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10 Jahre Laudato sì: Umwelt als ?Gemeinschaftsgut"

Vor zehn Jahren, am 24. Mai 2015, wurde die Sozialenzyklika Laudato si' von Papst Franziskus ver?ffentlicht. ?ber Franziskus‘ ?kologisches Erbe und Chancen des neuen Pontifikates unter dem US-Amerikaner Leo XIV. sprach Radio Vatikan mit dem deutschen Klimaforscher Ottmar Edenhofer.

Anne Preckel und Christine Seuss - Vatikanstadt

Edenhofer ist Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und des ?Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“. Er war 2021 von Papst Franziskus 2021 zum Berater der Vatikanbehörde für Entwicklungsfragen berufen worden, die sich unter anderem mit Klima- und Umweltproblemen und deren sozialen Folgen beschäftigt. An der päpstlichen Enzyklika Laudato si' von 2015 hat er mitgewirkt.

?Ein Gravitationszentrum, wo mit Leo XIV. Gemeinwohlfragen gestellt werden - in Bezug auf Umwelt, Wirtschaft, Arbeit und Technologien wie KI.“

Innovativ an der großen Sozialenzyklika von Papst Franziskus sei gewesen, dass sie Natur, Umwelt und Atmosphäre als schützenswertes Gemeinschaftseigentum der Menschheit fasste und damit die Eigentumslehre in der katholischen Soziallehre weiterentwickelte, so der Wissenschaftler. Daran könnte der neue Papst Leo XIV., der sich bewusst auf die katholische Soziallehre stützt, anknüpfen, ist er überzeugt. Inwiefern, führt er im Interview mit Radio Vatikan aus.

Mit dem neuen Papst, der in Nord- wie Südamerika verwurzelt ist, könnte der amerikanische Kontinent zu einem ?Gravitationszentrum" werden, in dem ?große ordnungspolitische Grundfragen ausgefochten werden müssen“. Ein Gravitationszentrum, wo mit Leo XIV. Gemeinwohlfragen gestellt werden - in Bezug auf Umwelt, Wirtschaft, Arbeit und Technologien wie KI - so Edenhofer sinngemäß.

Interview

Professor Edenhofer, Laudato si' ist die erste Enzyklika, die Umweltfragen und deren Auswirkungen auf die menschlichen Lebensbedingungen ins Zentrum stellte. Was hat dieses Dokument ausgelöst?

Edenhofer: Als erstes hat dieses Dokument ausgelöst, dass den Leugnern des Klimawandels innerhalb der katholischen Kirche, aber auch außerhalb, die Legitimation entzogen worden ist. Man darf nicht vergessen: vor zehn Jahren gab es noch sehr kräftige und laute Stimmen, auch innerhalb der katholischen Kirche, die den Klimawandel rundheraus geleugnet haben.

Die zweite Wirkung war eine enorme Wirkung innerhalb der Wissenschaft. Es ist heute fast schon vergessen, dass eine der wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschriften, Nature Climate Change, dieser Enzyklika eine eigene Sonderausgabe gewidmet hat. Das ist in der Wissenschaftsgeschichte der Neuzeit völlig einzigartig.

Und die dritte Wirkung war, würde ich sagen, dass dann in den Klimaverhandlungen in Paris auf der COP21 der Vatikan diplomatisch eine sehr aktive Rolle gespielt hat. Er war Vermittler, Brückenbauer, hat Länder überredet, am Ende dann zuzustimmen. Also das waren so die unmittelbaren Wirkungen dieser Enzyklika.

?Laudato sì hat den Leugnern des Klimawandels innerhalb der katholischen Kirche, aber auch außerhalb, die Legitimation entzogen.“

Wo stehen wir denn heute, zehn Jahre nach Laudato si'? Was wurde auch vielleicht sichtbar aufgegriffen von und auch vom Nachfolgedokument von Oktober 2023?

Edenhofer: Bemerkenswert an diesen beiden Dokumenten ist, dass sie sich auf den wissenschaftlichen Sachstand beziehen. Und eben hier vor allem auch auf den Intergovernmental Panel on Climate Change. Das ist bemerkenswert, dass also für diesen Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln beide Dokumente sich auf den wissenschaftlichen Sachstand beziehen. Und  hat dann auch gezeigt, was der wissenschaftliche Sachstand ist, nämlich dass der Klimawandel nach wie vor voranschreitet. Dass wir nicht auf dem Pfad sind, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, dass wir mit erheblichen Schäden zu rechnen haben und dass wir umsteuern müssen. Also das haben die beiden Dokumente nochmal bekräftigt. Und beide Dokumente haben wie gesagt auch den wissenschaftlichen Sachstand mit aufgegriffen und die Dringlichkeit des Umsteuerns betont.

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Ist , zusammen mit  , heute up-to-date? Wo bräuchte es eine Weiterentwicklung vor Hintergrund aktueller Entwicklungen und Erkenntnisse?

