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Bischof Felix Genn, emeritierter Bischof von Münster, bei einer Pressekonferenz (Archivbild,  2019) Bischof Felix Genn, emeritierter Bischof von Münster, bei einer Pressekonferenz (Archivbild, 2019)  (Bistum Muenster)

Bischof Genn: Leo XIV. steht für Demut, Dialog und Menschennähe

Bischof Felix Genn, emeritierter Bischof von Münster, hat als Mitglied im vatikanischen Bischofs-Dikasterium auch mit Kardinal Robert Prevost zu tun gehabt, jetzt Papst Leo XIV. Im Interview mit uns beschreibt Genn ihn als bescheiden, demütig und den Menschen zugewandt. Und er sagt: „Was jetzt an Erwartungen auf ihn gesetzt wird, da muss ich ehrlich sagen: Das finde ich auch ein Stück nicht einem Menschen gerecht - er muss ja auch Zeit haben, um in eine solche Aufgabe hineinzuwachsen."

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Bischof Felix Genn, emeritierter Bischof von Münster, Sie haben als Mitglied im vatikanischen Bischofs-Dikasterium auch mit Kardinal Prevost zu tun gehabt, jetzt Papst Leo XIV. Wie erinnern Sie sich an ihn?

Bischof Felix Genn, emeritierter Bischof von Münster*: Ich kann mich noch sehr gut an die ersten Begegnungen mit ihm erinnern, als er in das Dikasterium berufen worden war. Wir kamen ungefähr in der Nachbarschaft zusammen zu sitzen, hatten sofort auch einen Anknüpfungspunkt, weil ein Priester des Bistums Münster, Hiltruper Missionar, Bischof in Chosica (Region Lima) gewesen ist, heute emeritiert. Aber vor allem war es mir wichtig, dass ich mit ihm gleich in ein gutes Einvernehmen kam, in klaren Urteilen, in Kompetenz, mit einer Demut und Bescheidenheit und einer wirklichen liebevollen Zugewandtheit. Als er dann Präfekt des Bischofsdikasteriums wurde, hat sich das nicht geändert, außer dass er natürlich jetzt eine andere Rolle hatte, etwas distanzierter sein musste, um die einzelnen Mitglieder in ihren Meinungen gut zusammenzuhalten, zusammenzuführen und zu einem gemeinschaftlichen Urteil, das er dann dem Heiligen Vater vorzulegen hatte, zu finden. Das sind meine Erinnerungen.

Bischof Felix Genn, emeritierter Bischof von Münster, im Interview: Leo XIV. steht für Demut, Dialog und Menschennähe (Audio-Beitrag von Stefanie Stahlhofen für Radio Vatikan)

Wie lange haben Sie insgesamt mit ihm da zusammengearbeitet?

Mit der Zeit des Präfekten fünf Jahre.

  (ANSA)

„Als er dann auf die Loggia trat, merkte ich auch, dass er selber schlucken musste. Das hat ihn mir noch sympathischer gemacht. Denn: Was für eine Verantwortung hat dieser Mann übernommen? Das kann man ja nur betend und in Solidarität mittragen“


Und wie nehmen Sie ihn jetzt wahr? Jetzt ist er ja seit einer Woche und einem Tag Papst...

Genn: Ich habe nur tiefer noch erkennen dürfen, um was für einen großartigen Menschen es sich handelt. Weil ich jetzt auch die Seite kennenlerne, die natürlich in einem solchen Gremium nicht offenbar wird: Ich sehe an den Fotos... nicht nur das Foto mit ihm auf dem Maulesel als Missionar, sondern es sind mir zwei Fotos in Erinnerung, die ich jetzt gesehen habe. Das eine war eine Begegnung, da war er noch gar nicht Bischof, sondern Augustinergeneral. Und da saß er neben Papst Franziskus. Da habe ich gedacht: Was für ein demütiger und bescheidener Mensch tritt mir da entgegen. Und dann habe ich ein Foto gesehen, wie er in Peru gefirmt hat. Da merkte ich, aus dem Gesicht spricht eine Menschen-Zugewandtheit, eine Liebe zu den Menschen, in einer großen Demut.

