Unser Sonntag: Wahrer Gott und wahrer Mensch
Prof. Dr. Nadja El Beheiri
1. Sonntag der Fastenzeit - Lk 4,1-13
Jesus wird versucht. An dieser Stelle – ähnlich wie bei seinem Gebet im Ölgarten – offenbart sich das Mysterium Jesus Christi, einer Person mit einer göttlichen und menschlichen Natur.
Die Menschheit Christi ist den Versuchungen ausgesetzt und sein menschlicher Wille kämpft im Garten Gethsemani, um sich den Willen des Vaters ganz zu eigen zu machen – bis er am Ende sagt kann: nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe.
Richtet man seinen Blick auf die Evangelien, so sieht man, dass die frühe Kirche von Anfang an der Überzeugung war, dass Jesus nicht ein bloßer Mensch gewesen sein kann. Man denke etwa an das Gespräch Jesu mit dem Pharisäer Nikodemus. Auf die Wunder bezogen, die Jesus gewirkt hat, sagt Nikodemus (…) denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist. Auch Jesus selbst nimmt für sich in Anspruch Gott zu sein. Deutlich tut er dies, wenn er sagt dass er auch Herr über den Sabath ist. Gleichzeitig zeigt er während seines ganzen öffentlichen Lebens, dass er Herr über die Natur, Krankheiten und Dämonen ist (cfr. KKK 447). Die ersten Glaubensbekenntnisse der Kirche legen Jesus von Anfang an den göttlichen Würdetitel "Herr" bei (cfr. KKK 449). Ein Titel, der im Alten Testament als Bezeichnung Gottes statt des nicht auszusprechenden Namens JHWH verwendet wurde.
Durch den Kontakt mit der nichtjüdischen, vor allem der griechischen Welt sahen sich die frühen Theologen mit der Herausforderung konfrontiert, das Geheimnis von zwei Naturen, der göttlichen und der menschlichen in der zweiten Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit auch auf theoretischer Ebene besser zu fassen und darzulegen. So kam es zu den christologischen Konzilien, die Zeugnis für ein Ringen um eine verstandesmäßige Erfassung des Mysteriums Christi ablegen. Der Begriff Mysterium bedeutet eine Wahrheit, die den Verstand zwar übersteigt, der rationalen Argumentation aber durchaus zugänglich ist. Die ersten Christen hatten dieses Mysterium wohl vor allem mit dem Herzen erfaßt, nun war es an der Zeit, diese Wahrheit für die Gemeinschaft der Gläubigen begrifflich greifbar zu machen.
Konzilien geben Antworten
Gleichzeitig waren die Konzilien Antworten auf Erklärungsversuche, die von der Tradition der frühen Kirche abwichen. Diese Tradition der Kirche hat sich unter anderem auch in sehr alten Gebeten manifestiert.
Das erste ökumenische – d.h. die Gesamtkirche betreffende – Konzil fand im Jahre 325 statt. Auch Kaiser Konstantin hatte einen wesentlichen Anteil an dieser Versammlung und stellte die notwendigen finanziellen Mittel für ihre Durchführung bereit. Für den Kaiser stand der Kampf um Einheit und Frieden im Imperium im Vordergrund. Er ging sogar so weit, die Angelegenheit um die es ich handelte als geringfügig zu bezeichnen und beschwor die streitenden Parteien, ihm seine heiteren Tage und sorglosen Nächte zurückzugeben (H.O 121) und über das worüber man sich nicht einigen konnte zu schweigen.
Es geht um den Kern des christlichen Glaubens...
Aus theologischer Sicht ging es jedoch um den Kern des christlichen Glaubens schlechthin. Der aus Alexandrien stammende Presbyter Arius hatte die Ansicht vertreten, dass es eine Zeit gegeben hat, in der der Sohn nicht existiert hat und dieser daher von Gott aus dem Nichts geschaffen wurde und aus einer anderen Substanz oder Wesenheit als der Vater sei. Gegen diese Auffassung beharrte das Konzil auf der Formulierung, dass der Sohn gezeugt, nicht geschaffen und eines Wesens mit dem Vater ist. (KKK 465)
...bei Arius und Nestorius
Dies beten auch heute noch sowohl evangelische wie katholische Christen im Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Etwa hundert Jahre später setzte sich das Konzil von Ephesus im Jahr 431 mit der Behauptung des Patriarchen von Konstantinopel Nestorius auseinander, der vertreten hatte, dass man bei Jesus deutlich zwischen seiner Gottheit und seiner Menschheit unterscheiden müsse. Joseph Ratzinger hat in einem Beitrag aus dem Jahr 1975 formuliert, dass Nestorius eine Christologie konstruiert habe, bei der Gott aus dem Menschen herausoperiert wurde. Eine solche Sicht würde auch die Versuchungen des Herrn in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Seitens der theologischen Forschung gibt es keine abschließende Stellungnahme dahingehend, ob der Teufel das Wesen des Gott-Menschen genau erfaßt hatte. Aus der Perspektive des gläubigen Christen können wir heute sagen, dass sich die großen Konfessionen darüber einig sind, dass Jesus – perfectus Deus und perfectus homo – wahrer Gott und wahrer Mensch war und ist. Dieser Jesus ist– um wieder mit den Worten von Benedikt XVI./Joseph Ratzinger zu sprechen – in die Gefährdungen des Menschen herabgestiegen, um so den gefallenen Menschen aufzurichten. Jesus mußte – so Benedikt – in das Drama der menschlichen Existenz hineintreten (…). GS 158
Eva misstraut Gott
Bei der Versuchung des ersten Menschen, Adams, treffen wir auch auf die Rolle einer Frau, Evas, die Mutter aller Menschen. Auch bei der Menschwerdung und in der Geschichte der Erlösung treffen wir auf die Rolle einer Frau, Mariens. Diese zweite Frau hat das Konzil von Ephesus gerade auch in Antwort auf Nestorius, als Theotokos, Mutter Gottes bezeichnet. Blicken wir kurz auf den Versuchungsbericht aus der Perspektive Evas. Die Schlange, der Teufel, spricht Eva an und sät Mißtrauen: Gott weiß, sobald ihr vom Baum, der in der Mitte des Garten steht, eßt, werden euch die Augen aufgehen und ihr werdet wie Gott (…). Eva mißtraut Gott, ja es ist gerade dieses Mißtrauen, das sie zum Handeln gegen Gott führt.