Aus meiner Sicht hat  einen ganz zentralen Aspekt in die Debatte geworfen. In Ziffer 23 heißt es, die Atmosphäre ist ein Gemeinschaftseigentum der Menschheit. Und es heißt dann nochmal an anderer Stelle: auch die Ozeane, die Wälder sind ein Gemeinschaftseigentum der Menschheit. Dieser Begriff des Gemeinschaftseigentums, das war aus meiner Sicht eine wichtige Weiterentwicklung der Eigentumslehre in der katholischen Soziallehre - was mit dem Begriff der universalen Widmung der Erdengüter auch bezeichnet wird. Wo also im Kern das Recht auf Privateigentum nur dann als legitim betrachtet wird, wenn es dem Gemeinwohl dient. Und in Laudato si' ist dann eben gesagt worden: das Gemeinwohl heißt heute, dass wir die Gemeinschaftsgüter, Atmosphäre, Ozeane, gerecht und effizient nutzen müssen. Das war aus meiner Sicht ein großer Durchbruch.

Und was es jetzt bräuchte ist, dass genau dieser Grundgedanke erweitert wird. Denn das ist ja genau das, worüber gerungen wird. Dass alle wissen, dass ungebremster Klimawandel dramatische Schäden hervorruft. Und dass wir das aber nur vermeiden können, wenn wir anerkennen, dass auf den internationalen Ressourcenmärkten nicht mehr das Recht des Stärkeren gilt. Denn wer heute viele fossile Ressourcen zur Verfügung hat, emittiert eben sehr viel. Ärmere Länder emittieren weniger. Und das ist ein Zustand, der einer gerechten und effizienten Nutzung widerspricht. Und dafür braucht es internationale Verträge, einen Multilateralismus. Und das ist etwas, was jetzt dringend weiterentwickelt werden müsste.

?Ärmere Länder emittieren weniger. Und das ist ein Zustand, der einer gerechten und effizienten Nutzung widerspricht.“

Was das Bewusstsein um Umwelt und Klima als Gemeinwohl betrifft: in der Gesellschaft, auch in der Kirche, gibt es immer noch Menschen, die dem Klimawandel skeptisch gegenüberstehen. Was kann man diesen Zweiflern antworten?

Also zunächst einmal würde ich ja sagen: Zweifel ist in der Wissenschaft berechtigt und gut. Denn durch den Zweifel gibt es wissenschaftlichen Fortschritt. Was jetzt den Klimawandel anbelangt, da muss man zwischen Zweiflern, Skeptikern und Leugnern unterscheiden. Und für die Leugnung des Klimawandels – also zu sagen, es gibt den Treibhausgaseffekt nicht, es wird keine Schäden geben, wenn wir weiter so viele Emissionen in die Atmosphäre emittieren – dafür gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Und deswegen ist die Leugnung des Klimawandels auch ethisch nicht zu rechtfertigen. Und hier geht es ja nicht um die Frage von Glauben und Wissen, sondern es geht hier entweder um ein Nichtwissen oder es geht um eine bewusste Manipulation. Und beides ist nicht gerechtfertigt. Unwissen wäre hier selbst verschuldet, und Manipulation ist ein unangemessenes Verhalten angesichts der drohenden Gefahren. Also vor dem Hintergrund würde ich sagen, man könnte die wissenschaftlichen Grundlagen erläutern, aber für ein Leugnen des Klimawandels gibt es keinerlei wissenschaftliche Basis.

Wenn wir über  sprechen, sprechen wir über einen wichtigen Teil des Erbes von Papst Franziskus. Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte des neuen Papstes daran?

Edenhofer: Zunächst mal schon im Namen selbst: Leo XIV. knüpft, das hat der neue Papst ja schon in den ersten Tagen mehrfach betont, an Leo XIII. an und damit auch an die Enzyklika . Und in  war ja eine der ganz großen Innovationen, dass dort schon das Recht auf Privateigentum unter Gemeinwohlverpflichtung gestellt worden ist. Und dieses Recht auf Privateigentum wurde dann eben auch begrenzt, wenn es um die Fragen von Gerechtigkeit auf Arbeitsmärkten geht, dem Koalitionsrecht der Arbeitnehmer, die Gewerkschaftsfrage. Und Leo XIV. hat gesagt, er sehe in der künstlichen Intelligenz eine ähnliche Herausforderung wie in der ersten industriellen Revolution.

Und ich glaube, man kann das jetzt weiterziehen. Laudato si' hat einen wichtigen Schritt gemacht in der Innovation der Eigentumslehre der katholischen Kirche, die universelle Widmung der Erdengüter, die globalen Gemeinschaftsgüter. Und da könnte der Papst, also Leo XIV., anknüpfen. Und das wäre ein großer Bogen, der da gespannt werden könnte zwischen Rerum Novarum,  und einer Enzyklika, die mit den globalen Gemeinschaftsgütern, der künstlichen Intelligenz, der globalen Ungleichheit, eben dann sich die Frage stellt, mit welchem Wirtschaftsmodell müsste ein Wirtschaftsmodell aussehen, das eben der Gerechtigkeit, der Freiheit und auch eben der Effizienz Genüge tut.

