wirken, sowohl im Umgang mit dem Guten als auch mit dem Umgang mit dem eigenen Schlechten, das wir erwählen oder das für uns erwählt wird.
?Liebst du mich?“ – dies ist Jesu Ruf in seine Nähe, eine persönliche Beziehung mit ihm, der uns liebt, zu leben.
Wir brauchen Jesus existenziell
Wenn wir erkennen, dass wir ihn existenziell brauchen, gibt er uns die Kraft, zu leben, wie er selbst lebte. Nur in Demut und vom Herzen her, im Vertrauen auf seine Gnade beginnen wir, uns den Auftrag, den Gott uns gegeben hat, wirklich zu eigen zu machen und auch in säkularisierter Zeit die Sendung erfüllen, Christus, das Licht, hinauszutragen in die Welt und hineinzutragen in die Herzen der Menschen.
In diesem Sinn ist Petrus in seinem ?Ja“ zur Liebe Gottes ein Vorbild, ähnlich wie auch Hiob zu unserem Vorbild wird, indem er sich dem Willen Gottes unterordnet. Und das bedeutet gerade keine blinde Abhängigkeit von göttlicher Willkür, sondern das Einsehen in Gottes segensreiches Wirken, das uns nicht Fesseln anlegt, sondern ans Leben binden will.
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
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