  (ANSA)

„Menschen-Zugewandtheit, eine Liebe zu den Menschen, in einer großen Demut“

Und das Dritte ist mir aufgefallen in der Ansprache in der Sixtina, bei der ersten Messe mit den Kardinälen, also heute vor einer Woche: Er hat ja am Schluss ein Wort gesagt, das ganz und gar augustinisch klingt. Ich kann das deswegen sagen, weil ich über Augustinus gearbeitet habe, besonders über das Priesterbild. Und das war ganz und gar demütig: Der Priester, der Amtsträger muss immer mehr zurücktreten, verschwinden, hat er sogar gesagt, damit Christus nach vorne tritt. Und das sind drei Dimensionen der Verkündigung und der Art und Weise der Seelsorge, die ich natürlich in einer Sitzung eines Dikasteriums nicht im Vordergrund sehen konnte bisher. Und deswegen bin ich sehr, sehr glücklich.

Sie haben auch schon mal neben ihm gesessen, als er noch kein Papst war bei einer dieser Sitzungen im Dikasterium, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Gibt es da eine Anekdote oder etwas, das Sie uns berichten könnten?

Genn: Ob ich direkt neben ihm gesessen habe, das weiß ich nicht. Aber in unmittelbarer Nähe. Ich habe jetzt keine Anekdote im Kopf, sondern ich habe nur das, was ich eben geschildert habe, als positive Erinnerung in meinem Herzen. Und als er dann auf die Loggia trat, merkte ich auch, dass er selber schlucken musste. Das hat ihn mir noch sympathischer gemacht. Denn: Was für eine Verantwortung hat dieser Mann übernommen? Das kann man ja nur betend und in Solidarität mittragen. Und dass er das so macht, wie er es jetzt macht, so dass die Menschen wirklich froh sind, diesen Mann als Papst zu haben, das beruhigt mich nicht nur, sondern das macht mich tief zuversichtlich.

„Es gilt jetzt als erstes mal, dem Mann Zeit zu lassen, in diese Aufgabe hineinzuwachsen und ihn nicht schon mit allen möglichen Erwartungen und Kritiken zu überschütten. Das habe ich nicht in meinem Herzen und ich würde es mir auch versagen“

Die ersten Reaktionen scheinen ja bisher auch alle sehr positiv. Gibt es etwas, wo Sie sagen würden,nach der ersten Woche, da wäre velleicht doch noch Luft nach oben, oder etwas, wo Sie vielleicht auch denken, Sie könnten sich vorstellen, dass zu einem anderen Thema noch mal etwas kommt?

Genn: Das weiß ich nicht, muss ich ehrlich sagen, weil ich ja selber auch erlebt habe, was das heißt, von einem Tag auf den anderen in eine andere Aufgabe zu kommen. Also vom Regens zum Weihbischof, vom Weihbischof zum Bischof. Da habe ich das ja erlebt, vom Bischof von Essen zum Bischof von Münster. Es gilt jetzt als erstes, dem Mann Zeit zu lassen, in diese Aufgabe hineinzuwachsen und ihn nicht schon mit allen möglichen Erwartungen und Kritiken zu überschütten. Das habe ich nicht in meinem Herzen, und ich würde es mir auch versagen.

Vom heiligen Augustinus geprägt - und einer, der Synodalität kann

Sie haben ihn auch bei der Synode erlebt. Wie haben Sie ihn da wahrgenommen?

Ich habe in seinen Beiträgen ganz und gar gespürt, wie er vom Geist des heiligen Augustinus geprägt ist, wie er aber auch aus seiner Rolle als Leiter dieses sehr wichtigen Dikasteriums die Perspektive in einer Synode einbringt, die notwendig ist. Und das halte ich für absolut sachgerecht und glaube, dass nur so Synodalität wachsen kann, indem man die unterschiedlichen Stimmen, Meinungen miteinander ins Gespräch bringt. Und das kann er.