?Laudato si' hat einen wichtigen Schritt gemacht in der Innovation der Eigentumslehre der katholischen Kirche, die universelle Widmung der Erdengüter, die globalen Gemeinschaftsgüter. Und da könnte der neue Papst, also Leo XIV., anknüpfen.“

Robert Francis Prevost ist US-Amerikaner. Er kommt aus dem Land, das eines der weltweit größten Verursacher von Kohlendioxidemissionen ist, dessen Präsident den Klimawandel allerdings leugnet. Was erhoffen Sie sich als Klimafolgenforscher vom neuen katholischen Kirchenoberhaupt?

Edenhofer: Ich denke, die Weiterentwicklung der katholischen Soziallehre anknüpfend mit Rerum Novarum und Laudato si' ist ein großer Meilenstein gewesen. Und ich würde mir vom neuen Papst eine ethische Orientierung erhoffen in diesen Fragen, eben: wie schaut eine globale Marktwirtschaft aus, man kann auch sagen ein globaler Kapitalismus, der aber trotzdem so gestaltet wird, dass die globalen Gemeinschaftsgüter gerecht und effizient genutzt werden? Die globalen Gemeinschaftsgüter beziehen sich ja nicht nur auf die natürlichen Gemeinschaftsgüter wie Atmosphäre, Wälder und Ozeane, sondern da geht es ja dann auch letztlich um Fragen von öffentlichen Gütern, von Internet, wie wir die öffentlichen Güter nutzen.

Und ich glaube, da wäre aus meiner Sicht ein großer Schritt zu tun. Und da könnte er zurückgreifen auf eine große Entwicklung oder eine große Tradition in der katholischen Soziallehre. Und ich denke, das wäre dann eine Diskussion, eine globale Diskussion, die dann zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden geführt werden könnte. Und der amerikanische Kontinent wäre hier nicht nur das Gravitationszentrum des Katholizismus, des globalen Katholizismus, sondern es wäre dann eben auch genau das Gravitationszentrum, in dem diese großen ordnungspolitischen Grundfragen ausgefochten werden müssen.

?Und der amerikanische Kontinent wäre hier nicht nur das Gravitationszentrum des Katholizismus, des globalen Katholizismus, sondern es wäre dann eben auch genau das Gravitationszentrum, in dem diese großen ordnungspolitischen Grundfragen ausgefochten werden müssen.“

Hier zum Hören - englische Version

 ist Beispiel einer gelungenen Kooperation von Wissenschaft und Glaube. Die Enzyklika bietet einen ganzheitlichen Blick auf das Thema Umwelt und Klima. Wie wichtig ist dieser ganzheitliche, christliche Blick auf aktuelle Herausforderungen und wie empfinden Sie diesen Zugang als Wissenschaftler?

Edenhofer: Also zunächst mal finde ich es sehr gut, dass der wissenschaftliche Sachstand in diesen Dokumenten respektiert wird. Und das ist vielleicht etwas, was unmittelbar nach dem Erscheinen auch in der wissenschaftlichen Community, in der wissenschaftlichen Gemeinschaft extrem positiv aufgenommen worden ist. Ich denke, diese Kooperation von Wissenschaft und Theologie und Ethikern, das wäre aus meiner Sicht ein absolut wichtiger und entscheidender Schritt, den es weiterzugehen gilt.

Und ich glaube, dass Sozial-Enzykliken dort einen sehr viel intensiveren Beratungsprozess bräuchten, damit man eben dann auch Dinge in der Diskussion korrigieren kann. Also man muss natürlich auch sagen, es gibt auch in  erhebliche Schwächen, wo Papst Franziskus einfach übers Ziel hinausgeschossen ist, wo er dann eben versucht, sich auf empirische Wissenschaften zu beziehen, das dann teilweise auch nicht richtig macht oder ethische Urteile abgibt, für die es keine sachliche Rechtfertigung gibt. Also solche Dinge könnte man dann eben auch durch einen intensiveren Beratungsprozess ausmerzen.

Und ich erinnere mich gerne an ein Wort des Theologen, Nationalökonomen, Sozialphilosophen Oswald von Nell-Breuning SJ (1890-1991), dem Nestor der katholischen Soziallehre, der bei der Sozialenzyklika Quadragesimo anno von Pius XI. von 1931 sehr intensiv beratend tätig war. Er hat gesagt, ich war damals als einer der Verfasser der Auffassung, der Heilige Geist würde den Papst vor allen Irrtümern in Sozial-Enzykliken bewahren. Heute weiß ich, dass es nicht der Fall ist. Und ich denke, wir tun gut daran, auf diese Lebenserfahrung von Oswald von Nell-Breuning SJ zurückzugreifen

 

(vatican news – pr)

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23. Mai 2025, 12:25