Misereor: Kirche muss bei Klimaschutz moralische Autorit?t sein
Luca Vazgec – Vatikanstadt
Die ersten Gespräche, berichtet Wörner, seien von Kämpfen um eine gemeinsame Agenda geprägt gewesen: ?Das ist immer mal wieder Thema am Anfang“, so Wörner, die dies aber eher ein Kräftemessen vor der tatsächlichen Arbeit einordnet: ?Und jetzt laufen eben diese technischen Verhandlungen an Arbeitsprogrammen, Workshops, an Konsultationen, in Nebenveranstaltungen zur Vorbereitung der COP30. Inhaltlich geht es natürlich um die sogenannten NDC, also nationale Klimapläne, die in diesem Jahr eingereicht werden sollen.“
Das Pariser Klimaabkommen hat vor nunmehr zehn Jahren die Situation auf den Punkt gebracht. An der Diagnose hat sich nichts geändert. Es gehe jetzt vielmehr darum, so Wörner, nachzuschärfen. Der Ernst der Lage sei allerdings klar: ?Wir wissen, dass mit jedem vermiedenen zehntel Grad Erderwärmung Entwicklung erleichtert wird, dass gutes Leben für alle erleichtert wird, Gerechtigkeit leichter wird und genau dafür setzen wir uns ein. Aktuell befinden wir uns ja in einem Höhepunkt der globalen Emissionen. Das heißt, es geht jetzt darum, tatsächliche Minderungen zu erreichen.“
Erneuerbare haben fossile Energien überholt
Der Schwerpunkt liege auf der Umsetzung der Maßnahmen auf nationaler Ebene, diagnostiziert Wörner: ?Da geht es um Finanzierung, da geht es um politischen Willen, da geht es um den Anpassungsdruck, der jetzt schon besteht, weil die Klimakrise andauert. Sie beschädigt jetzt schon Leben!“ Wichtig bei diesen Maßnahmen seien ?Transparenz und Accountability“, die Rechenschaftspflicht staatlicher Akteure, und die lokalen Kontexte der einzelnen Staaten.
Ein konkreter Hebel sei dabei die Energiepolitik. Hier habe man schon viel erreicht, so Wörner: ?Schon heute sind die Erneuerbaren attraktiver als die fossile Infrastruktur. Es werden mehr erneuerbare Energien ausgebaut als fossile, und aktuell ist Solarenergie die günstigste.“ Gerade sei man an einem ?Kipppunkt der globalen Energiewende“, schätzt Wörner ein. Es gehe um gerechte Umsetzung, und darum, lokale Perspektiven zu berücksichtigen: ?Städte und regionale Akteure haben eine besondere Bedeutung in der Umsetzung von Klimaschutz, häufig dann eben auch in der Verschränkung mit Anpassungsmaßnahmen.“
Brasilien als Vorbild?
Die COP30 findet im November im brasilianischen Bélem statt. Brasilien war in der Vergangenheit wieder für seinen laxen Umgang mit Klimaschutzmaßnahmen kritisiert worden. Ziel der Kritik waren nicht nur die Rodungsprojekte des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der seine Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen nie verhehlt hatte, sondern auch dessen Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva: Klimaaktivisten hatten die Wahl des Progressiven zum Präsidenten Brasiliens 2023 zunächst begrüßt. Im Amt hatte Lula da Silva indes vermehrte Ölbohrungen befürwortet.
In Bonn blicke man kritisch auf diese Entwicklungen im Austragungsland: ?Das ist ein heterogener Blick“, berichtet Wörner, ?wir hatten letzte Woche Dienstag einen Moment, der ein bisschen schwer gelegen hat: Brasilien hat Explorationsrechte für 19 Ölfelder im Mündungsgebiet des Amazonas vergeben.“ Aus ökologischer Perspektive der falsche Schritt: ?Mündungsgebiete sind einzigartige Ökosysteme mit vielen Nährstoffen, Fischen und Artenreichtum – und genau da sollen jetzt Bohrungen stattfinden. Wir kennen das aus vielen anderen Kontexten, was das dann bedeutet“, befürchtet Wörner, etwa im Hinblick auf den Senegal, wo ähnliche Bohrungen dem Ökosystem und den dort lebenden Menschen nachhaltig geschadet hätten.
Ein US-amerikanischer Papst als Trumpf
Besonders die Zivilgesellschaft kritisiere die Maßnahmen, so Wörner: ?Am letzten Dienstag war das sehr präsent, diese Kritik. Wo sind die Bilder und die News dazu? Wo ist das Gleichgewicht, wenngleich die Strategie von Brasilien, jetzt natürlich der viertgrößte Ölexporteur zu werden, unglaublich kritisch ist und das absolut in die falsche Richtung zeigt. Die Glaubwürdigkeit bekommt Risse und gleichzeitig steht man in einem Spannungsfeld in der Weltlage.“
Die derzeitige Weltlage sei besonders davon geprägt, dass Europa und die USA ihr Verhältnis neu ausloteten, meint Wörner. Auch beim Klimaschutz sei man sich nicht mehr in allen Fragen einig. Der katholischen Kirche könne mit ihrem neuen US-amerikanischen Papst die Rolle eines Moderators zukommen: ?Ich finde, dass die katholische Kirche aktuell ein riesengroßes Pfund in der Hand hat, die USA doch in die Entscheidungen reinzubringen: mit Papst Leo XIV., der einen amerikanischen Hintergrund hat, aber lange in Lateinamerika gelebt hat.“
Auch könne die Kirche ?große moralische Impulse auf den Gipfel geben“, nämlich den fehlenden politischen Willen und die unrechte Verteilung von Mitteln monieren; ganz in Sinne der Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus, meint Wörner. Die Kirche sei dabei stark, wenn sie sich auf ihre synodale Struktur besinne: ?Was wir jetzt auch schon sehen, ist, dass sich die kontinentalen Bischofskonferenzen auf den Weg machen, in Brasilien, Lateinamerika, und Afrika. Auch die bereiten sich auf die Konferenz vor, besonders im Heiligen Jahr 2025, stehen aber auch dafür, dass ein gutes Klima dafür verantwortlich ist, dass wir alle wieder gut auf dieser Erde leben können.“
(vaticannews)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, k?nnen Sie hier unseren Newsletter bestellen.