„Ich glaube, dass nur so Synodalität wachsen kann: Indem man die unterschiedlichen Stimmen, Meinungen miteinander ins Gespräch bringt. Und das kann er“

Das hat man ja sehr oft gehört, auch an anderer Stelle. Auch aus seiner Arbeit in Peru habe ich gelesen, dass immer berichtet wird, dass er ein sehr guter Zuhörer sei, dass ihm Dialog wichtig ist, dass er sogar auch Positionen annehmen konnte, die vielleicht seinen eigenen Vorstellungen widersprochen hätten. Es gibt extrem viele Erwartungen, die sich jetzt auf ihn richten, die man kaum erfüllen kann. Und Sie haben auch gesagt, das Amt ist eine große Bürde. Wie wird er damit umgehen?

Genn: Ich kann mir das nur so vorstellen, wie er das jetzt in der Öffentlichkeit gezeigt hat: Er ist zur Mutter vom Guten Rat gefahren. Er vertraut auf das Gebet, er vertraut auf die Brüderlichkeit. Er hat schon seine Gemeinschaft besucht, und er vertraut auch auf das Miteinander der Kardinäle und auch all der Menschen, die für ihn beten. Und ich glaube, das gibt ihm einen inneren Halt und eine innere Zuversicht, zu wissen: Ich bin nicht allein.

„Er ist zur Mutter vom guten Rat gefahren. Er vertraut auf das Gebet, er vertraut auf die Brüderlichkeit. Er vertraut auch auf das Miteinander der Kardinäle und auch all der Menschen, die für ihn beten“

Alles weitere, was jetzt an Erwartungen auf ihn gesetzt wird, da muss ich ehrlich sagen: Das finde ich auch ein Stück nicht einem Menschen gerecht, sondern es muss ja auch mal ein Mensch Zeit haben, um in eine solche Aufgabe hineinzuwachsen...

Papst Franziskus ist noch keine vier Wochen tot, und da war er noch Präfekt und hat diese Aufgabe erfüllt. Und jetzt von jetzt auf gleich in eine völlig andere Rolle, nicht mehr unmittelbar so frei zu sein, nach Hause zu fahren, zur Familie zu fahren, immer eine öffentliche Person zu sein, das ist ja Wahnsinn! Und deswegen denke ich, jetzt ist angesagt, dass wir ihn betend begleiten.

Auch die ganzen Termine, die er jetzt alle schon wahrgenommen hat - da kann man, glaube ich, wirklich nur den Hut ziehen. Am Sonntag jetzt ist dann die offizielle Messe zur Amtseinführung. Sie schauen sie im Fernsehen an, beim weißen Rauch waren Sie ja tatsächlich hier...

Genn: Für diese Woche waren Sitzungen angesetzt, im Synodensekretariat und im Dikasterium. Die Flüge waren gebucht. Ich wollte die jetzt nicht mehr stornieren und mir das Geld zurückgeben lassen, sondern habe gedacht, das ist jetzt auch eine Möglichkeit, so etwas mal mitzuerleben und auch Rom von einer anderen Seite her kennenzulernen, nicht nur von der Seite der Arbeit, sondern auch mir manches an Kulturellem noch anzusehen, was ich mir immer schon gewünscht hatte. Und deswegen fiel das ganz glücklich zusammen.

Ganz herzlichen Dank für diese Einschätzungen.

Vielen Dank!

* Bischof Felix Genn ist seit dem 9. März 2025 emeritierter Bischof von Münster. Damals hatte Papst Franziskus das altersbedingte Rücktrittsgesuch Genns angenommen. Seitdem ist der Bischofssitz dort vakant

(vatican news - sst) 

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16. Mai 2025, 13:15