Maria vertraut dem Engel...
Von den ersten Tagen der Menschheitsgeschichte bis in unsere Gegenwart hinein besteht die verführerische Illusion, Gott als Einschränkung von Wissen und Freiheit zu begreifen. Im Gegensatz dazu vertraut Maria auf die Worte des Engels des Engels bei der Verkündigung. Das Vertrauen auf Gott – bei Gelegenheiten auch gegen die menschliche Vernunft – ist entscheidend. Bernhard von Clairvaux beschreibt in besonders eindringlicher Weise, dass Maria auf die Botschaft des Engels auch anders hätte reagieren können, als sie es getan hat. Der mittelalterliche Theologe läßt seine Zuhörer förmlich miterleben wie Engel und Menschen die Luft anhalten, während sie auf die Antwort der Jungfrau warten.
...und steht neben dem Kreuz
Maria ist zwar nicht bei den Versuchungen in der Wüste gegenwärtig, sie wird aber im Moment des Leidens bei Jesus sein. Sie wird neben dem Kreuz stehen. Es gibt zahlreiche Zeugnisse, dass etwa Soldaten im Augenblick des Leidens und Sterbens nach ihrer Mutter rufen. Jesus wurde der Trost zuteil, dass seine Mutter im Moment seines tiefsten Leidens an seiner Seite war. In diesem Augenblick ist Maria wohl nochmals in ganz eigener Weise zur Mutter ihres Sohnes – zur Mutter Gottes geworden.
Macht als Versuchung
Zurück zu den Versuchungen Jesu in der Wüste. In der Reihenfolge, in der Lukas sie bringt, sehen wir einen Bogen von der Stillung der menschlichen Bedürfnisse Jesu – dem Stillen seines Hungers zur Übertragung der Macht und Herrlichkeit. Das griechische Wort ?ξουσ?α umfaßt ein Bedeutungsfeld, das Macht, Befehlsgewalt und Recht einschließt. Es spielt auch eine zentrale Rolle im Dialog zwischen Jesus und Pilatus. Als Pilatus darauf verweist, dass er die Macht habe, Jesus zu verurteilen oder freizusprechen, antwortet Jesus, dass er keine Macht hätte, wenn sie ihm nicht von oben gegeben worden wäre. In der dritten Versuchung spricht der Teufel Jesus ausdrücklich als Sohn Gottes an, wobei er die Betonung auf das Wort Sohn legt. Er versucht, ihn zu verleiten, sich der Welt durch eine spektakuläre Darstellung – indem er sich von der Spitze des Tempels stürzt und von den Engeln gerettet wird – zu offenbaren. Auch dieser Versuchung widersteht Jesus. Seine Botschaft entfaltet sich zunächst ganz in der Normalität des Alltäglichen.
Jesu Zurückweisung der Versuchung als Ansporn für uns
Die Haltung Jesu bei den Versuchungen geben ein Beispiel für die Haltung des Menschen gegenüber den geschaffenen Dingen und auch seiner Haltung anderen Menschen gegenüber. Zahlreiche Frauen und Männer sind diesem Beispiel im Laufe der Geschichte gefolgt. Der 9. März, auf den dieses Jahr der erste Fastensonntag fällt, ist liturgisch das Fest von Santa Francesca Romana, einer der Patroninnen Roms. Die Heilige Francesca lebte im ausgehenden Mittelalter und erinnert in mancher Hinsicht an die aus dem ungarischen Haus der Arpaden stammende Elisabeth von Thüringen. Wie Elisabeth wurde Francesca in jungen Jahren verheiratet. Ihr Mann Lorenzo de Ponziani stammte aus einer römischen Adelsfamilie. Die Heilige Francesca verstand es nach dem Vorbild Jesu, nicht an ihrer hohen Stellung festzuhalten. Ihre aufopfernde Hingabe galt vor allem den Kranken der Stadt. In dem Leben dieser Heiligen zeigt sich, dass die Haltung, die Jesus bei der Zurückweisung der Versuchungen gezeigt hat, ein Ansporn für die Christen aller Zeiten war und auch weiterhin sein kann.
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
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