Warum das Konzil von Niz?a heute noch wichtig ist
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
. Es befasst sich mit dem Ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa (heute Iznik, Türkei), das im Jahr 325 von Kaiser Konstantin einberufen wurde und auf dem das bis heute verbreitetste christliche Glaubensbekenntnis formuliert worden ist.
Zu den Autoren der Studie gehört die in Wien lehrende deutsche Theologin Marianne Schlosser. Wir sprachen mit ihr über die Aktualität dieses Konzils, dessen 1.700. Jahrestag in diesem Mai gefeiert wird.
Interview
Frau Professor Schlosser, was macht denn das Konzil von Nizäa heute noch so wichtig?
?Da gibt es verschiedene Aspekte. Einmal die Gemeinschaft der Bischöfe, die dort tätig geworden ist, also alle Fragen, die mit Synodalität zu tun haben: Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt. Aber vor allem ist es die Klarheit des Bekenntnisses zu Jesus Christus, der ?in der Gestalt Gottes‘ war, wie es im Philipper-Hymnus heißt, und der um unseres Heils willen Mensch geworden ist (vgl. Phil 2,6-7). Das ist eigentlich etwas total Schockierendes. Eine englische Autorin, die Sie wahrscheinlich kennen, die Krimiautorin Dorothy L. Sayers, hat einmal in einem ihrer ?Sacred Plays‘ dieses Schockierende des Christentums zum Ausdruck gebracht, indem sie darauf hinwies, dass das Bekenntnis von Nizäa eigentlich zum ersten Mal vom Apostel Thomas ausgesprochen worden ist, als er sagte ?Mein Herr und mein Gott!‘ (Joh 20,28). Er sagte das vor dem Auferstandenen, der die Zeichen seiner Folter und seines Todes zeigte.
Und genau das ist, was im Bekenntnis von Nizäa ausgedrückt wird: ?Er, der Gott gleich ist, er, dem Vater gleich ist, wurde um unseres Heiles willen Mensch, hat gelitten und ist begraben worden‘. Es gibt nichts, was schockierender ist als diese Zusammensetzung! Und jeder Gläubige, wir alle und auch jede Epoche braucht Zeit, um sich dieser Herausforderung zu stellen. Wir vergessen oft, dass das Christentum nichts Langweiliges ist, sondern dass das Bekenntnis zu Jesus Christus etwas mit meinem eigenen Sterben und mit meinem eigenen Leben zu tun hat. Deswegen, finde ich, ist es wichtig, dass wir uns nicht nur dieses Ereignisses, sondern dieses Bekenntnisses erinnern.“
Das Bekenntnis ist ja auch das am weitesten verbreitete; fast alle Christen können es sprechen. Sind da eigentlich noch Elemente drin, die wir jetzt gar nicht so auf dem Schirm haben, an denen die Kirchen aber noch weiterarbeiten sollten?
?Nun, wenn ich jetzt an den deutschsprachigen Bereich denke, muss ich sagen: Ich höre das Nizänisch-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis im Gottesdienst relativ selten – was ich sehr schade finde, weil es uns, wie Sie gerade gesagt haben, mit allen anderen christlichen Denominationen, die dieses Bekenntnis annehmen und die ersten Konzilien akzeptieren, und vor allem auch mit den Ostkirchen verbindet. Also, ich glaube, da könnte man schon noch mal auch katechetisch nachlegen, das würde ich sehr befürworten. Eigentlich sollte jeder gläubige Christ und jede gläubige Christin dieses Bekenntnis auswendig können, so wie auch das Apostolische Bekenntnis, weil es ursprünglich mit unserer Taufe zusammenhängt.
Ich werde in meinem Vortrag nachmittags ja darauf eingehen, dass die frühen Theologen versucht haben, dieses Bekenntnis auch katechetisch auszulegen. Was heißt ?Gott ist allmächtig‘? Was heißt ?Gott hat‘ – und das heißt eben auch: mit dem Sohn und dem Heiligen Geist zusammen – ?diese Welt geschaffen‘? Was für eine Liebe kommt zum Ausdruck, dass diese Welt nicht einfach laufen gelassen wird, dass sie ein Ziel hat, dass sie vollendet werden soll und dass Gott sich dafür einsetzt, um das so einfach zu sagen? Ich glaube, damit wird man wirklich nicht so schnell zu Ende kommen.“
Auf der einen Seite hat ein Glaubensbekenntnis eine relativ starre Form – als müsste man da etwas ?nachbeten‘. Auf der anderen Seite erwähnen Sie diese Taufkatechesen, die das Ganze ins Dialogische übersetzen. Wie kann man das denn zusammenbringen, damit ein ?Nicaenum‘ nicht wie ein Matterhorn vor uns steht, von dem wir sagen ?Oh Gott, das können wir gedanklich gar nicht erklimmen‘?
?Ja, wir fassen oft ein Glaubensbekenntnis so auf, als sei es eine Anzahl von Sätzen, die zusammengesetzt worden sind. Aber Joseph Ratzinger hat einmal formuliert, und ich finde es sehr klug beobachtet: ?Wenn die innere Mitte des Bezuges zu Jesus Christus – wer ist Er denn für mich? – wegfällt, dann zerfällt auch das Glaubensbekenntnis in Einzelteile‘. Das Glaubensbekenntnis ist nicht einfach ein Nacheinander von einzelnen Sätzen, sondern hat den Zusammenhang daher, dass man sein Leben Gott übergibt.
Sie haben von der Taufe und dem dialogischen Charakter der Taufe gesprochen: Die früheste Form der Taufspendung scheint ja der Dialog gewesen zu sein. Da wird man gefragt ?Glaubst du an Gott?‘ Antwort: ?Ich glaube‘ – und man wird untergetaucht. ?Glaubst du an den Sohn?‘, und dann kommen die Dinge, die in dieser Hinsicht bekannt werden. Und untergetaucht. ?Glaubst du an den Heiligen Geist?‘ Wieder untergetaucht. Das heißt: Das, was sich in dieser Frage und dem Zeichen des Untertauchens vollzieht, ist der Bekehrungsvorgang des Menschen, der in das Bekenntnis gebracht wird.
Indem ich oder das ?Wir‘ der Kirche sage/sagt: ?Ich glaube‘, oder ?Wir glauben‘ (?Ich glaube zusammen mit der Kirche, ich mache mir das zu eigen‘), geschieht eine Übereignung an den, an den ich glaube. Und genau das bringt auch die Formel zum Ausdruck. Nicht: ?Ich glaube, dass Gott das ist‘, sondern ?Ich glaube an Ihn‘. Im Griechischen ist das sehr deutlich, eis ton theon: Ich übereigne mich Ihm. Und jedes Mal, wenn das Glaubensbekenntnis gesprochen wird, erinnert man dieses Taufereignis: Wir gehören zu ihm. Wir sind die Schafe seiner Weide, wir werden geführt werden auf die Weide, wo es Wasser gibt und wo es alles gibt, was wir ersehnen… (vgl. Ps 23)“.
Prof. Marianne Schlosser, geb. 1959 in Bayern, lehrt Theologie der Spiritualität an der Theologischen Fakultät der Universität Wien. wurde 1969 von Papst Paul VI. eingerichtet; sie ist am Dikasterium für die Glaubenslehre angesiedelt, die Höchstzahl ihrer Mitglieder ist auf 30 begrenzt.
(vatican news)
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