Radio-Akademie (4): Krisen, Hoffnung, Utopien
In der vierten Folge der Sendereihe spricht Seidel mit Nathalie Becquart über die Zukunft der katholischen Kirche. Die französische Ordensschwester gehört zu den hochrangigsten Frauen im Vatikan. Sie arbeitet im Synoden-Generalsekretariat und gehörte zu den Organisatoren der katholischen Weltsynode (2001-24). Das US-Wirtschaftsmagazin ?Forbes“ führte sie letztes Jahr in einer Liste der 500 einflussreichsten Frauen der Welt.
In unserem Interview macht Becquart darauf aufmerksam, dass sich für die Kirche in den letzten Jahrzehnten viel verändert hat. ?Wissen Sie, zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten zwei Drittel der Katholiken in Europa. Und jetzt machen die Katholiken in Europa nur noch 22 % aus. Wir müssen uns also in Europa neu orientieren und verstehen, dass die Kirche sehr vielfältig mit Katholiken auf allen Kontinenten vertreten ist.“
?Es ist eine Kirche aus Menschen mit unterschiedlichem und vielfältigem Hintergrund“
Die Zeit der ?europäischen Kirche“ sei vorbei, so die Ordensfrau: ?Es ist eine Kirche aus Menschen mit unterschiedlichem und vielfältigem Hintergrund. Die erste Generation, die zweite Generation, die vierte Generation... Und sie bringen auch viel Energie und Leben in die Kirche.“ Der richtige Ansatz, um auf diese Veränderungen zu reagieren, sei mehr Mitbestimmung und Offenheit.
Dazu gehöre eine stärkere Rolle von Frauen in der Kirche. ?Wir erben von der ganzen Welt eine eher männlich dominierte Mentalität. Der Wandel ist noch nicht vorbei. Und es gibt den dringenden Aufruf, Wege zu finden, wie wir einander wirklich respektieren können, wie wir Partner sein können, um der Gesellschaft und der Kirche zu dienen. Das ist eine wichtige Herausforderung.“
Die Weltsynode habe versucht, sich den Herausforderungen, zu denen auch die Missbrauchsskandale zählten, zu stellen. Dabei habe sie deutlich an die ?Vision“ des Zweiten Vatikanischen Konzils angeknüpft. ?Darin wird betont, dass unsere erste Berufung als Christ darin besteht, getauft zu werden. Mir gefällt dieses Zitat aus dem Schlussdokument der Synode: ?Es gibt keine höhere Würde als die der Taufe‘.Jetzt geht es also darum, wie wir leben – dass wir das umsetzen. Dass wir alle Brüder und Schwestern in Christus sind…“
Alle Getauften sollten die Sendung der Kirche ?wirklich gemeinsam weiterführen“, so Becquarts Plädoyer: ?Dann werden wir eine partizipatorischere und missionarischere Kirche sein. Das wird mehr Früchte tragen für die Menschen, denen wir zu dienen haben.“
?Synodalität leben“
Die Voraussetzung dafür sei eine ?persönliche und gemeinschaftliche Umkehr“, die mit einer Haltung der Demut beginne. Bei den Synodalversammlungen im Vatikan habe man das 2023 und 2024 beobachten können. ?Sogar Menschen, die aus Ländern kommen, die sich gegenseitig bekämpfen, saßen an einem Tisch: der Bischof von Moskau und ein Bischof aus der Ukraine. Und sie waren in der Lage, dieses Gespräch im Geiste zu führen, sich gegenseitig zuzuhören und gemeinsam zu diskutieren.“
Wenn Sie Ihre Hoffnung für die Kirche in zwei Worten zusammenfassen solle, dann würde sie sagen ?Synodalität leben“, so Nathalie Becquart. ?Wissen Sie, je mehr wir mit Krisen und Schwierigkeiten konfrontiert sind, desto mehr müssen wir zusammenstehen. Eine Krise kann man nicht allein bewältigen. Wenn man das tut, wird man verzweifeln.“
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(vatican news – sk)
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